Die Ermordung zweier nordkoreanischer Grenzsoldaten und die Schussverletzung eines südkoreanischen Sergeanten werden zum Auftakt für einen nach westlichen Erzählmustern verrätselten Thriller, der sich wie ein Puzzle aus zunächst unscheinbaren Einzelteilen zusammensetzt. In zwei langen Rückblenden entwickelt sich eine hervorragend inszenierte, unaufdringlich humanistische Parabel, die die Handlung ebenso konsequent wie beiläufig entwickelt. (O.m.d.U.; Kinotipp der katholischen Filmkritik)
- Sehenswert.
Joint Security Area
Thriller | Südkorea 2000 | 110 Minuten
Regie: Chan-Wook Park
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Filmdaten
- Originaltitel
- GONGDONG GYEONGBI GUYEOK JSA
- Produktionsland
- Südkorea
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Myung Films/CJ Entertainment/Intz.com/KTB Network
- Regie
- Chan-Wook Park
- Buch
- Kim Hyun-seok · Chan-Wook Park
- Kamera
- Kim Sung Bol
- Musik
- Cho Young-wuk
- Schnitt
- Mona Willi
- Darsteller
- Lee Young-ae (Sophie E. Jean) · Byung-hun Lee (Lee Soo Hyuk) · Song Kang Ho (Oh Kyung Pil) · Kim Tae Woo (Nam Sun Shik) · Shin Ha Kyun (Jung Woo Jin)
- Länge
- 110 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert.
- Genre
- Thriller
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
Als die südkoreanische Nationalmannschaft unlängst zum ersten Mal über die Vorrunde einer Fußball-Weltmeisterschaft hinaus kam, wurde den Spielern auf Geheiß des Staatspräsidenten kurzerhand der Militärdienst erlassen. Damit bleibe den Kickern eine verdammt harte Zeit erspart, wobei die planstabsmäßig organisierten Gesänge auf den Tribünen den Eindruck erweckten, als gehörten selbst die südkoreanischen Fußballstadien zu den Institutionen eines strengen Disziplinarregimes. Wie mag es da also erst in den Kasernen zugehen? Wenn man dem Thriller „Joint Security Area“ folgt, wohl doch nicht viel anders als in europäischen Ländern auch. Sogar an der Demarkationslinie zwischen Nord und Süd besteht die vordringlichste soldatische Aufgabe offenbar darin, gegen die eigene Langeweile anzukämpfen und niemand anderen als die Zeit tot zu schlagen. Nichts desto trotz müssen zwei nordkoreanische Soldaten ihren gemeinhin ereignisarmen Wachdienst mit dem Leben bezahlen, bevor ein südkoreanischer Sergeant sich mit einer Schusswunde auf die eigene Seite der Grenze zurückschleppt. Wie es dazu kommen konnte, beantwortet Regisseur Park Chan-Wook mittels einer aus dem westlichen Genrekino vertrauten Erzählstruktur: Indem er die Handlung wie ein Puzzle anlegt, scheinen die verhängnisvollen Ereignisse einer tragischen Nacht zunächst nur in vereinzelten, unzusammenhängenden Detailaufnahmen auf. Das große Vergnügen, dass dieser Film bereitet, folgt dann nicht zuletzt aus der frappierenden Ungezwungenheit, mit der sich noch die unscheinbarsten Puzzlestücke in zwei langen Rückblenden zu einem Gesamtbild fügen.
Während die Militärs beider Seiten allein daran interessiert sind, ihre jeweils eigene Darstellung der Ereignisse zu untermauern, ist es die Repräsentantin der Überwachungskommission neutraler Nationen, eine junge Schweizerin koreanischer Abstammung, die mit ihrer zurückhaltenden Beharrlichkeit Licht in die Angelegenheit bringt. Auch diese selbstreflexive Abweichung vom männlichen Ermittler-Stereotyp ruft Beispiele aus einigen Hollywood-Thrillern der letzten Jahre in Erinnerung. Ganz und gar unüblich ist indes, dass sich die Figuren einer Genreproduktion aus den USA oder Europa mit einer Einschätzung der allgemeinen nationalen Lage direkt ans Publikum richten würden: „Drei Minuten nach Beginn eines Krieges wären wir beide, Nord und Süd, vernichtet“, lässt Park seine eigentliche Hauptfigur, den nordkoreanischen Sergeant Oh, in einer Grossaufnahme geradeaus in die Kamera sprechen. Und für den Fall, dass irgend jemand die Botschaft nicht vernommen haben sollte, fügt der erfahrene Soldat mit einem nachdrücklichen Kopfnicken noch ein „Kapiert ihr es nicht?“ hinzu. In der internationalen Filmlandschaft sucht solche Direktheit, mit der das boomende südkoreanische Mainstreamkino regelmäßig Politik und Geschichte des eigenen Landes berührt, zur Zeit wohl seinesgleichen. Da geben die prekären Beziehungen zum nördlichen „Bruder“ schon einmal den Stoff für einen dröhnenden Actionstreifen ab, während in einem anderen Blockbuster scheinbar selbstverständlich Informationen über das in Vergessenheit geratene Schicksal politischer Gefangener entscheidend zur Auflösung einer Mordserie beitragen.
„Joint Security Area“, der einen Zuschauerrekord an heimischen Kinokassen aufstellte, ist wiederum an einem neuralgischen Punkt der koreanischen Zeitgeschichte angesiedelt: in der demilitarisierten Zone im unmittelbaren Umkreis des Waffenstillstandsortes Panmunjom, dessen Grenzanlagen für diesen Film eigens als komplettes Set nachgebaut worden sind. Als unaufdringliche humanistische Parabel illustriert eine geradezu intime Handlung die Kriegswarnung Sergeant Ohs. Zwar kommt durch Zufall ein scheinbar ungezwungener zwischenmenschlicher Kontakt über die Grenze hinweg zustande, doch bleibt die streng verbotene Verbrüderung einiger Soldaten darauf angewiesen, dass die komplizierte Außenwelt ausgeblendet wird. Man muss beim Posieren fürs Erinnerungsfoto schon sehr nahe zusammen rücken, damit die Köpfe die offiziellen Portraits des nördlichen Vater-Sohn-Herrscherduos im Hintergrund verdecken; Missverständnisse und Misstrauen können die Situation im Handumdrehen eskalieren lassen. „Auf diesem Weg werden wir alle sterben“, lautet eine zweite Warnung des Nordkoreaners Oh, die sich stellvertretend an eine Handvoll Soldaten richtet.
Allerdings ist dieses spezifisch koreanische Sujet, das in eine internationale Genreform gegossen wird, selbst aus westlicher Perspektive nicht das eigentlich Ungewöhnliche an diesem Film. Noch ungewöhnlicher ist das bestechend hohe Niveau, auf dem „Joint Security Area“ unterhält. Allzu selten sieht man einen Thriller, in dem ein Plot derart konsequent und zugleich beiläufig entwickelt wird. Das ist gewiss das Verdienst eines intelligenten Drehbuches, doch führt erst das Schlussbild vor Augen, mit welch lakonischer Sorgfalt dieses Buch, das Regisseur Park mitverfasst hat, realisiert worden ist. Das ist dann doch Ausweis einer größeren Meisterschaft als das Spiel der südkoreanischen Kicker und hätte eine Befreiung vom Wehrdienst ebenfalls allemal verdient gehabt.
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