Eine frisch verheiratete Frau lernt in North Carolina die Familie ihres Ehemanns kennen und wird mit einem Haufen skurriler Hinterwäldler konfrontiert, die durch ihre unverstellte Ehrlichkeit für etliche Überraschungen gut sind. Vorzüglich gespielte, unabhängig produzierte Komödie, die die amerikanische Provinz und ihre Bewohner nicht denunziert, sondern deren Klischees nutzt, um weltläufige Blasiertheit zu karikieren. (auch O.m.d.U.)
- Ab 14.
Junikäfer
Komödie | USA 2005 | 106 Minuten
Regie: Phil Morrison
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Filmdaten
- Originaltitel
- JUNEBUG
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Epoch Films
- Regie
- Phil Morrison
- Buch
- Angus MacLachlan
- Kamera
- Peter Donahue
- Musik
- Yo La Tengo
- Schnitt
- Joe Klotz
- Darsteller
- Amy Adams (Ashley Johnsten) · Embeth Davidtz (Madeleine) · Alessandro Nivola (George Johnsten) · Ben McKenzie (Johnny Johnsten) · Frank Hoyt Taylor (David Wark)
- Länge
- 106 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
„Junebug“ beginnt befremdlich, mit einigen kurzen Einstellungen jodelnder Männer, die man anschließend nicht wiedersieht. Allem Anschein nach handelt es sich um dokumentarische Aufnahmen von Amateursängern, die eine jener Volksmusikarten des amerikanischen Südens pflegen, in denen Jodeleinlagen Akzente setzen. Doch es erschließt sich nie, warum man diese Männer zu sehen und zu hören bekam, weshalb die Irritation dieser kuriosen Anfangssequenz leise nachhallt. Das ist eine passende Einstimmung darauf, dass Regisseur Phil Morrison seine Zuschauer in seinem Debütfilm bis zuletzt in der Schwebe lässt, welche Haltung sie gegenüber seinem exzentrischen Personal einnehmen sollen. Und diese Mehrdeutigkeit ist wohl der Grund, warum diese charmante, kleine Independentproduktion überraschend lange in Erinnerung bleibt. Als man die beiden Hauptfiguren erstmals sieht, begegnen sie einander offenbar selbst zum ersten Mal und fallen sogleich leidenschaftlich übereinander her. Bald darauf sind Madeleine und George ein halbes Jahr verheiratet und auf dem Weg in die Provinz. Madeleine, die in ihrer Galerie in Chicago sogenannte „Outsider Art“ verkauft – Kunst, die von mehr oder minder genialen Dilettanten gemacht wird –, ist nämlich bemüht, einen in North Carolina lebenden Maler unter Vertrag zu nehmen. Und weil Georges Elternhaus zufällig in der Nähe liegt, wird Madeleine bei der Gelegenheit ihren Schwiegereltern vorgestellt. Dabei entpuppen sich die Hinterwäldler allesamt als komische Käuze. Der von Madeleine umworbene Künstler, der mit plumpem Pinselstrich blutige Tableaus entwirft, auf denen die Soldaten der amerikanischen Bürgerkriegsarmeen mit riesigen Penissen bestückt sind, glaubt seine künstlerischen Eingebungen direkt von Gott zu erhalten. Während Georges Mutter als missmutige Matrone auftritt, spricht sein eigenbrötlerischer Vater mehr zu sich selbst als mit anderen. Und der passiv-aggressive zweite Sohn der Familie scheint die elterlichen Charakterzüge zu kombinieren. So verschlossen und wortkarg diese drei Familienmitglieder sind, so mitteilungsbedürftig ist indes Georges Schwägerin Ashley, deren Gedanken, obwohl hochschwanger, ständig um das Thema Gewichtsabnahme kreisen.
Amy Adams gelingt das Kunststück, die kindliche Naivität und Hyperaktivität dieser jungen Frau ohne einen Funken Ironie zu spielen und dabei zugleich ganz dezent eine untergründige Verzweiflung aufscheinen zu lassen – wofür die Darstellerin völlig zurecht mit Preisen und einer „Oscar“-Nominierung belohnt worden ist. Auch wenn Ashley, dank Adams’ Leistung, verblüffend natürlich wirkt, bleibt sie freilich als Kunstfigur zu erkennen. Und wegen des hohen Maßes an Schrulligkeit, das die Provinzler zusammen aufbringen, könnte man vorübergehend meinen, dass „Junebug“ ein weiterer Indie-Film wäre, der sein tendenziell großstädtisches, gebildetes Publikum dazu einlädt, über Einfaltspinsel aus der amerikanischen Provinz zu lachen. Doch Morrison konterkariert solch eine Lesart im gleichen Zug, indem er den ruhigen Handlungsfluss durch kurze Montagesequenzen unterbricht, die Impressionen der Umgebung von Georges Elternhaus sowie von dessen Interieur aneinander reihen. Diesen fast fotografisch anmutenden, statischen Einstellungen fehlt jegliche karikierende Übertreibung, und ihre Sachlichkeit durchkreuzt den etwaigen Eindruck eines Kuriositätenkabinetts. Besonders entwaffnend wirkt eine kurze Szene, die die Familie bei einem Kirchenfest versammelt, dem trotz seiner Provinzialität nichts Lächerliches anhaftet. Dabei offenbart George, der sich bis dahin auffallend im Hintergrund gehalten hat, eine Seite, die sogar Madeleine unbekannt war. Deren ebenso freundliches wie unsensibles Verhalten gegenüber der neuen Verwandtschaft hat freilich schon vorher vor Augen geführt, dass die weltgewandte Diplomatentochter, auf ihre Weise, ähnlich schwer von Begriff ist wie Ashley. Im letzten Akt lassen einzelne Dialoge befürchten, dass Morrison und Drehbuchautor Angus MacLachlan diese Figur dafür bestrafen wollten, dass sie in einer einschneidenden Situation beruflichen Belangen Vorrang vor der Familie einräumt. Dabei scheint der Film ein anderes populäres Erzählmuster aufzugreifen, das beispielsweise jüngst in „Cars“ (fd 37 766) zum Tragen kam und erwarten lässt, dass die spinnerte Naivität der Hinterwäldler sich schließlich als unverstellte Ehrlichkeit entpuppen wird, die nur umso deutlicher die Blasiertheit der weitgereisten Kosmopolitin zum Vorschein treten lassen wird. Erfreulicherweise greift aber auch solch eine Interpretation zu kurz, wie spätestens der abschließende Dialogsatz klarstellt. Der lässt das zuvor Gesehene ganz beiläufig ein letztes Mal in verändertem Licht erscheinen.
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