Als Dokumentarfilmer kann Stacy Peralta (Jahrgang 1957) bereits eine eindrucksvolle Karriere vorzuweisen. Sein Debüt „Dogtown & Z-Boys“
(fd 35 544) wurde mit Preisen überhäuft; „Riding Giants“
(fd 37 138) eröffnete beim Sundance-Festival das traditionell Spielfilmen vorbehaltene Hauptprogramm. Peraltas Erfolgsgeheimnis beruht dabei weniger auf seiner durchaus eigenwilligen Bildsprache, eine Mischung aus Dogma 95 und MTV, noch auf seinem Hang, analytisch zu arbeiten; vielmehr scheint es schlicht darin zu bestehen, dass er sein eigenes Leben auslotet, das sich zwischen seiner größten Leidenschaft Skateboarden und der noch größeren Huldigung an dessen Helden bewegt.
Nach dem Erfolg seiner beiden Dokumentarfilme war ihre Adaption ins Spielfilm-Genre vielleicht nur eine Frage der Zeit. Bevor Peralta demnächst selbst frei nach „Riding Giants“ einen Spielfilm über sein Surf-Idol Greg Noll inszeniert, startet nun Catherine Hardwicke fiktionalisiertes Drama über den kalifornischen Underdog nach der Vorlage von „Dogtown & Z-Boys“. Peralta und seine Freunde Jay, Tony und Sid waren die Dogtown Boys von Venice, Kalifornien, die fast ihre gesamte Zeit auf den schmalen Holzbretten verbrachten, wenn sie nicht gerade mit den Platzhirschen um die Surflegende Skip Engblom um die besten Wellen vor Venice Beach oder Santa Monica stritten. „Lords of Dogtown“ beginnt damit, dass Skip mit dem Zephyr-Team eine Reihe hoffnungsvoller Skate-Talente um sich schart, die seinem Surf- und Skateboard-Shop PR und den Kids ein wenig Ruhm, vielleicht sogar den Durchbruch als Profis bescheren sollen. Während Sid mit Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen hat, avancieren Jay, Tony und der erst später hinzustoßende Peralta zu Größen der Szene. Doch der Erfolg hat seinen Preis. Bald bevölkern zweifelhafte Freunde die ausgelassenen Partys am Strand von Venice und auch dubiose Angebote lassen nicht lange auf sich warten. Zunächst erliegt Tony einem Promoter, wird zwischenzeitlich Weltmeister und landet schließlich in den Händen des weißen Gangsters Topper Burke. Doch letztlich ist es Peralta, der bei einer Agentur unterkommt, in der ganzen Welt Erfolge feiert und den Ring der verschworenen Z-Boys-Clique endgültig sprengt.
Zumindest in den USA finden Spielfilme über Nationalsportarten ein treues Publikum. Ob Football, Eishockey, Baseball oder gar Surfen – der Sport bildet in vielen Fällen die erzählerische Folie für menschliche Dramen und Selbstbestätigungsfantasien. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass nun auch Skateboarden eine filmische Würdigung erfährt. Peraltas „Dogtown & Z-Boys“ leistete hier ähnliche Vorarbeit wie einst Bruce Browns „Endless Summer“-Dokumentationen für Surffilme wie „Tag der Entscheidung“
(fd 20 989) oder „Gefährliche Brandung“
(fd 29 143). Die dramatische Verdichtung funktioniert dabei einmal mehr über den Wettkampf. Die Reise zu den Wettbewerben und das Training dazwischen bieten genügend Gelegenheiten, um halsbrecherische Kunststücke zu zeigen. Das wachsende Einkommen, das mit dem Ruhm der Protagonisten einhergeht und den Ausbruch aus dem einst glorifizierten Underdog-Leben ermöglicht, bietet andererseits genügend Zündstoff für zwischenmenschliche Konflikte. Erstaunlich ist, dass Peralta dabei nicht die sympathischste Rolle zugeschustert wird. Die erhält der rebellische Jay, der den wahren Geist der Dogtown Boys bis zum Ende hoch hält, Venice und seine Familienprobleme nicht los wird, sich darüber radikalisiert und zur Identifikationsfigur des Films heranreift. Bei aller Tragik leistet sich „Lords of Dogtown“ am Ende etwas mildernde Sentimentalität, denn die Boys kehren noch einmal nach Dogtown zurück und jagen wie zu Beginn mit den Boards durch die wasserlosen Swimmingpools – auch wenn der Anlass ein trauriger ist. Catherine Hardwicke gelingt in ihrem nostalgischen, die „gute alte Zeit“ der 1970er-Jahre beschwörenden Lifestyle-Film das Kunststück, nach anfänglichen Schwierigkeiten die Kurve zu einem mitreißenden Ensembledrama zu bekommen. Unter der Oberfläche des Modethemas entwickeln sich melodramatische Abgründe und mitreißende Wendungen, die den schalen Hip-Status des Sujets vergessen lassen. Nicht zuletzt die Darsteller verleihen dem Film eine unverzichtbare Authentizität. Vor allem Emile Hirsch als Jay und Michael Angarano als Sid tragen mit ihrem kontrolliert chaotischen, „wütenden“ Spiel dazu bei, dass das Leben in der Skater-Clique nicht aufgesetzt erscheint. Auch die prominenten Darsteller erweisen sich als Glücksfall: Rebecca de Mornay überrascht als Jays von Drogen gezeichnete Mutter mit einem an Selbstaufgabe grenzenden Mut zur Hässlichkeit, und Heath Ledger schafft es als „Leitwolf“ Skip Engblom mit einer Mischung aus Fatalismus und manischem Überschwang erstaunlich schnell, seinen Star-Nimbus vergessen zu lassen. Einzig Johnny Knoxville gelingt es auch hier nicht, als schmierigem Fiesling seine MTV-“Jackass“-Attitüde abzulegen. Dem Film schadet dies jedoch nicht.