Ein Jugendlicher lebt mit seinem alkoholkranken Vater in einem Ostsee-Ferienparadies und verdient sich durch mehr oder weniger legale Jobs einige Euro. Während des Sommers kommen sich er und eine junge Touristin näher. Sein labiles Familienleben gerät aus den Fugen, als seine ältere Schwester mit ihrem Kind auftaucht und er zum "Onkel" wird. Coming-of-Age-Film, der zwischen der Leichtigkeit eines "Sommer-Jugendfilms" und genauen sozialen Beobachtungen nicht ganz das Gleichgewicht findet; dennoch eine spannende Talentprobe.
- Ab 14.
Das Lächeln der Tiefseefische
Drama | Deutschland 2005 | 86 Minuten
Regie: Till Endemann
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Zieglerfilm/WDR/arte
- Regie
- Till Endemann
- Buch
- Till Endemann
- Kamera
- Felix Cramer
- Musik
- Enis Rotthoff
- Schnitt
- Rebecca Khanide
- Darsteller
- Jacob Matschenz (Malte) · Alice Dwyer (Annika) · Adrian Topol (Pavel) · Victoria Mayer (Hannah) · Benjamin Meyer (Lukas)
- Länge
- 86 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Das Leben ist kein Picknick, Junge!“ Solche Sätze hört man in diesem Film öfters. Notizen aus der aktuellen Übergangsgesellschaft, in der sich alles nur noch darum dreht, „über die Runden zu kommen“: Malte, fast 18 Jahre alt, braucht dringend „Praxis“. Sobald er seinen Führerschein hat, will er nämlich „den Abflug“ machen und „die Szene auschecken“, schließlich gibt sich der Schulabbrecher als cooler Sprayer, der sogar den entsprechenden Jargon drauf hat. Doch das täuscht. Malte ist eigentlich ein ziemlich verstockter Typ, schüchtern und unsicher, der mit seinem Vater, einem gleichfalls vom Leben überforderten und darauf mit Passivität reagierenden Alkoholiker, in einem heruntergekommenen Haus am Rand eines Ostsee-Ferienparadieses lebt. Dort ist die Umverteilung von Besitz bereits abgeschlossen; es gibt wohlhabende Hotelbesitzer und Anwärter für Ein-Euro-Dienstleistungen, die für nostalgisches Lokalkolorit sorgen. Maltes Vater fährt, wenn er denn einmal nüchtern ist, Touristen mit der Pferdekutsche die Strandpromenade entlang. Durch halblegale Jobs in der fischverarbeitenden Gastronomie und Zigarettenschmuggel über die deutsch-polnische Grenze verdienen sich die Jugendlichen hier, wo noch alles etwas provisorisch aussieht, ein paar Euros hinzu. Die um Sonne, Strand, Meer und Frauen kreisende lässige Nonchalance, die Maltes Freund Pawel ausstrahlt, gelingt Malte nicht. Er, der zu wissen glaubt, was cool ist, weiß auch, dass bestimmte Dinge – Gesten, Posen, Redeweisen oder Lebensumstände – sehr uncool wirken können. Dieses Wissen bestimmt sein oftmals lachhaft ungelenkes Verhalten – beispielsweise gegenüber Annika, die an der Ostsee Ferien macht und ihr Interesse an Malte fast schon überdeutlich signalisiert.
Doch vor die erwartbare bittersüße Liebesgeschichte im sommerfrischen Ambiente und ihre musikunterlegten kleinen Fluchten im alten Opel Kadett hat Regisseur und Drehautor Till Endemann erst einmal die Rückkehr von Maltes großer Schwester Hannah aus dem Westen gesetzt. Hannah kommt nicht allein zurück, sondern hat ihren Sohn Lukas – herzerfrischend gespielt vom kleinen Benjamin Meyer – dabei. So wird Malte, der sich selbst permanent im Weg steht, plötzlich auch noch zum zumindest anfänglich schwer überforderten „Onkel Malte“. Durch die Anwesenheit der Schwester – man beachte, wie sorgfältig sich hier ein dramaturgisches Puzzleteilchen ins nächste fügt – wird die virulente Krise von Maltes Familie kommunikabel, deren zentrales Trauma (der frühe Tod der Ehefrau und Mutter) ganz behutsam rekonstruiert wird. Überhaupt scheint der Film eine endlose Abfolge von Gesprächsangeboten; Malte ist gewissermaßen von wohlwollenden Personen umzingelt, die sich durch seine Schroffheit nicht schrecken lassen.
„Das Lächeln der Tiefseefische“ ist von einer angenehmen, fast sommerlichen Stille durchdrungen, die offenbar eher auf Atmosphäre als auf allzu explizite dialogische Auflösung setzt. Leider scheint beim Schnitt das Vertrauen in die Subtilität einer Choreografie der Blicke und Gesten verloren gegangen zu sein, denn zentrale Metaphern des spröden Geschehens werden unvermittelt allzu aufdringlich nachgereicht, was dem filmischen Diskurs nicht gut bekommt. Ein treffliches Beispiel hierfür sind die titelgebenden Tiefseefische, die zunächst Lukas’ kindlich-erschreckte Interpretation von Maltes nicht sonderlich gelungenen „Monster“-Graffitis sind. Danach ist es immer wieder (die immer etwas forciert sprechende) Annika, die das Thema aufgreift. In knietiefem Wasser macht sie sich auf die Suche nach den „Tiefseemonstern“, die ihre Beute in der Dunkelheit mittels ihrer Leuchtkörper anlocken, doch Malte weiß, dass „in dem Dreck hier“ sowieso nichts zu sehen ist. Erneut ist es an Annika, die negative Metapher positiv umzukodieren, wenn sie davon spricht, dass (für sie) die hässlichen Fische lächeln, weil sie sich in der Dunkelheit selbst ein Licht anschalten können. So bekommt dieser Coming-of-Age-Film dann doch noch einen Sog ins Positive, dem sich auch Malte mit seiner hilf-, allerdings viel zu selten wortlosen Verzweiflung darüber, Teil einer „beschissenen Familie“ zu sein, nicht entziehen kann.
„Breakin’ out never felt so free“, versprach bereits ein Song zu Beginn des Films in etwas holprigem Englisch, doch „Das Lächeln der Tiefseefische“ setzt lieber auf das Familienmodell, hier (re-)konstituiert aus Bruder, Schwester und deren Sohn. Aus dem widerspenstigen „Onkel“ ist eine Art „Ersatzvater“ geworden. Doch in der privatistischen Idylle, aus die der Film schließlich ins Leben entlässt, fragt man besser nicht intensiver nach dem Sozialen und dem Ökonomischen, das im Verlauf des Films durchaus als konfliktträchtig dargestellt wurde. So ist „Das Lächeln der Tiefseefische“ eine spannende Talentprobe, die sich allerdings nicht zwischen pointierter Beobachtung und ärgerlicher Geschwätzigkeit entscheiden kann, auch nicht zwischen realitätsgesättigter Subtilität und lockerer Verpflichtung aufs Genre.
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