Die abenteuerlichen Drehbedingungen von „Nirgendwo in Afrika“ sind eine Geschichte für sich und geraten in Konkurrenz zur eigentlichen Geschichte des Films. Gedreht wurde in Kenia, dessen Landschaften zu den schönsten Afrikas zählen. Der Mythos Afrika war offenbar für Produzent Peter Herrmann, der sich in seinem früheren Leben einmal mit Afrikanistik und animistischen Kulten beschäftigte, ein besonderes Anliegen. So wurden weder Mühe noch Aufwand gescheut, um dem entlegensten Busch habhaft zu werden. Mangelnden Hotels, schlechten Straßen, veralteten Telefonleitungen und sogar einer Dürrekatastrophe wurde getrotzt. Eine 40 Kilometer lange Straße musste gebaut werden, um die Lastwagen mit Licht, Generatoren, Wasser und Treibstoff zum Drehort zu transportieren. Wegen der Bauerlaubnis musste ein eigens aus Deutschland eingeflogener Ethnologe mit den verfeindeten Stämmen verhandeln. So viel zur Produktionsgeschichte eines Films, der vom Mythos Afrikas profitiert und mit hervorragender Kameraarbeit, flotter Dramaturgie und erstklassigen Schauspielern die Abbildung von Postkartenidyllen zielstrebig umschifft.
Caroline Link („Jenseits der Stille“) hat den autobiografischen Roman „Nirgendwo in Afrika“ von Stefanie Zweig verfilmt, die 1938 mit ihren Eltern nach Kenia emigrierte. Der jüdische Anwalt Walter Redlich lässt seine Frau Jettel und die fünfjährige Regina 1938 mit Unterstützung der jüdischen Gemeinde von Nairobi auf die Farm nachkommen, auf der er als Verwalter eine Anstellung gefunden hat. Anders als die Vorlage legt der Film mehr Gewicht auf das Verhältnis der Eltern, deren Beziehung in der Emigration Krisen durchlebt, aber nicht zerbricht. Walter, ein zukunftsorientierter Charakter, versucht, sein neues Leben auf der Farm mit Entschlusskraft zu meistern. Jettel hadert mit ihrem Schicksal. Nur allmählich arrangiert sie sich mit der Holzhütte mit Wellblechdach, die sie hier statt der soliden Breslauer Villa bewohnt. Erst will Jettel nicht auf einer Farm leben, dann will sie nicht wieder weg. Mal besteht sie auf ihrem eigenen Willen, dann wieder überlässt sie Walter alle Entscheidungen.
Regina, die kleine Tochter, blüht jedoch auf. Für sie wird das Leben in Afrika zu einem großartigen Abenteuer, bei dem ihr der Koch Owuor, den der Kenianer Sidede Onyulo stoisch wie ein Heiliger verkörpert, als guter Freund zur Seite steht. Als die Familie von den Engländern interniert wird und später auf einer anderen Farm wieder Fuß fasst, folgt ihr der treue Owuor nach. Fast wirkt er wie der Schutzengel der Familie und sorgt für eine extra Portion Humor. „Ein Koch gräbt nicht in der Erde“, muss sich Jettel einmal belehren lassen, als sie Owuor, den sie mit der Herablassung der Weißen behandelt, bittet, ihr beim Umgraben des Gartens zu helfen. Ein anderes Mal hilft er ihr beim Wassertragen und macht sich ganz ohne Not zum Gespött der afrikanischen Frauen.
Was in Nazi-Deutschland vor sich geht, wird in ruhigeren Kamera- und Schnittsequenzen eingeflochten, aus Briefen aus der Heimat vorgelesen oder in Diskussionen zwischen Jettel und Walter zur Sprache gebracht. So erfährt der Zuschauer nur indirekt vom Schicksal der in Deutschland zurückgebliebenen Verwandten, die der Verfolgung der Nazis zum Opfer fallen. Fast zehn Jahre dauert die Emigration, und am Ende steht die Rückkehr eines – durch die erfolgreiche Abwehr eines (digital animierten) Heuschreckenschwarmes – wieder versöhnten Paares.
Caroline Link hält sich weitgehend an die literarische Vorlage, was durchaus konsequent erscheint. Allerdings hätte eine stärkere Straffung der chronologisch erzählten Ereignisse der Geschichte gut getan. Trotz Gernot Rolls außerordentlich beweglicher Kamera kommen stellenweise Anflüge von Dialoglastigkeit auf, die allerdings durch Juliane Köhlers und Merab Ninidzes exzellentes Spiel gut zu verkraften sind. Nur am Anfang leistet sich Caroline Link den Luxus, das Breslau des Jahres 1938 zu zeigen. Da gelingen in Parallelmontage seltene Kontraste zwischen eisigem Winter und staubtrockenem Busch. Mit Bildfeuerwerk und erotischen Momenten protzt die Regisseurin überhaupt wohlkalkuliert. Beispielsweise bei einem afrikanischen Fest, das Jettel zum Anlass nimmt, endlich das kostbare Abendkleid zu tragen, dass sie sich ursprünglich für die Reise gekauft hatte. Da erlebt sich der Zuschauer noch einmal „jenseits der Stille“: Bild und Ton – Niki Reisers einfühlsame Musik trägt hier wesentlich zur starken Wirkung bei – gehen dabei unterschiedliche Wege. Das wirkt dann wie das Abbrennen eines exotischen Zaubers.
Nach einer Stunde und 40 Minuten sieht man für einen kurzen Moment ein extrem pittoreskes Landschaftspanorama mit Flamingos, ein Bild in jadegrün, bleu und lachs; bei einem Picknick, das Jettel mit ihrem deutschen Nachbarn Süßkind unternimmt, dessen Afrika-Erfahrung der Familie viel zu verdanken hat. Matthias Habich verkörpert den Einsiedler Süßkind hinreißend verlottert, was für eine zusätzliche Dosis erotischer Spannung sorgt.