Open Range - Weites Land

Western | USA 2003 | 139 Minuten

Regie: Kevin Costner

Ein Viehtreiber und sein langjähriger Freund, die mit ihren Tieren in traditioneller Weise übers Land ziehen, liefern sich einen brutalen Kleinkrieg mit sesshaften Rangern, die auf ihre Eigentumsverhältnisse pochen. Atemberaubend fotografierter melancholischer Spätwestern mit Sympathie für seine konservativen Helden, die nostalgischen Tugenden huldigen und ihren Überlebensmut allein aus der Tatsache schöpfen, dass sie nichts mehr zu verlieren haben. Überzeugend inszeniert und gespielt, nutzt der Film das Genre, um über den Niedergang von Traditionen und Werten nachzudenken. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
OPEN RANGE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Touchstone/Tig/Cobalt Media Group/Open Range
Regie
Kevin Costner
Buch
Craig Storper
Kamera
James Muro
Musik
Michael Kamen
Schnitt
Michael J. Duthie · Miklos Wright
Darsteller
Robert Duvall (Boss Spearman) · Kevin Costner (Charley Waite) · Annette Bening (Sue Barlow) · Michael Gambon (Denton Baxter) · Michael Jeter (Percy)
Länge
139 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Western
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Während die Standard Edition keine erwähnenswerten Extras enthält, beinhaltet die umfangreiche Deluxe Edition u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs, eine sehr informative Dokumentation zum Film (65 Min.), ein Feature mit Storyboards sowie ein Feature mit 12 im Film nicht verwendeten Szenen (30 Min.). Die Deluxe Editon ist mit dem "Silberling 2004" ausgezeichnet worden.

Verleih DVD
Standard Edition: Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.); Doppel-DVD: Universum (16:9, 2.35:1, DD6.1 engl./dt., DTS 6.1 engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Der Western ist für das Kino das, was die attische Tragödie fürs Theater darstellt. Altmodisch und unmodern in seiner Erzählweise, stilistisch nur schwer mit dem dynamischen Schnitt-Stil der Gegenwart zu versöhnen, scheint das Genre aus einer anderen, sehr fernen Zeit zu stammen. Nachdem auch das Potenzial der „revisionistischen“ Western ausgereizt war, blieben in den letzten beiden Dekaden allenfalls nostalgische Reverenzen übrig, Erinnerungen an die Ursprünge des Kinos, an einen historischen Augenblick, in dem das Raum- und Humanitätsbild des Western mit der Welt jenseits der Leinwand übereinstimmte. Unter den gegenwärtigen Filmemachern ist Kevin Costner wohl derjenige, der sich am stärksten und erfolgreichsten um eine Wiederbelebung des Genres bemüht hat. Zunächst als Schauspieler („Silverado“, fd 25 417), vor allem aber in seinem Regiedebüt „Der mit dem Wolf tanzt“ (fd 28 748), wo Costner neben der Hauptrolle auch als Produzent fungierte, gelang es ihm, etwas vom utopischen Potential des Genres spürbar zu machen, von einer Freiheitserfahrung, die nicht rückwärtsgewandt, sondern ursprünglich und trotzdem nicht naiv ist. Was Costners Zugang zum Western interessant und originell macht, zeigt sich auch in seiner neuen Regiearbeit. Bereits in den ersten Einstellungen beginnt es mit einer fast meditativen Versenkung in die Landschaft, in diesem Fall die der dunkelgrünen Ausläufer der Rocky Mountains, die die Kamera in aller Ruhe bestreicht. Doch schon hier werden die Gewichte vorsichtig verlagert. Eine gewisse Enge ist dieser Natur eigen, was mehr spür- als sichtbar wird und der heutigen Naturerfahrung – die eroberte, begrenzte, zivilisierte Natur – viel eher entspricht als beispielsweise die grenzenlosen Räume in den Filmen von John Ford. Auch das Wetter spielt eine wichtige Rolle; dies ist kein Film, in dem dauernd die Sonne scheint, vielmehr regnet es oft in Strömen; selbst die Form, den Blick einzuschränken, dem Betrachter nicht das Vergnügen am Schweifen in schier endlosen Horizonten zu gönnen, ist bewusst gewählt, um andere Akzente zu setzen. Atmosphärisch weist Costner schon früh darauf hin, wovon die Geschichte handelt: dass die Freiheit nicht (mehr) grenzenlos ist, dass Modernisierung mit Beschränkung einhergeht und dass in der Moderne jede Gegenwart eine Vergangenheit in sich trägt, jedes Individuum Schuld und unerfüllte Wünsche.

