Früchte der Liebe (2001)

Liebesfilm | Spanien/Deutschland 2001 | 112 Minuten

Regie: Ventura Pons

Die Begegnung mit einem virtuosen Konzertpianisten bewirkt das homosexuelle Coming Out eines talentierten Klavier-Eleven. Die ungleiche, wenig tragfähige Beziehung zieht sich über einige Zeit und Anläufe hin und erregt das Aufsehen der Mutter des jungen Mannes, die glaubt, eingreifen zu müssen. Zwar im Homosexuellen-Milieu angesiedelt, erzählt der Film eine universelle Geschichte über die Suche nach Geborgenheit und die Vielfalt des Lebens, bei der es nicht um Betrüger und Betrogene, sondern um individuelle Glücksvorstellungen geht. Dabei nimmt der beeindruckende Autorenfilm die Personen ernst und ordnet die Inszenierung der Darlegung ihrer Innenwelten unter. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
FOOD OF LOVE | MANJAR DE AMOR
Produktionsland
Spanien/Deutschland
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Els Films de la rambla/42nd Street/FFP Entertainment
Regie
Ventura Pons
Buch
Ventura Pons
Kamera
Mario Montero
Musik
Carles Cases
Schnitt
Pere Abadal
Darsteller
Juliet Stevenson (Pamela) · Paul Rhys (Richard Kennington) · Allan Corduner (Joseph Mansourian) · Kevin Bishop (Paul) · Geraldine McEwan (Novotna)
Länge
112 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Liebesfilm

Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (FF; DD2.0 span.)
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Diskussion
Der Konzertsaal in San Francisco ist gut gefüllt. Paul, ein junger, ehrgeiziger Klavierschüler, hat sich lange vorbereitet und für seinen großen Auftritt den besten Anzug ausgewählt. Schon steht er am Klavier, die Finger fliegen virtuos über die Tasten, und für einen Moment scheint es, als blicke er in eine glorreiche musikalische Zukunft. Doch noch sind es nicht seine Hände, die von der Welt bejubelt werden. Vielmehr steht er unsicher und nervös neben seinem großen Idol, dem berühmten englischen Konzertpianisten Richard Kennington, das erste Mal auf der Bühne, um für ihn die Notenblätter umzuwenden. Kennington schneidet wilde Grimassen, und so sehr sich Paul bemüht: den richtigen Zeitpunkt scheint er immer zu verpassen. Hinterher aber gibt sich der Meister zufrieden und lädt den hübschen Jungen in unmissverständlicher Absicht zum Kaffee ein. Das Stelldichein scheitert zunächst daran, dass Paul von seiner Mutter Pamela abgeholt wird. Einige Zeit später treffen alle drei in Barcelona wieder aufeinander. Paul entdeckt auf einem Plakat, dass Kennington in der Stadt ist, und macht ihn ausfindig. Zwischen beiden entspinnt sich eine intensive erotische Affäre, doch jenseits ihrer körperlichen Verbindung kommen sich Schüler und Maestro kaum näher. Zu unterschiedlich sind ihre Lebenssituationen, zu wenig interessieren sie sich für die des anderen. Schließlich beendet Kennington die Liebelei, indem er zu seinem Manager und Lebenspartner nach England zurück reist. Ein halbes Jahr später scheinen sich ihre Pfade in New York noch einmal zu kreuzen. Paul ist inzwischen in der schwulen Szene etabliert, den musikalischen Durchbruch aber hat er nicht geschafft. Durch Zufall erfährt Pamela von Pauls Homosexualität und der Beziehung zu Kennigton, von der sie glaubt, dass sie noch immer andauert. Aufgebracht fährt sie nach New York und beginnt ihre Suche nach Paul ausgerechnet in Kenningtons Appartment. „Kino“, hat Regisseur Ventura Pons gesagt, „ist eine Form der Flucht und bevorzugt eine Welt der Gewinner und der Träume.“ Ihn selbst aber interessiere mehr „die Welt der Verlierer“. In seinem englischsprachigen Debüt, der Verfilmung von David Leavitts „Nachtmusik mit einem Fremden“, bewegt sich der katalanische Regisseur entgegen seiner Aussage geschickt zwischen den Welten. Seine Helden sind weder Gewinner noch Verlierer, gehorchen weder den Regeln der glitzernden Hollywood-Fassaden noch dem staubigen Neonlicht urbaner Verfallsgesellschaften. Zweifelsohne sind die Protagonisten überdurchschnittlich wohlhabend; ihre soziale Herkunft bildet aber nur den märchenhaften Hintergrund der unterhaltsamen, nicht unbedingt realistischen, aber wahrhaften Erzählung. Kennington ist zwar ein Star, aber die dazugehörigen Attitüden spielen bestenfalls am Rande eine Rolle; im Vordergrund steht die Vielfältigkeit zwischenmenschlichen Lebens. Betrüger und Betrogene sind nicht in Gut und Böse auseinander zu dividieren, jeder kämpft um Halt und Unterstützung und projiziert seine Wünsche auf andere. Es ist immer ein Wollen, das den Anderen interessant macht, egal, ob es die Karriere, der Name oder der junge Körper ist, der ihm Reiz verleiht. Im Spiegelkabinett der Verliebtheiten formt jeder den Anderen zum Objekt seiner Begierden. Anlass für Zynismus gibt dies Pons jedoch nicht; vielmehr greift er die Schwächen der Charaktere verständnis- und liebevoll auf und entfaltet mit ironischer Leichtigkeit die schlichte Sehnsucht nach Geborgenheit, Glück und Liebe. Dadurch nimmt er die Figuren trotz einiger satirisch-karikierender Überzeichungen durchweg ernst, und es ist kein Zufall, dass Pamela, die anfangs wie eine schrullige Übermutter-Parodie daherkommt, im Verlauf des Films als besonders weitsichtige Persönlichkeit erkennbar wird. Wie nebenbei gelingt es Pons in diesem stillen, unaufgeregten Erzählfilm, Vorurteile zu überwinden und aufzuzeigen, dass der flüchtige Blick auf seine Oberfläche keinem Menschen gerecht wird. Mise-en-scène und Montage stellen sich ganz in den Dienst der Geschichte und vermögen gerade dadurch zu überzeugen. Auch wenn man sich manchmal etwas mehr Einblick in die Innenwelten der Hauptfiguren wünscht, machen Buch und Darsteller die Vielschichtigkeit durchaus spürbar. Pons’ Arbeit ist ein zeitgenössischer Autorenfilm voller Probleme und doch kein Problem- oder Kunstfilm; am Schluss steht kein Happy End, aber auch keine melodramatische Tragödie oder sozialpolitische Düsternis, sondern die schlichte Erkenntnis, dass das Leben der Protagonisten weitergeht – mitsamt ihren Hoffnungen, Erwartungen, Verfehlungen, Illusionen und Sehnsüchte.
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