Vom Westen unberührt
Drama | Frankreich 2002 | 104 Minuten
Regie: Raymond Depardon
Filmdaten
- Originaltitel
- UN HOMME SANS L'OCCIDENT
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Canal +/CNC/Palmeraie et Désert
- Regie
- Raymond Depardon
- Buch
- Raymond Depardon · Louis Gardel
- Kamera
- Raymond Depardon
- Musik
- Valentin Silvestrov
- Schnitt
- Roger Ikhlef
- Darsteller
- Ali Hamit (Alifa) · Brahim Jiddi (Alifa als Kind) · Wodji Ouardougou (Alifa als alter Mann) · Hassan Yoskoi (Alifas Vater)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Ausgangspunkt ist der Roman des französischen Offiziers Diego Brosset („Sahara, un homme sans l’occident“), der von den Menschen auf den Reit-Dromedaren der Wüste zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt. Einer von ihnen ist Alifa der als Jäger allein die Sanddünen der Sahara durchstreift. Eigentlich ist der junge Mann Sohn von Nomaden. Als Kind gelang es ihm, zusammen mit seinem Vater und seinem Onkel einer Gruppe von Räubern zu entkommen, aber nur Alifa überlebte die Flucht durch die Wüste. Ein Stamm von Jägern nahm ihn bei sich auf. So wurde er Jäger und später Führer für Wüsten- Unkundige. Er ist etwa 20, als die Männer aus dem Westen, die Franzosen, kommen und den Stamm unterjochen. Aber Alifa weigert sich, sich den weißen Eindringlingen unterzuordnen; er kann entkommen und allein durch die Wüste ziehen. Dabei rettet er den Sohn eines anderen Stammeshäuptlings und bekommt zum Lohn seine Tochter zur Frau. Aber Alifa ist auch dabei nicht glücklich und bietet sich schon nach wenigen Tagen an, als ein Mann einen Führer durch die Wüste sucht.
Die Aussage, die dahinter steht, ist einfach: Wer als Nomade geboren ist, wird es nie schaffen, auf Dauer sesshaft zu werden, denn Nomaden sind Menschen ohne Familie und ohne Wurzeln, die nichts so sehr lieben wie ihre Freiheit und eine Landschaft, die sie immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Es mag sein, dass dies auch Depardons Wunschvorstellungen sind, denn selten hat er so viele autobiografische Elemente in einem Film gepackt. Gedreht als schwarzweißer Stummfilm – und erst später vertont mit der Erzähler- Stimme aus dem Off und einigen nicht untertitelten Dialogen der Stammesmitglieder –, wirkt sein Film über weite Strecken wie eine Fotoreportage mit betörend schönen Bildern: Zwei Erwachsene und ein Kind kämpfen sich durch den Sand, ein junger Mann sitzt selbstzufrieden auf einer Anhöhe und schaut glücklich hinaus in die weite Landschaft, ein Mann trägt sein Gewehr auf beiden Schultern langsam durch die Wüste, eine Karawane rastet vor einer in bizarren Formen aufragenden Bergkette, während der Wüstenwind über die Ebene fegt. Jede Szene wirkt wie eine in Licht und Formen einfühlsam konstuierte Momentaufnahmen, selbst die wenigen Actionszenen und die Szenen, in denen man Menschen beim Sterben zusieht. Die Umrisse der Dünen, die Schatten von Mann und Reittier – alles ist von erlesener zeitloser Schönheit, was durch das Schwarz-weiß noch stärker hervortritt und stellenweise einen märchenhaften, freilich nie romantischen oder exotischen Charakter bekommt. Aber man weiß nicht, was Depardon wichtiger war: der Kinofilm, der Bildband oder die Foto-Ausstellung, die er aus demselben Material zusammenstellte. Denn die einfache Geschichte von Alifa ist nicht so wichtig wie die Bilder und wirkt wie ein Alibi, sich noch einmal von dieser fremden Wüstenwelt einfangen zu lassen und über den Sinn und die Bestimmung im Leben nachzudenken – oder wie der heute 61-Jährige es in der berühmten „Libération“-Umfrage (1987) auf den Punkt brachte: „Ich filme, um glücklich zu sein. Um dem Schmerz zu entfliehen, um zu träumen, zu reisen. Um einen Vorwand zu haben, an einen geliebten Ort zurückzukommen mit den Menschen, die man mag.“ Wer sich auf diese Reise einlässt, dem kann Depardons philosophisch angehauchter poetischer Film viele Anregungen geben, den anderen bleiben die betörend schönen Bilder.