Ebenso ernsthafte wie amüsante Dokumentation über eine kauzige Gruppe alter Claqueure: Männer, die sich für Geld und Eintrittskarten mit Applaus und Bravo-Rufen bei den Opernsängern "bedanken". Ein weniger kritischer als wehmütiger, dabei stets informativer Blick auf die eigentümliche, gleichwohl traditionsreiche Wechselbeziehung zwischen Fan und Star im italienischen Opernbetrieb.
- Ab 12.
Opernfieber
Dokumentarfilm | Deutschland/Schweiz 2004 | 70 Minuten
Regie: Katharina Rupp
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Filmdaten
- Originaltitel
- OPERNFIEBER
- Produktionsland
- Deutschland/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Barbarossafilm/Sehstern/Maximage/ZDF-arte/SF DRS/YLE TEEMA
- Regie
- Katharina Rupp
- Buch
- Katharina Rupp
- Kamera
- Vita Spiess
- Schnitt
- Barbara Toennieshen
- Länge
- 70 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Menschen, die sich für eine kostenlose Opernkarte kaufen lassen, um im richtigen Moment nach einer Arie oder einem Duett „Bravo“ zu schreien und das Publikum zu ekstatischen Beifallsstürmen zu animieren: gekaufte Claqueure, die mit Duldung der Intendanz, der Sänger und des Maestros ihre zweifelhafte Arbeit tun. Das wäre der Stoff für eine investigative Fernsehreportage, die Korruption im subventionierten Opernbetrieb aufdeckt. Glücklicherweise ist Oper fürs Fernsehen zu unwichtig und zu wenig massenkompatibel, um solche Missstände spekulativ aufzudecken; denn wen interessiert es schon, ob in der Arena di Verona ein alter Mann nur deshalb jubelt, weil er seine Eintrittskarte nicht bezahlen musste? Die Dokumentaristin Katharina Rupp meidet jede reißerische Aufgeregtheit und nutzt das Thema zu einem interessanten, mitunter anrührenden und wehmütigen Porträt von Fans eines anachronistischen Kulturbetriebes und ermöglicht einen von Sympathie geprägten Blick auf jenen Betrieb, der diese Nische für eine eigentümliche Liebhaberei öffnet. Wer sind diese Menschen, die ihr Leben der Huldigung der Diven und Maestros dieser Welt verschrieben haben? Sie kommen aus Italien und sind inzwischen jenseits der Pensionsgrenze. Manche kommen aus ärmlichen Verhältnissen und sind in den Peripherien um die bekannten Opernhäuser von Verona, Venedig oder Mailand bekannt wie bunte Hunde. Manche haben sich in einem Zirkel zusammengeschlossen, etwa dem „Club der 27“, der Mitglieder auf Lebenszeit beruft, sich nach den 27 Opern Verdis benennt und sich im Auszeichnen großer Sänger ergeht. Die Claqueure leben mit dem Betrieb, den sie als ihren Lebensmittelpunkt sehen, in einer eigentümlichen Symbiose. Fragt man manche Intendanten, negieren diese deren Existenz; fragt man die eigentümlichen Lobbyisten, etwa „Mr. Claque“ Alfredo, erfährt man, dass die berüchtigten Claqueure mitunter gar 20 Prozent der Gage eines Sängers einstreichen, damit sie nicht in die Arie hineinhusten und im richtigen Moment klatschen.
Katharina Rupp gelingt mit ihrem Blick auf eine kaum bekannte, gleichwohl schon Jahrhunderte währende „Halb“-Welt in den Auditorien der italienischen Singspielhäusern eine ebenso ernsthafte wie amüsante Dokumentation, die sich nicht um Korruption und Erpressung kümmert, sondern ein Stück Tradition in der Beziehung zwischen Fan und Star beleuchtet. Dabei ist es faszinierend zuzuschauen, mit welcher Hingebung die Claqueure ihrer „Profession“ nachgehen, aber auch erzählen, welche akustischen Schlachten sie sich in mancher Vorstellung mit den ihnen verhassten „Loggionisti“ liefern, die in den oberen Rängen sitzen, ihre Karten bezahlen und sich als die einzig wahren Opernkenner betrachten. Während die einen oft überkritisch sind, haben die Claqueure immer auch den Mensch auf der Bühne im Sinn. So beherzigt ein etwa 80-Jähriger den Merksatz, den er einst von einem berühmten Maestro mit auf den Weg bekommen hat: „Vergiss nicht: Der Applaus ist für den Sänger wie Manna, das vom Himmel fällt. Aber Unmutsbekundungen hinterlassen Narben, die erst langsam verheilen können.“
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