Tinke, das Wolfsmädchen, ist so, wie viele Kinder gerne wären: stark, wild, lieb, frech und selbstbewusst. Sie geht ihren eigenen Weg und lässt sich von den Erwachsenen nicht einschüchtern. Wundersam leicht gelingt ihr das, und man fühlt, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Tinke ist anfangs roh und unzivilisiert, faucht wütend wie ein Tier. Aber gerade darin verbirgt sich ihre Botschaft: sie ist natürlich, herzensgut, vorbehaltlos. Ihr gewinnendes Wesen, dem es gelingt, das Gute in ihren Mitmenschen zu wecken, ihr Anderssein, das dem Bösen erfolgreich die Stirn bietet, sind die Wunder des Films, der (nicht nur optisch) nah an den Kindern bleibt, in ihre Perspektiven schlüpft. Eine aus groben Klischees und einer dick unterstrichenen Moral gezimmerte, naiv-schöne Parabel über Selbstvertrauen, Zivilcourage und Toleranz, angesiedelt im Jahr 1850.
- Ab 8.
Tinke - Kleines starkes Mädchen
Jugendfilm | Dänemark 2002 | 88 Minuten
Regie: Morten Køhlert
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Filmdaten
- Originaltitel
- ULVEPIGEN TINKE
- Produktionsland
- Dänemark
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- ASA Film/Film People/DR TV/Film In Skane/Auto Images/MTV
- Regie
- Morten Køhlert
- Buch
- Morten Køhlert
- Kamera
- Bo Tengberg
- Musik
- Fläskkvartetten · Søren Hyldgaard
- Schnitt
- Janus Billeskov Jansen · Anne Østerud
- Darsteller
- Sarah Juel Werner (Tinke) · Peter Jeppe Hansen (Larus) · Lisbet Dahl (Bäuerin) · Erik Wedersøe (Bauer) · Birthe Neumann (Elisabeth)
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 8.
- Genre
- Jugendfilm | Kinderfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Es ist dunkel. Die Nacht lässt nur schemenhaft den Wald erkennen und einen Verschlag aus Holz, in dem etwas kauert. Zwei Augen fängt die Kamera ein. Kinderaugen. Draußen hat ein Wolf die Fährte aufgenommen. Er pirscht durchs Unterholz. Dann: ein Sprung, ein Kampf, ein Biss. Wieder das verschmutzte Gesicht in Groß. Der Wolf trottet davon, blutend, besiegt von einem kleinen, aber ganz besonderen Kind. Ein starkes, wildes Mädchen, wie Astrid Lindgren es hätte erfinden können: lieb, frech und selbstbewusst, ein wenig Ronja Räubertochter, ein bisschen Pipi Langstrumpf. Eine Figur aus Cecil Bødkers „Das Hungerkind“ wird vom dänischen Regisseur Morten Køhlert in „Tinke - Kleines starkes Mädchen“ zum Leben erweckt, ohne dass sie das Reich der Fantasie dazu verlassen müsste. Es geht düster zu in den ersten Einstellungen und bedrohlich, aber mit der Wirklichkeit hat das so wenig zu tun wie ein Märchen, oder aber: auch so viel. Denn Tinke, in deren Rolle Sarah Juel Werner spielerisch aufgeht, ist kein Mädchen, von dem man glaubt, dass es wirklich lebt oder vor 150 Jahren, in jener Zeit, in der Køhlerts Film spielt, gelebt haben könnte. Aber sie ist ein Mädchen, das so ist, wie viele Kinder gerne wären. Sie geht ihren eigenen Weg und lässt sich von den Erwachsenen nicht einschüchtern. Wundersam leicht gelingt ihr das, und man fühlt bald, dass es hier für jedes Problem eine Lösung gibt. Tinke, das Wolfsmädchen, ist anfangs ein bisschen wie Kaspar Hauser, ein Fremdling, roh und unzivilisiert, der wütend faucht wie ein Tier. Aber gerade darin verbirgt sich ihre Botschaft: sie ist natürlich, herzensgut, vorbehaltlos. Nachdem sie den Wolf verjagt hat, trifft sie im strömenden Regen auf Larus, einen armen Hirtenjungen, blond und mutig wie Michel aus Lönneberga, nur ernster, reifer. Larus gibt Tinke zu essen, bringt sie zum Lachen. Die Sonne kommt heraus und taucht die idyllisch fotografierte grüne Landschaft in klares, nördliches Licht. Die emphatische Kamera fährt nahe heran an die Gesichter der beiden, besiegelt ihre Freundschaft. Larus gewinnt Tinkes Vertrauen, entlockt ihr ein Geheimnis. Ihre Eltern, mit denen sie in einer Hütte im Wald lebte, sind beide tot. Kurz nach dem Vater starb die Mutter. Tinke führt Larus zu sich nach Hause. Gemeinsam begraben sie ihre Mutter. Larus schmuggelt Tinke in den Stall des Hofes, auf dem er Knecht ist. Das geht nicht lange gut. Die Bäuerin findet Tinke, aber schickt sie nicht weg. Sie möchte eine Tochter aus ihr machen. Mit Larus, dem Knecht, darf sie nicht mehr spielen, und auch von Hartad, dem zurückgebliebenen, aber riesenhaften Sohn der Bäuerin, der wie eine Frankenstein-Kreatur im Stall eingesperrt haust, soll sie sich fernhalten. Die Bäuerin möchte etwas Besseres aus ihr machen. Tinke aber lässt sich nicht verbiegen. Und verbieten lässt sie sich schon gar nichts. Sie freundet sich mit Hartad an, der durch sie das erste Mal menschliche Wärme und Zuneigung erfährt, und lässt sich auch von Larus nicht trennen. Schnell hat der strenge, boshafte Bauer genug und möchte das eigensinnige Mädchen wieder loswerden. Auch Tinke will weg. Ihre Mutter war einst von ihrem herrschaftlichen Zuhause davongelaufen, um mit Tinkes armem, nicht standesgemäßem Vater heimlich im Wald zu leben. Jetzt sucht Tinke ihre Großeltern, weil das der letzte Wunsch ihrer Mutter war. Doch als sie endlich bei ihnen ankommt, zweifelt der Großvater an ihrer Identität, und das Amulett, das ihre Mutter ihr auf dem Sterbebett in die Hand gedrückt hat und Tinkes Herkunft beweisen könnte, geht verloren. Am Ende freilich wird alles gut. Übernatürliches braucht es nicht dazu. Tinkes Offenheit, ihr gewinnendes Wesen, dem es gelingt, das Gute in ihren Mitmenschen zu wecken, ihr rotziges, trotziges Anderssein, das dem Bösen erfolgreich die Stirn bietet, sind die wahren Wunder des Films. Eines Filmes, der (nicht nur optisch) nah an den Kindern bleibt, in ihre Perspektiven schlüpft. Eine aus groben Klischees und einer dick unterstrichenen Moral gezimmerte, naiv-schöne Parabel über Selbstvertrauen, Zivilcourage und Toleranz. Ein Kinderfilm, durchaus auch für Erwachsene.
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