Johannes XXIII - Für eine Welt in Frieden

- | Italien 2003 | 103 Minuten

Regie: Ricky Tognazzi

Stationen im Leben Angelo Roncallis, der als Papst Johannes XXIII. ein wichtiger Reformer der katholischen Kirche wurde, entfalten sich in einem Bilderbogen, der trotz der Einspielung von Dokumentaraufnahmen keine realistische Darstellung einer außergewöhnlichen Biografie ist, sondern ein Dokument der Huldigung. Der gefühlsbetonte, phasenweise kitschige Film zeugt von großer Bewunderung für einen Papst, der mit seiner menschenfreundlichen Art die Herzen aller gewann. Dessen Leistung für die Weltkirche (Einberufung des 2. Vatikanischen Konzils; Öffnung der Kirche über alle ideologischen Grenzen hinweg) kommt dabei entschieden zu kurz. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
IL PAPA BUONO
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Blu Cinematografica/MediaTrade/Victory Media Group
Regie
Ricky Tognazzi
Buch
Fabrizio Bettelli · Simona Izzo · Marco Roncalli · Ricky Tognazzi
Kamera
Giovanni Canevari
Musik
Ennio Morricone
Schnitt
Carla Simoncelli
Darsteller
Bob Hoskins (Angelo Roncalli/Papst Johannes XXIII) · Carlo Cecchi (Kardinal Mattia Carcano) · Roberto Citran (Monsignor Loris Capovilla) · Fabrizio Vidale (junger Angelo Roncalli) · Francesco Venditti (junger Nicola Catania)
Länge
103 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (1:1.66/4:3/Dolby Digital 2.0)
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Diskussion
Ob der Liebe Gott solche Hände habe wie er, will die todkranke Katharina vom Papst wissen. Das könne schon sein, meint der und lächelt gütig. Bob Hoskins, der bekennende Atheist, verkörpert in Ricky Tognazzis Filmbiografie nicht nur den „Papa buono“, den guten Papst Johannes XXIII., sondern eigentlich den „lieben Gott“. Ja, nur so kann man ihn sich vorstellen: mild und sanftmütig, liebevoll allen Menschen guten Willens und ihren Sorgen zugewandt. Wichtige Stationen im Leben des Angelo Roncalli, der als Papst Johannes XXIII. ein wichtiger Reformer der katholischen Kirche wurde, entfalten sich in einem Bilderbogen, der trotz der Einspielung von Dokumentaraufnahmen keine realistische Darstellung einer außergewöhnlichen Biografie ist, sondern ein Dokument der Huldigung. Der Film ist die Kinofassung eines Fernseh-Zweiteilers, der für den italienischen Privatsender Canale 5 produziert wurde und nicht zu verwechseln ist mit der zeitgleich entstandenen Fernsehproduktion der RAI, „Johannes XXIII. – Ein Leben für den Frieden“ (Italien 2002). Die RAI-Produktion mit dem amerikanischen Schauspieler Edward Asner wurde erstmals im April 2002 in Italien ausgestrahlt und erreichte sensationelle 15 Mio. Zuschauer. Tognazzis Film wurde erst im Januar 2003 gezeigt und fand deutlich weniger, immerhin aber noch über neun Mio. Zuschauer. Dass nun der weniger erfolgreiche Film, der ästhetisch in keiner Weise ein solides Mittelmaß von Fernsehproduktionen übersteigt, in die Kinos kommt, ist wohl nur mit dem augenblicklichen Papst-Boom zu erklären. Beide Filme sind in vielen Teilen nahezu identisch, weil sie die gleichen Ereignisse abbilden. Tognazzis Film wählt als erzählerische Klammer die Sterbestunde des Papstes und entfaltet in Rückblenden eine Art Aneinanderreihung der „Best of“-Momente im Leben des außergewöhnlichen Mannes. Der Zuschauer erlebt, wie Roncalli mit Hilfe des deutschen Botschafters von Papen 600 jüdische Kinder in Istanbul rettet. Er verfolgt die überraschende Wahl des 76-Jährigen zum Papst, der sich dann als besonders volksnaher Oberhirte erweist und die kranken Kinder im Hospital ebenso wie die Gefangenen hinter den Gefängnismauern besucht. Der vermeintliche „Übergangspapst“ stößt mit der Einberufung des Konzils wesentliche Reformen an und erlebt dabei den zum Teil erbitterten Widerstand der Kurie. Der gute Hirte, der für alle Menschen da ist, rettet die Welt in der Kuba-Krise. Tognazzi bevorzugt eine Zeigefinger-Dramaturgie, die die Bedeutsamkeit jedes Satzes und jeder Situation unterstreicht. Die Biografie des Angelo Roncalli ist an sich spannend genug, doch man hat den Eindruck, Tognazzi habe Sorge, der Zuschauer könnte etwas verpassen, und er tut ständig zuviel des Guten, um herauszustellen, wie einzigartig und geradezu überirdisch dieser Papst war. Zu dem „Zuviel“ gehört auch die Musik von Ennio Morricone, die dem Zuschauer eine aufdringliche gefühlige Einstimmung aufzwingen will. Den „guten Papst“ macht der Film gleichzeitig größer und kleiner. Größer, weil er ihn auf ein Podest hebt und gleichsam zum Abbild des „lieben Gottes“ hochstilisiert, kleiner, weil er die eigentlichen Leistungen reduziert. Die Figur, die er zeichnet, ist von Anfang an von allen anderen abgehoben und von einem Glorienschein umgeben. So wird eine für die Entwicklung Roncallis prägende Gestalt wie der Bischof von Bergamo, Graf Radini Tedeschi – gespielt vom Regisseur selbst – zum Statisten im Hintergrund. Zu den unnötigen Vereinfachungen gehört auch, dass die Anliegen des Konzils auf die Frage, ob die Messe in der Landessprache gelesen werden darf, reduziert werden. Letztlich wird Roncallis Leben auf die Geschichte dreier Männer reduziert. Angelo, Mattia und Nicola sind im Priesterseminar die engsten Freunde. Mattia wird später als Kurienkardinal ein Gegenspieler, Nicola steht für die verlorenen Seelen, um die sich der Papst bemüht: Er wird exkommuniziert, bleibt aber in den Gedanken seines ehemaligen Freundes Angelo präsent, auch wenn er ihn später nie mehr sehen wird. Die Taten des Papsts werden in die Nähe des Wunders gerückt: Der Papst besucht nicht nur die Kinder im Krankenhaus, sondern er begegnet einem todkranken Mädchen, das danach offenbar geheilt ist. Die Kuba-Krise wird mit einer kurzen Ansprache im Minutentakt „erledigt“. Die Tendenz zur Übersteigerung wird besonders deutlich, wenn man den Film mit der RAI-Produktion vergleicht, die auch alles andere als eine kritische Auseinandersetzung ist, aber immer eine deutliche Spur zurückhaltender als Tognazzis Film, der letztlich nichts anderes ist als die vorweggenommene filmische Heiligsprechung. So erreicht Tognazzi allenfalls ohnehin schon bekennende Verehrer, verpasst aber die Chance, eine außergewöhnliche Gestalt der Kirchengeschichte einem Publikum zu vermitteln, das die differenzierte Darstellung eines Mannes erwartet, der mehr war als ein dicker Mann mit einem gütigen Lächeln.
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