Letzter Teil der Trilogie (nach "Koyaanisqatsi - Prophezeiung" und "Powaqqatsi"), der sich mit einer aus den Fugen geratenen Welt befasst und in deren Zentrum der Krieg als Alltag und die zivilisierte Gewalt steht. Mit computermanipuliertem Filmmaterial aus allen Bereichen des täglichen Lebens wird ein Bildersturm entfacht, der die bildfixierte Medienrealität anprangern möchte, sie jedoch nur um einige Sensationen bereichert. Durch undifferenzierte Gleichsetzung und ohne überzeugende Definition, schlägt die beabsichtigte Aufklärung ins Gegenteil um und bleibt trotz des immensen technischen Aufwands substanzlos.
- Ab 16.
Naqoyqatsi
- | USA 2002 | 89 Minuten
Regie: Godfrey Reggio
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Filmdaten
- Originaltitel
- NAQOYQATSI
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Qatsi Productions/Miramax
- Regie
- Godfrey Reggio
- Buch
- Godfrey Reggio
- Kamera
- Russell Lee Fine
- Musik
- Philip Glass
- Schnitt
- Jon Kane
- Länge
- 89 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Ein Bild, wird gern erzählt, sage mehr als tausend Worte. Doch was erzählen Tausende von Bildern, nachbearbeitet am Rechner, digital manipuliert, montiert zu einer Kaskade von Images, entlang einer minimalistisch mäandernden Musik, die um die solistischen Glanzstücke des bekannten Cellisten Yo-Yo Ma erweitert wird? Richtig, man befindet sich mitten in „Naqoyqatsi“, dem Schlussstück von Godfrey Reggios einst gefeierter „qatsi“-Trilogie, die noch einmal suggestiv eine wohlfeile, gleichwohl fundamental kulturkritische These zu bebildern trachtet. 20 Jahre nach dem legendär-innovativen Montage-Wunder „Koyaanisqatsi“ (fd 24 271) und 15 Jahre nach dem bereits weit weniger überzeugenden „Powaqqatsi“ (fd 26 879) versucht „Naqoyqatsi“, den Anschluss an die aktuelle, globalisierte Medienrealität zu halten. „Naqoyqatsi“, so klärt sich allerdings erst im Abspann des Films, ist ein Wort der Hopi-Sprache und bedeutet sinngemäß: ein Leben des gegenseitigen Tötens bzw. Krieg als Alltag bzw. zivilisierte Gewalt. Reggio präsentiert seinen neuesten Film als eine weitere provokativ polarisierende Intervention in Sachen condition humana, die sich im Zeichen der umfassenden Gewaltbereitschaft zeigt. Auf der Grundlage von Found Footage aus den Medien präsentiert „Naqoyqatsi“ digital auf vielfältige Weise manipulierte Bilder aus Kunst und Unterhaltung, Sport und Politik, Wissenschaft und Technik sowie aus der Werbung. Was im Prolog als Choreografie von einer im imaginären Raum flottierenden Abfolge von Nullen und Einsen beginnt, endet in einer stakkatohaften Reihung von Porträts, die assoziativ zwischen Hitler, Lady Di, den Beatles, Albert Einstein, Osama Bin Laden, Elton John und Martin Luther King irrlichtern.
Intendiert ist wohl eine forcierte Kritik an einer technologisch vernetzten Welt, die mittels gewaltsamer Images digital kommuniziert, entlang dem Interface von Mensch und Maschine, von Bedeutung und Marketing. Reggio entwirft ein parteiliches Szenario von alltäglicher und omnipräsenter Gewalt, die auf technisch höchstem Niveau den Verzicht auf Technologie als Freiheit predigt. Die Medienrealität, so wird postuliert, hat längst eine Komplexität erreicht, die keine begriffliche Analyse mehr gestattet, weshalb der Film denn auch ohne Worte auszukommen glaubt. Andererseits scheint Reggio endgültig der Faszination dessen, was er vehement zu kritisieren vorgibt, erlegen zu sein. Anders ist der hochmanipulative Bildersturm, den er inszeniert, kaum zu verstehen. Die wenigen Kontrapunkte, die er – vielleicht als utopische Momente – integriert, präsentieren längst ihrerseits multipel verwertete Pop-Ikonen wie die Beatles oder eben, wie erwähnt, bestens eingeführte Bürgerrechtler oder gar die naive Unschuldsvermutung eines Kinderlächelns. So produziert der vehemente Ikonoklast Reggio Bilder, die letztlich nur zirkulär die bildfixierte Medienrealität um einige Sensationen bereichern. Wenn der Film Bilder von Hochleistungssport und gewalttätigen Auseinandersetzungen gleichsetzt, wird deutlich, dass der hier angesetzte Gewalt-Begriff ärgerlich undifferenziert ist und kaum einer ernsthaften Aufklärung dienlich sein dürfte. Hier schlägt Aufklärung in ihr Gegenteil um, denn die Sprecherposition Reggios ist gleichermaßen elitär und reaktionär. Die Zivilisationskritik von „Naqoyqatsi“ wirkt jedenfalls recht angestaubt und angesichts des erstaunlichen Aufwandes auch bemerkenswert substanzlos. Im Abspann liest man, dass sich das Team einen „Feng Shui“-Berater geleistet hat. Irgendwie stimmig, die Lage ist ernst, machen wir es uns erst einmal bequem.
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