Science Fiction (2002)

Science-Fiction | Belgien/Deutschland/Niederlande 2002 | 90 Minuten

Regie: Dany Deprez

Der zehnjährige Sohn eines in ihren Forschungen aufgehenden Wissenschaftler-Ehepaars fühlt sich ungeliebt und lässt sich von einer burschikos-selbstbewussten Gleichaltrigen den Floh ins Ohr setzen, seine Eltern seien Außerirdische. Gemeinsam mit zwei Klassenkameraden macht man sich an die Beweisaufnahme, an deren Ende eine überraschende Lösung steht. Intelligent geschriebener, packend inszenierter und überzeugend gespielter Science-Fiction-Film für die ganze Familie, der über die spannende Geschichte nie die Sehnsucht der kindlichen Hauptfigur nach elterlicher Liebe und Zuneigung aus den Augen verliert. Dabei schafft er Identifikationsmöglichkeiten für das Zielpublikum und überzeugt mit Fantasie und inszenatorischer Sorgfalt. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
SCIENCE FICTION
Produktionsland
Belgien/Deutschland/Niederlande
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
A Private View/Man's Film/B&T/Fu Works
Regie
Dany Deprez
Buch
Jean-Claude Van Rijckeghem · Chris Craps
Kamera
Walther van den Ende
Musik
Loek Dikker
Schnitt
Michèle Hubinon
Darsteller
David Geclowicz (Andreas) · Fran Michiels (Vero) · Koen De Bouw (Andreas' Vater) · Wendy van Dijk (Andreas' Mutter) · Liesbeth Kamerling (Ellen)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Science-Fiction | Kinderfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Schon in seinem Spielfilmdebüt „Der Ball“ (fd 33 865) hatte der flämische Regisseur Dany Deprez fantastische Momente in seine realistische Alltagsgeschichte eingearbeitet. Diesmal verlagert er die Balance in Richtung der Science- Fiction-Elemente und bewegt sich damit hin zum Familienfilm, ohne sich durch eine effektheischende Inszenierung den so genannten Marktgesetzen anzubiedern. Wie in „Der Ball“ ist ein selbstbewusstes Mädchen die treibende Kraft, obwohl ein gleichaltriger Junge im Mittelpunkt der Handlung steht. So spuckt die zehnjährige Vero ihrem neuen Klassenkameraden Andreas erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes in die Suppe, um ihm zu zeigen, wer das Sagen hat. Denn irgendwie scheint der auf fünf Kontinenten großgewordene und mehrere Sprachen beherrschende Junge nicht so richtig in ihren idyllischen Ort zu passen. Erst recht nicht seine Eltern Rick und Rachel, die Tag und Nacht in ihrem futuristischen Glas-Pavillon und im Gewächshaus arbeiten und ständig Sonnenbrillen tragen.

Also setzt Vero, die sich die Zeit mit alten Science-Fiction-Filmen vertreibt, Andreas den Floh ins Ohr, seine Eltern seien Außerirdische. Gemeinsam mit ihren Klassenkameraden Kasper und Wietse begeben sie sich auf Spurensuche. Als das Mädchen im Computer von Andreas’ Eltern den Firmennamen ihrer Arbeitgeber entdeckt, fügt sich Eines zum Anderen: „Linea“ ist offensichtlich ein Anagram von „Alien“. Eine Belauschaktion mit dem Babyphone fördert weiteres Beweismaterial zu Tage, und Andreas beginnt an der Identität seiner Eltern und auch der eigenen zu zweifeln. Da der einzige Mensch, dem er vertraut, sein ehemaliges Kindermädchen Ellen, mittlerweile in ihre deutsche Heimat zurückgekehrt ist, macht sich das Quartett auf den Weg. Doch Ellen scheint mit Vater und Mutter unter einer Decke zu stecken, stehen die doch gemeinsam mit den Eltern der anderen Kinder am nächsten Tag vor der Tür, um die Sprösslinge abzuholen. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Vater Rick hat eine wegweisende Entdeckung zum Nutzen der Menschheit gemacht und gibt ständig Interviews im Fernsehen, und plötzlich steht ein neuer Umzug vor der Tür. Aber Vero hat immer noch Zweifel und entführt Andreas kurz dem Abflug aus der „Gewalt“ seiner Eltern; diese stöbern die Kinder in einer Flughafen- Toilette auf und geben mit ihrem „Geständnis“ allem eine überraschende Wendung.

Es ist immer wieder erstaunlich, was man aus einem relativ kleinen Budget machen kann, wenn man mit Fantasie zu Werke geht und an die Produktion eines Kinderfilms die gleichen Maßstäbe anlegt wie an einen Film für Erwachsene. Schon über das postmoderne Szenenbild und die Kostüme vermitteln Bart van Loo und Eva Boos „großes“ Science- Fiction-Kino. Die wie ihre geheimnisvoll wirkenden Arbeitgeber schwarz gekleideten und mit Sonnenbrillen bestückten Eltern wirken wie zwischen „Fahrenheit 451“ und „Matrix“ angesiedelte Boten aus einer anderen Welt, deren ans Grundstück anschließender Hügel ähnlich wie das Happy End Erinnerungen an Spielbergs „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (fd 20 719) wecken. Zudem webt Loek Dikker einige zaghafte „E.T.“-Takte in seinen die Bilder nie überlagernden Soundtrack ein. Die exzellente Kameraarbeit von Walther van den Enden setzt mit „kalten“ Farben des Elternhauses nicht nur einen sinnfälligen Kontrast zur warmen (Farb-)Atmosphäre zu Veros Wohnwagen-Refugium, sondern unterstützt durch außergewöhnliche Blickwinkel und Lichteffekte die Spannung der Geschichte. Das Drehbuch ist von der gleichen Stringenz beseelt, verliert sich nie in Geschwätzigkeit und stellt seine (pädagogischen) Fragen eher zwischen den Zeilen. Warum fühlt sich Andreas von seinen Eltern so wenig ernstgenommen? Ist es die fehlende Zuneigung, die ihn noch immer ins Bett machen lässt? Warum glaubt er Vero mehr als seiner Mutter? Die Antworten setzen sich im Kopf des Zuschauers zusammen, der sich besonders durch das ungekünstelte Spiel der kleinen Darsteller schnell mit den Figuren identifiziert. Auch die Rollen der Erwachsenen sind prägnant besetzt und werden von Deprez straff geführt, dessen Inszenierung geschickt die Topoi des Science- Fiction-Genres mit denen des Familienfilms mischt, ohne seine junge Zielgruppe aus den Augen zu verlieren. Exakt findet er die richtige Balance zwischen ihren Sehgewohnheiten und ihren altersgerechten Bedürfnissen und Interessen. Diese immer wieder mit augenzwinkerndem Humor unterfütterte Ernsthaftigkeit macht „Science Fiction“ nicht nur zu einem spannenden Kinoabenteuer, sondern schon jetzt zu einem Klassiker des Kinderfilms.

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