Schattenland
Dokumentarfilm | Deutschland 2005 | 89 Minuten
Regie: Volker Koepp
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Vineta Film/SWR
- Regie
- Volker Koepp
- Buch
- Volker Koepp
- Kamera
- Thomas Plenert
- Musik
- Rainer Böhm
- Schnitt
- Jana Ketel
- Länge
- 89 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
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Heimkino
Eine dokumentarische Entdeckungsreise durch Masuren.
Auf seinen Reisen durch frühere ostdeutsche Grenzlandschaften ist Volker Koepp in Masuren angekommen, jener hügeligen, von großen Seen und Wäldern geprägten Gegend im Nordosten Polens, südlich der russischen Exklave Kaliningrad, einst Ostpreußen genannt. Tartaren und Russen sind durch diese Gegend gezogen, Franzosen und Deutsche. Die Geschichtsbücher sind voll von Berichten über Kriege und Besatzungen, Hungersnöte und Nationalitätenstreitigkeiten.
Pufferzone zwischen den Völkern
Über Jahrhunderte diente Masuren als Pufferzone zwischen den Völkern; deshalb wurde das Land nur spärlich besiedelt, die Dörfer lagen weit verstreut; ein Sprichwort behauptete sogar: „Wo sich aufhört die Kultur, beginnt zu leben der Masur“. Nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieb der polnische Staat die hier ansässigen Deutschen oder zwang sie zur Assimilation. Dafür wurden Ukrainer aus dem polnischen Südosten hierher verbracht; auch sie mussten unfreiwillig ihre eigentliche Heimat verlassen.
Wie immer spürt Koepp diesen Verwerfungen und Brüchen der Historie nach, untersucht deren Spuren in der Gegenwart, fragt seine Gesprächspartner nach dem Woher und Wohin, nach ihren Wurzeln wie ihren Zukunftsentwürfen. In die von Thomas Plenert aufgenommenen, zauberhaft wirkenden Landschaftsbilder sind Beobachtungen und Interviews mit Kindern und Greisen, Bauern und Fischern, Umweltschützern und einer ehemaligen deutschen Korrespondentin eingebettet, die hier ein neues Zuhause gefunden hat.
Manche Begegnung gerinnt zur Metapher, wenn etwa ein alter Pole das Filmteam zu den Ruinen eines im 14. Jahrhundert von Mitgliedern des Deutschen Ordens gebauten Schlosses führt, mit leuchtenden Augen vom einstigen Ballsaal schwärmt und dann geradewegs auf seine eigene Behausung inmitten der verfallenen Pracht zusteuert: eine ärmliche Bretterbude. Fischer erzählen von der Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen nach dem EU-Beitritt; sie bringen im Monat nur noch 125 Euro nach Hause, wollen sich aber nicht beschweren: „Nun ja, man lebt“. Vier Schulmädchen berichten, dass sie noch nie die nur drei Kilometer entfernte Grenze nach Russland überschritten hätten. Ein Rentner antwortet auf die Frage, was sich drüben, auf der anderen Seite, befände: Nichts. Die Russen hätten alles zuwachsen lassen.
Die Erde, aus der der Mensch entstanden ist
Trotz solcher melancholischer Töne kippt der Film nie in Tristesse um. Dazu ist die Landschaft zu schön, sind die Gesprächspartner zu aktiv und gewitzt. Die Kinder lachen und toben; ein Paar baut alte masurische Gehöfte als Touristenattraktion aus und verteidigt uralte Alleebäume gegen das Fällen; die Fischer, die Koepp im Winter wie im Sommer bei der Arbeit beobachtet, machen reichen Fang; ein Bauer, dessen Großeltern einst aus der Ukraine hierher deportiert wurden, erweist sich als schlitzohriger Philosoph. Am Ende des Films reibt er die „fremde“ Erde, die längst zur eigenen geworden ist, zwischen seinen Fingern und weist darauf hin, dass auch der Mensch aus ihr entstanden sei, von ihr lebe und in sie zurückkehren werde.
In Masuren vergeht die Zeit langsamer als anderswo, dieser Landstrich ist ein von den Westeuropäern noch weitgehend unentdecktes Refugium der Ruhe und Gelassenheit. Koepps eigener filmischer Kosmos wird mit „Schattenland“ allerdings nicht wesentlich erweitert. In Stil, Tempo und Atmosphäre unterscheidet sich der neue Film kaum von Vorgängern wie „Kurische Nehrung“, „Uckermark“ oder „Pommerland“. Zum ersten Mal tritt der Regisseur als Interviewer in die zweite Reihe und lässt die Gespräche meist von der jungen Tanja Kloubert, einer seiner Hauptfiguren in „Dieses Jahr in Czernowitz“, in polnischer Sprache führen. Das spart umständliche Übersetzungen, hinterlässt aber auch den Eindruck, dass der Regisseur den Menschen vor der Kamera weniger nahekommt als sonst. Daraus resultiert eine gewisse neutrale Haltung, die den Film etwas unpersönlicher macht als andere Arbeiten Koepps.