Die Porträts dreier Frauen in der französischsprachigen Schweiz, die auch im hohen Alter noch einer Beschäftigung nachgehen, dies freilich nicht tun, um ihre Rente aufzubessern, sondern um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können und um Anerkennung zu finden. Ein liebenswert-zurückhaltender Dokumentarfilm, ganz getragen von der Sympathie für seine Protagonistinnen, die er erst in den letzten Minuten zusammenführt. Dabei spart er nie die negativen Seiten des Alterns aus und erzählt auch von Überforderung, Zweifeln und Hinfälligkeit. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Herb, mein Herbst?
Dokumentarfilm | Schweiz 2004 | 55 Minuten
Regie: Marie-Jeanne Urech
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Filmdaten
- Originaltitel
- MONOTONE, MON AUTOMNE?
- Produktionsland
- Schweiz
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Françoise Rapin Filmprod.
- Regie
- Marie-Jeanne Urech
- Buch
- Marie-Jeanne Urech
- Kamera
- Marie-Jeanne Urech
- Schnitt
- Rudi Zieglmeier
- Länge
- 55 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
Diskussion
Jacqueline will ein Manuskript ihrer Gedichte verschicken und braucht dazu noch ein geeignetes Anschreiben an den Verlag. Sie erinnert sich, dass sie einmal einen perfekten Entwurf für ein solches Anschreiben formuliert, aber dann leider weggeworfen hat. Schade, sagt sie, man solle eben nichts wegschmeißen. Ihre Wohnung bezeugt, dass sie sich sonst an diese Einsicht hält. Auch im Müll wird sie nicht fündig, also muss sie sich wohl oder übel erinnern. Sie legt dem Anschreiben auch noch ihre Biografie bei. Mit Foto, weil sich die Zusammenarbeit mit dem Verlag sicher einfacher gestalten würde, wenn man sich in sie, die potenzielle Autorin, verlieben würde. Spätestens, wenn Jacqueline keck in die Kamera blickt und unternehmungslustig mit beiden Händen auf die Tischplatte trommelt, hat sich dann der Zuschauer in Jacqueline verliebt.
Jacqueline ist eine von drei in der französischsprachigen Schweiz lebenden Protagonistinnen in Marie-Jeanne Urechs Dokumentation, deren Originaltitel „Monotone, mon automne?“ allerdings viel schlüssiger ist. Jacqueline ist nämlich 77 Jahre alt und noch immer voller Unternehmungsgeist, wenn sie scherzend durch die Redaktionsräume streift, hier ein Schwätzchen hält, dort einen Ratschlag parat hat. Der Film verschweigt nicht, dass die selbstbewusste und auch etwas konfuse Alte manchmal auch gehörig auf die Nerven gehen kann, aber viel mehr zählt ihre mitreißende Vitalität. Hierin ähnelt Jacqueline der 81-jährigen Rose, die noch immer zweimal in der Woche in einem Schönheitssalon arbeitet. Durch die Medienberichterstattung konditioniert, denkt man bei diesen Bildern automatisch an Altersarmut und das rissig gewordene soziale Netz, doch Rose arbeitet nicht wegen des Geldes: „Geld dient der Verständigung und macht glücklich“, erläutert sie und sieht auch im Geldausgeben vorrangig eine soziale Chance. Auch die einst aus der Sowjetunion emigrierte Nadine (82) ist noch aktiv. Sie veranstaltet erst in ihrer Wohnung, später dann sogar im Krankenhaus Privatkonzerte und genießt es sichtlich, wenn sich das vom Alter her kunterbunt gemischte Publikum von der Musik gefangen nehmen lässt.
Marie-Jeanne Urech hat die drei sehr unterschiedlichen Frauen zurückhaltend in ihrem Alltag beobachtet; ihre Sympathie ist dem Film deutlich eingeschrieben. Gemeinsam ist dem Trio, dass sie auch im hohen Alter ihre Selbstständigkeit mit einem gesunden „Egoismus“ (Rose) einfordern und sich nicht auf bestimmten Rollen festlegen lassen. „Wir sagen, wir sind alt, damit man sich um uns kümmert“, weiß Rose, aber genau dies wollen die drei Frauen vermeiden. Nadine graut es bei dem Gedanken ans Altersheim. So optimistisch „Herb, mein Herbst?“ stimmt, so explizit handelt der Film auch von Überforderungen, von Zweifeln, von Hinfälligkeit, Rückschlägen und Widerständen. Zu Beginn erzählt Jacqueline noch, dass ihr Computer ihr Draht zur Welt sei, am Ende, als das Gerät seinen Geist aufgibt, möchte die Verzweifelte am liebsten sterben. Später wird die Filmemacherin die drei Frauen zusammenführen, da vergleichen sie bestens gelaunt ihre Altersunterschiede: „Mit 78 habe ich noch tolle Sachen gemacht. Jetzt nicht mehr“, erzählt Nadine. Jetzt wollen sie Freundinnen bleiben, aber Jacqueline in ihrer typischen Art: „Welche wohl als Erste stirbt?“
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