Lustvoll überzeichnete "Romeo und Julia"-Adaption im Umfeld des mittelserbischen Blasmusik-Festivals in Guca: In einer Mischung aus Bollywood, dokumentarischem Material und Pittoreske entwickelt sich die Geschichte der "verbotenen Liebe" zwischen einem Roma und einer jungen "weißen" Serbin grellbunt und ohne psychologische Typenprofile, dafür aber mit einem inszenatorischen Feingefühl, das vom Rhythmus der Musik bestimmt wird. Deren lustvoller Wehmut werden sich wohl auch Gegner der Blasmusik kaum entziehen können.
- Ab 14.
Gucha
- | Serbien-Montenegro/Bulgarien/Österreich/Deutschland 2006 | 92 Minuten
Regie: Dusan Milic
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Filmdaten
- Originaltitel
- GUCA!
- Produktionsland
- Serbien-Montenegro/Bulgarien/Österreich/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Pallas Film/Dakar Film/Film Deluxe/Aichholzer Film/Art Fest/Bulgarisches Fernsehen
- Regie
- Dusan Milic
- Buch
- Dusan Milic
- Kamera
- Petar Popovic
- Musik
- Dejan Pejovic
- Schnitt
- Marko Glušac
- Darsteller
- Marko Markovic (Romeo) · Aleksandra Manasijevic (Juliana) · Mladen Nelevic (Satchmo) · Nenad Okanovic (Bean) · Slavoljub Pesic (Sandokan)
- Länge
- 92 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
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- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Das weltgrößte Trompetenfestival findet jeden Sommer im mittelserbischen 3.000-Seelen-Städtchen Guca statt. Inzwischen ist es vom Geheimtipp zum Tourismus-Magneten geworden. Dušan Milic hat diesen Mythos in einem gefühlsbetonten Unterhaltungsfilm eingefangen, wobei er die „speziellen Eigenarten und Qualitäten des Bollywood-Kinos in den Balkan“ übertragen will. Dabei geht es um eine verbotene Liebe: Romeo, Nachwuchsstar der Roma-Band „Sandokhan Tigers“, wohnt mit seiner 14-köpfigen Familie in einem provisorisch fertig gestellten Haus am Rande Belgrads. Juliana ist die Tochter von Satchmo, Kopf der „Vladisho Tradafilovic Satchmo“-Band, der sich der rustikalen serbischen Folklore verschrieben hat und nicht möchte, dass seine Tochter mit einem „Zigeuner“ geht. Damit übernimmt „Gucha“ ein Motiv, das auch beim realen Trompetenfestival eine Rolle spielt: die Konkurrenz zwischen „schwarzer“ und „weißer“ Musik, zwei Seiten der serbischen Blasmusik-Medaille, aber doch immer wieder von rassistischen Fehden auseinanderdividiert. Satchmo, konstruiert als kurzhaarig-stiernackiger Spießer-Archetyp, dessen Schrankwand auch in Mittelfranken stehen könnte, verbietet seiner Tochter den Umgang mit ihrem Liebhaber. Doch die romantischen Trompetentöne sind bereits tief ins Herz der blonden Schönheit vorgedrungen, woran auch die gewalttätigen Drohgebärden ihres Vaters nichts ändern können. Satchmo stellt sich schließlich dem musikalischen Duell mit Romeo – wenn dieser im Olymp der Blasmusik die „Goldene Trompete“ gewinnt, darf er um Julianas Hand anhalten. Um das Happy End, das genauso zu Bollywood gehört wie die Schmonzette, vorwegzunehmen: Romeo wird die begehrte Auszeichnung erhalten.
Milic inszeniert grellbunt, kitschig überzeichnet und ohne psychologische Typenprofile, dafür aber mit einem Feingefühl, das vom Rhythmus einer Musik bestimmt wird, deren lustvoller Wehmut sich auch erklärte Gegner der Blasmusik nicht entziehen können. Damit ist dem 38-jährigen Regisseur, der mit seinem Spielfilmerstling „Jagoda im Supermarkt“ (fd 37 188) ein Talent fürs anarchische Komödienfach mit derbem Unterton bewiesen hat, ein enormer künstlerischer Sprung gelungen. Mitproduziert wurde „Gucha“ von Emir Kusturica, dessen Einflüsse deutlich sichtbar sind, aber nicht dominieren. Milic ziseliert eine fein-herbe Mischung, in der allerlei wuseliges Kleingetier, dicke Dirnen und ein Trompeter im Pflaumenbaum für ein skurriles Fundament sorgen, über dem sich eine Dramaturgie erhebt, die den melancholischen Akkorden des Hauptdarstellers folgt und dabei die Nähe zum Taschentuch-Film sucht, ohne in die Trash-Falle abzugleiten; denn Milic legt, bei aller Pittoreske, durchaus Wert auf Authentizität. Die Szenen in Guca wurden, um möglichst nah am Geschehen zu sein, mit der Handkamera gefilmt. Für den Dreh hat man die Veranstaltung eigens um drei Tage verlängert. Mit Marko Markovic, Sohn und Co-Bandleader im Orchester des populären Brass-Meisters Boban Markovic, wurde ein echter Jungstar der Musikszene auf die Hauptrolle des zurückhaltenden Romeo verpflichtet.
Auf seiner Webseite wirbt das Trompetenfestival mit „Madness made in Serbia“. Nach den Jahren des Krieges und der Kriegsverbrechen ist das zwischen „Radikaler Partei“ und Europa-Befürwortern gespaltene Land fast unbemerkt „trendy“ geworden. Guca gehört genauso dazu wie Milics erfolgreicher Versuch, ein „serbisches realistisches Bollywood“ zu schaffen. Angesichts der ambivalenten Haltung gegenüber den eigenen Kriegsverbrechern mögen politische Beobachter den Film als gesellschaftspolitische Retusche kritisieren. Doch hinter der eskapistischen Fassade des Entertainments verweist Milic auf den Bedeutungsverlust der patriarchalen Hackordnung à la Satchmo, dessen Wirkungsfeld, wie das des serbischen Staates in den vergangenen Jahren, mit jeder Gewalttat immer kleiner wird. Marko Markovic integriert jazzige Einlagen in die oft krachlederne Musikfarbe seiner Band. So entwickelt sich zwischen Volksmusik und Piercing ein Plädoyer gegen das Gestrige, mit dem das in den dokumentarischen Aufnahmen in Guca festgehaltene zweischneidige Hantieren der Konzertbesucher mit allerlei serbischen Nationalsymbolen in den Hintergrund gedrängt wird.
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