Drama | Israel 2002 | 87 Minuten

Regie: Nir Bergman

Nach dem unerwarteten Tod des Vaters droht eine israelische Familie auseinanderzufallen, da jedes Familienmitglied das Vakuum aus Trauer und Wut aus eigener Kraft zu füllen versucht. Erst als ihnen die Erkenntnis dämmert, in der Trauerarbeit aufeinander angewiesen zu sein, wachsen neue Hoffnung und Lebensmut. Das sensibel und dicht inszenierte Drama besitzt trotz des ernsten Themas durchaus humorvolle Momente. Die universelle Geschichte spiegelt über den Rahmen des Privaten hinaus eine verbreitete Stimmung innerhalb der israelischen Gesellschaft. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KNAFAJIM SHVUROT
Produktionsland
Israel
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Israel Film Fund/Norma/Yes-DBD Satellite Services
Regie
Nir Bergman
Buch
Nir Bergman
Kamera
Valentin Belonogow
Musik
Avi Belleli
Schnitt
Einat Glaser-Zarhin
Darsteller
Orly Silbersatz Banay (Dafna Ulman) · Maya Maron (Maya Ulman) · Nitai Gaviratz (Yair Ulman) · Vladimir Friedman (Dr. Valentin Goldman) · Dana Ivgi (Iris)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Ein schmächtiges Mädchen singt in einer Schülerband in Haifa. Sein bleiches schmales Gesicht ist angestrengt, es verschwindet fast in seiner viel zu großen Lederjacke. Vergeblich versucht es, über die Musik seinem Schmerz eine Stimme zu verleihen und seine deprimierende familiäre Situation zu vergessen. „Broken Wings“ von Nir Bergman war in Israel einer der erfolgreichsten Kinofilme des Jahres 2002, weil er einen persönlichen Schmerz exemplarisch für die gesellschaftliche Grundstimmung zeigte. Im Zentrum des Familiendramas steht die 17-jähige Maya kurz nach dem unerwarteten Tod des Vaters, der bei einem Familienausflug nach dem Stich einer Biene an einer allergischen Reaktion starb. Ein plötzlicher Tod, auf den sich die Familie nicht vorbereiten konnte, ein Tod ohne die Möglichkeit, ihn posthum durch politische oder religiöse Beweggründe zu erklären oder den Vater nachträglich zum Märtyrer zu machen. Der Film setzt unmittelbar nach dem Tod des Vaters in dem Moment ein, als die Familie in Trauer und Sprachlosigkeit erstarrt. In den hilflosen Versuchen, mit der finanziellen und emotionalen Misere zurechtzukommen, entfremden sich die Mutter und ihre vier Kinder zunehmend. Maya spürt Wut und Verzweiflung, weil sie sich schuldig am Tod des Vaters fühlt und weil sie nun die Ersatzmutter für ihre jüngeren Geschwister sein muss, während ihre Mutter versucht, mit vielen Überstunden im Krankenhaus ausreichend Geld für den Lebensunterhalt herbei zu schaffen. Damit ist die 17-Jährige völlig überfordert; die jüngeren Geschwister fühlen sich vernachlässigt, flüchten sich in absurde Aktionen wie den Sprung in ein leeres Schwimmbecken. Auch Mayas älterer Bruder Yair will sein gewohntes Leben nicht mehr weiterführen; statt in die Schule zu gehen, verteilt er – als Plüschtier verkleidet – lieber Flugblätter.

In diesem Vakuum aus Trauer und Wut versucht jedes Familienmitglied, aus eigener Kraft der Halt- und Hilflosigkeit zu entkommen, den eigenen Weg zu einem individuellen Glück zu finden, um aus der Depression herauszufinden: Maya mit ihrem Traum von einem musikalischen Durchbruch, Yair in einer Liebesbeziehung, Dafne im Traum von neuer Freiheit und neuen Träumen. „Broken Wings“ erzählt sensibel von all diesen Facetten der Trauer und einer Traurigkeit, die alles zum erliegen bringt. Dabei entwickelt der Film aber auch Momente einer brillant inszenierten Situationskomik, komische Momente zwischen Angst und Zusammenhalt. Auf einem langen Weg der Auseinandersetzungen, der Trauerarbeit und der Erkenntnis, aufeinander angewiesen zu sein, findet die Familie langsam wieder zusammen und entwickelt neue Hoffnung und Lebensmut. Dabei kommt besonders die wunderbare Leistung der Schauspieler zum Tragen, in der komplizierten Beziehung von Maya und ihrer Mutter, aber auch im Streit und der Anspannung unter den Geschwistern und ihren Versuchen, individuell oder gemeinsam die Situation zu bewältigen.

So ist „Broken Wings“ ein dicht inszeniertes Drama mit humorvollen Momenten, ein Film, bei dem am Ende die Entscheidung für das Leben steht und der Glaube an die Selbstheilungskräfte der Familie. Eine Geschichte, die über das Private hinaus eine verbreitete Stimmung in Israel widerspiegelt; vielleicht auch die einer ganzen Generation jenseits der heroischen Heldenfiguren und jenseits der Schablonen allzu schneller politischer Interpretation. Aber auch ein Film über die Leidtragenden, Kinder und Jugendliche, die durch Trauer, Schmerz und frühe Verantwortung zu schnell erwachsen geworden sind. Bei allem ist „Broken Wings“ exemplarisch für die israelische Gesellschaft, für die kollektive psychologische Grundstimmung: der Angst vor Anschlägen, vor dem Verlust geliebter Menschen, vor dem eigenen Tod. Exemplarisch für die israelische Gesellschaft, aber durchaus universell und allgemeinverständlich.

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