Mischung aus Essay- und Dokumentarfilm über Füße und Beine, gefilmt aus der Froschperspektive, geschnitten im Rhythmus mitreißender swingender Klarinettenklänge. Teils witzige, teils aber auch banale und pseudophilosophische Statements befassen sich mit Beinen, Füßen, Schuhen und Strümpfen als Sex-Attributen, Bewegungsorganen und Spiegelbildern der Seele, wobei der Film trotz reizvoller Ansätze weder auf der Bild- noch der Wortebene über oberflächliche Beobachtungen hinausgelangt.
- Ab 14.
Walk Don't Walk (2000)
- | Deutschland 2000 | 60 Minuten
Regie: Thomas Struck
1 Kommentar
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Peter Stockhaus Filmproduktion/arte/NDR/
- Regie
- Thomas Struck
- Buch
- Thomas Struck
- Kamera
- Thomas Struck · Christoph Köster
- Musik
- Don Byron
- Schnitt
- Michèle Barbin
- Länge
- 60 Minuten
- Kinostart
- 03.04.2025
- Fsk
- ab 12
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Externe Links
- IMDb
Heimkino
Aktualisiert am
28.02.2025 - 15:23:56
Diskussion
Die kleine digitale Videokamera befestigte Thomas Struck an einem Stock, etwa auf Hundeaugenhöhe. Mit einem kleinen Ausklappmonitor konnte er den Bildausschnitt markieren, die Kamera steuerte er per Fernbedienung. So filmte er Schuhe, Füße, Beine, Waden, manchmal auch noch die Hüfte. Schlanke Frauenbeine in Pumps, in Jeans verhüllte Beine über Füßen in dicken Turnschuhen, elegante Hosenbeine über gelackten Schuhen, zuweilen sogar nackte Füße mit schwarzen Sohlen. Ob an der Ampel in New York „Walk“ oder Don’t Walk“ aufleuchtet, ist den meisten Passanten egal. Sie gehen einfach – und sie gehen alle schnell, das ist das Frappierendste. Sie gehen scheinbar im Rhythmus der leicht jazzigen Musik, die der Klarinettist Don Byron eingespielt hat und nach der später der Film geschnitten wurde. Ein Film nur über Beine und Füße aus der Froschperspektive kann eine witzige Sache sein. Die Kommentare der Menschen, zu denen die gefilmten Beine gehören, sind es auch: „Wir New Yorker haben die besten Waden“, hört man, oder: „So ist das, wenn man Polizist in New York City wird, man bekommt Plattfüße“, „Eine Frau geht zum Angriff über, wenn sie hochhackige Schuhe anzieht“, „Zum New Yorker Rhythmus gehört es, auch bei Rot die Straße zu überqueren“, „Die Mobilität ist doch das Wichtigste, du musst immer in Bewegung bleiben und dein Herz zum Schlagen bringen“. Immer wenn Struck die Perspektive wechselt und die Köpfe der „Fußmenschen“ zeigt oder sie gar in voller Körpergröße einfängt und sie über das Verhältnis zu ihren Beinen befragt, gerät der filmische Rhythmus ein wenig ins Stocken; nur die Musik, eine Mischung aus amerikanischen und brasilianischen Phrasierungen, hält dann alles zusammen.
Ein Film über Beine ist zwangsläufig auch eine voyeuristische Sache. So haben aufmerksame New Yorker Polizisten den vielseitigen deutschen Essay- und Dokumentarfilmer gleich dreimal festgenommen, weil sie dachten, er wäre ein Spanner. So ganz von der Hand zu weisen ist das nicht, denn Struck untersucht nicht nur, was Füße mit dem Wunsch nach Glück und Zufriedenheit zu tun haben, sondern auch den erotischen Aspekt, dem er breiten Raum gibt. Frauen, die Füße pflegen, Frauen, die Füße lecken, und auch sonst viel nackte Haut kennzeichnen den Besuch bei der Porno-Redakteurin Dian Hanson, deren Fetisch-Magazin „Leg Show“ eine monatliche Auflage von 200.000 Exemplaren hat. Dabei kommen zwar durchaus neue Gedanken ins Spiel, aber sie werden nicht diskutiert und liefern auch keine neuen Erkenntnisse. Im Gegenteil: Das Kapitel über die Füße und Beine als Sex-Attribute, das etwa ein Drittel des Films einnimmt, obwohl laut Kommentar nur fünf Prozent aller Männer Fußfetischisten sind, passt nicht zu den eher poetisch-witzigen Aufnahmen vom Anfang, weil es wegen der langen Interviewpassagen und der vielen Szenen mit (halb-)nackten Ganzkörper-Menschen wie aus einem anderen Film wirkt. Das letzte Drittel führt eher wieder zur Ausgangssituation zurück: Nun steht der Einfluss der Füße auf die Seele im Mittelpunkt, diesmal am Beispiel der berufsmäßigen Fußmenschen: Die Kamera beobachtet Stepp-, Turnier- und Balletttänzer, Skater, Läufer und andere Sportler – zwischendurch aber auch Träger von Prothesen und gar die Füße eines Toten, also auch den Aspekt des Stillstands.
Aus rund 60 Stunden gefilmten Materials (über zwei Jahre hinweg, Struck, Jahrg. 1943, filmte nicht nur in New York, sondern auch in Europa, und stellte daraus seinen 60-Minuten-Film zusammen. Dass er trotz seiner Kürze und formalen Spielereien (Schattenspiele, Überlagerungen, langsame Überblendungen) schnell langweilig und beliebig wird, liegt vor allem an der unausgegorenen Mischung, seine Themen (Rhythmus, Glück, Sex, Tempo) zu einem schlüssigen Ganzen zu verbinden. Das gilt für die Kamera-Perspektiven ebenso wie für die Ästhetik und die Statements, und da hilft auch die wirklich mitreißende Musik nichts.