Dass „Open Range“ trotzdem ein Western bleibt, liegt daran, dass die Regie die Raumerfahrung in Zeiterfahrung verwandelt. Das Spezifische des Western liegt für Costner in seinem Timing. Mögen die Horizonte der Landschaften auch geschlossen sein, so hat die Kamera, haben die Figuren doch scheinbar unbegrenzt Zeit. Ruhig und langsam führt der Film ins Geschehen und die Charaktere ein, stellt in Gesprächen und kurzen Szenen seine beiden merkwürdigen Helden und ihre Beziehung vor: den alternden Herdenbesitzer Boss und dessen langjährigen Freund und Angestellten Charley, der einst ein Scharfschütze im Bürgerkrieg war. Beide sind Cowboys, die in traditioneller Weise mit ihren Tieren übers Land ziehen, und so noch den Traum von der Frontier, vom Leben auf der Grenze zwischen wilder Natur und sozialer Ordnung träumen können. Dabei ist immer klar, dass die Freiheit im Sattel mindestens ebenso eine idealisierte Lebensform darstellt wie die Möglichkeit, sich den Reglementierungen der Gesellschaft zu entziehen. Der Film ist darin auch weniger romantisch- verklärend als „Der mit dem Wolf tanzt“, da er nicht verschweigt, dass das freie Leben dieser Cowboys nur möglich ist, weil sie die Natur ungehemmt ausbeuten können und irgendwo eine Stadt existiert, in der sich das Vieh schließlich verkaufen lässt.

Weil die Tiere bei ihrer Wanderung auch die Weiden anderer Farmer nicht ungeschoren lassen, sind Konflikte zwischen den nomadenhaften Viehtreibern und den kleinbürgerlichen Landbesitzern vorprogrammiert. Unterschwellig handelt der Film auch vom Aufeinanderprallen zweier Wirtschaftsweisen, von der Brutalität, die der Idee des Privateigentums innewohnt. Doch Costner deutet solche ökonomischen Hintergründe nur an; er verschenkt die politische Dimension seiner Geschichte, indem er beiden Hauptfiguren mit dem Grundbesitzer Baxter und dem korrupten Marshall Poole zwei allzu schurkische Charaktere gegenüberstellt, die es vor allem auf die Herde abgesehen haben und dabei auch vor Mord nicht zurückschrecken. Denn nur so, in der Konfrontation mit dem wirklich Bösen, können Boss und Charley doch noch zu nostalgischen Helden werden, zu Trägern konservativer Tugenden wie Mut, Tapferkeit und Schießkunst, die erst dann ein wenig zivilisiert und erlöst werden dürfen (durch Charleys Liebe zu einer Frau), nachdem das Böse brutal getilgt worden ist. Dass sie dabei nicht völlig ungebrochen sind, weiß der Zuschauer aus ihren Gesprächen untereinander, die spannender und dramatischer sind als der blutige, ganz unverklärte Showdown am Ende. Ihr latenter Konflikt handelt davon, wann man Gewalt gebrauchen darf. Während Boss moralische Skrupel hat, setzt sich Charley mit einem technischeren Gewaltverständnis durch: Dem Konflikt mit dem Bösen sei nicht auszuweichen, wer Gewalt sät, wird sie ernten – was leichter gesagt als getan ist, da Charley im Unterschied zu vielen Western kein Underdog ist, dessen überlegene Schießkunst sich moralisch unterfüttern ließe. Beide repräsentieren eher alte Verhaltensweisen als alte Werte. In ihrer Lakonie, ihrem Ernst und einer gewissen Hilflosigkeit stehen sie für ein archaisches Welt- und Männerbild, worin sie – im Gegensatz zur übermütigen, welterobernden Fröhlichkeit des neuzeitlichen Helden – den Heroen der Antike (und den Samurai Kurosawas) am ähnlichsten sind: ein aus Schmerz, Melancholie und Weltverlust geborenes tragisches Heldentum, das seinen Mut allein aus der Erfahrung schöpft, dass es nichts mehr zu verlieren hat.

Kommentar verfassen

Kommentieren