Somersault - Wie Parfüm in der Luft

Drama | Australien 2004 | 106 Minuten

Regie: Cate Shortland

Ein 16-jähriges Mädchen reißt von Zuhause aus und hält mit seinen auch sexuellen Kapriolen die Bewohner eines australischen Wintersportortes in Atem. Auf der Suche nach Liebe und Glück lässt sich die junge Frau treiben, wird trotz Enttäuschungen aber nie das Opfer von Ausbeutung. Der brillant fotografierte Film über die vorurteilslose Suche nach einem Platz im Leben erzählt ohne moralischen Zeigefinger und wartet mit einer Reihe von faszinierenden Glücksmomenten auf. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SOMERSAULT
Produktionsland
Australien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Red Carpet Prod./AFFC/Showtime Australia/New South Wales Film & TV Office
Regie
Cate Shortland
Buch
Cate Shortland
Kamera
Robert Humphreys
Musik
Decoderring · Norman Parkhill
Schnitt
Scott Gray
Darsteller
Abbie Cornish (Heidi) · Sam Worthington (Joe) · Lynette Curran (Irene) · Erik Thomson (Richard) · Hollie Andrew (Bianca)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit acht im Film nicht verwendeten Szenen (9 Min.).

Verleih DVD
Paramount (16:9, 1.85:1, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Fünf Jahre lang hatte die australische Fernseh- und Kurzfilmregisseurin Cate Shortland bereits am Skript für ihren ersten langen Spielfilm getüftelt, als sie sich mit Produzent Anthony Anderson für ein Stoffentwicklungsprogramm bewarb. Die Mentoren von „Aurora Script Development“, darunter namhafte Filmemacher wie Jane Campion, Chris Noonan oder Shortlands Ausführende Produzentin Jan Chapman, hielten mit Kritik nicht zurück; gerade mal sechs Zeilen schafften es aus der ersten Fassung ins endgültige Drehbuch. Die Charaktere rückten ins Zentrum, der Plot wurde um sie herum neu geschrieben. Für jede Figur kreierte Shortland eine Backstory, von der aber nur wenig im fertigen Film auftaucht: Drehbuchschreiben als Kunst des Loslassenkönnens. Wo andere peinlich darauf bedacht sind, die Motivationen ihrer Figuren offen zu legen, bleibt Shortland im Hintergrund; gerade so, als würden ihre einmal zum Leben erweckten Protagonisten eine Eigendynamik entfalten und es jetzt nur noch darauf ankäme, sie heimlich zu beobachten. Ein 16-jähriges Mädchen, das auf dem Weg zur Frau das Leben ausprobiert, ist die Heldin von „Somersault“. „Purzelbaum“ heißt das übersetzt. Naiv und lebenslustig, unbedarft und unerschrocken schlägt die hübsche Heidi ihre oft sexuellen Kapriolen, meist ohne zu wissen, warum. Shortland verkneift sich die Analyse, überlässt das Bewerten anderen und nimmt „einfach“ an Heidis Leben teil. Wie schwierig das in Wirklichkeit ist, verdeutlichen unzählige Filme, die ihre Figuren zu Tode rechtfertigen, nur um zu kaschieren, dass sie nicht die Tiefe haben, um für sich selbst zu sprechen. Heidi dagegen ist ein derart kraftvoller und, bei allen inneren Widersprüchen, in sich stimmiger Charakter, dass die Regisseurin sie nicht ans Gängelband vorgegebener Interpretationen legen muss. Ohne die charismatische Darstellung von Abbie Cornish, die in Australien als zweite Nicole Kidman gehandelt wird, stünde Shortland freilich auf verlorenem Posten. Erst sie haucht dem Charakter (ihr) Leben ein. Heidi trägt den Film, ist Dreh- und Angelpunkt, und doch, oder besser gerade deshalb erfährt man kaum etwas über ihre Vergangenheit. Mag das Label „Coming-of-Age“, das den Beigeschmack grellbunter Teenie-Komödien mit sich herumschleppt, für diesen ruhigen, träumerisch-poetischen Film sonst auch unangebracht sein, in einem kennzeichnet es ihn zutreffend: von Anfang an ist er in Bewegung. Wie bei einer Short Story gerät man mitten hinein in den Fluss des Lebens. Ganz ohne Umschweife. Warum Heidi mit dem Freund ihrer Mutter herumknutscht, bleibt ungeklärt. Jeder mag für sich Heidis Verhalten deuten. Eines aber macht die Regisseurin deutlich: Heidi ist keine Verführte. Sie lässt sich mit dem Partner ihrer Mutter ein, weil sie das in dem Augenblick eben tun will. Gleich darauf, als Mama die beiden ertappt, bereut sie es schon wieder. Doch da ist es zu spät. Heidi ergreift die Flucht, reißt aus und kommt in einem Wintersportort in den australischen Bergen unter. Einsame Nächte verbringt sie mit Männern, die hinterher nichts mehr von ihr wissen wollen. Ausgebeutet braucht sie sich dennoch nicht zu fühlen, weil Sex für sie kein Opfer ist. Ganz selbstverständlich gehen auch Shortlands Bildregie und Robert Humphreys Kamera mit Heidis Promiskuität um, frei von moralischem Ballast und ohne voyeuristisches Spektakel. Der profane Sex bringt Heidi zwar ein ums andere Mal in Schwierigkeiten, aber er stürzt sie nichts ins Verderben. Genauso wenig freilich erfüllt er sie. Was Heidi sucht, lässt sich in viele Worte fassen: Vergebung, Liebe, Glück. Shortland findet ein viel schöneres Bild dafür: Heidi kauft sich ein Paar rote Wollhandschuhe, dann hüpft sie, einen Kinderreim klatschend, durch die kargschöne Winterlandschaft; Wort und Bild driften auseinander, Heidis Gesang wird zum Echo gedoppelt, und Heidi tanzt, wie von einem Glücksmoment in Watte gepackt, in eine Welt, in der sie Kind und Frau zugleich sein darf. Eine zauberhafte, geradezu magische Szene als Sahnehäubchen auf einem durch und durch liebevoll und sorgfältig gestalteten Film. Trübe, neonlichternde Farben und eine gewaltige, raue Gebirgslandschaft tauchen das Geschehen in eine melancholische Gestimmtheit zwischen Enttäuschungen und Hoffnungsschimmer. Regenbogenwetter ohne Regenbogen. Heidi treibt durch diese Welt und greift nach allem, das ihr Halt geben könnte. An einer Tankstelle jobbt sie als Aushilfe, freundet sich mit der Kollegin an; Motelbesitzerin Irene vermietet ihr die Wohnung ihres Sohnes, der wegen Mordes im Gefängnis sitzt, und schlüpft in eine Ersatzmutterrolle. Der eigenbrötlerische Joe verliebt sich in sie. Beinahe scheint es, als könne sie sich etwas aufbauen. Doch dann zerbricht alles wieder. Der bindungsängstliche Joe meldet sich nicht, und als er wieder auftaucht, erwischt er Heidi im Drogenrausch mit zwei fremden Männern. So schlägt Heidis Leben manchen Purzelbaum, doch am Ende landet sie weich. „Somersault“ ist ein eindrucksvolles Debüt: ein stiller Film, faszinierend schön, leicht dahinschwebend; rau, unsentimental und doch voll zärtlichen Trostes.
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