Co-Produzent John H. Williams nennt sein Werk ikonoklastisch, was sicher ein wenig hoch gegriffen ist. Aber noch nie wurde so respektlos mit dem abendländischen Erbe der Märchen umgegangen wie im neuesten Produkt aus dem Hause DreamWorks. Dabei ist „Shrek“, entstanden nach einem Kinderbuch von William Steig, selbst ein Märchen: eine Art Meta-Märchen, das sich all die anderen Geschichten von Feen und sprechenden Tieren zunutze und sie auch ein wenig lächerlich macht. Schamlos könnte man das nennen, doch vorrangiges Ziel der Produzenten schien es zu sein, das fast monopolistische Zugriffsrecht des Disney-Konzerns auf die Märchen ins Visier zu nehmen. DreamWorks hatte Disney bereits mit „Antz“
(fd 33 404) auf dessen ureigenem Gebiet der Animation den Kampf angesagt. Wie „Shrek“ nun mit der süßen, heilen Welt der Micky-Maus-Erben umgeht, gehört zu den unterhaltsamsten Momenten in dem ohnehin höchst vergnüglichen Film.
„Home, Sweet Home“ heißt für den Oger mit Namen Shrek, morgens erst einmal eine Dusche mit Schlamm zu nehmen und sich die Zähne mit ausgepressten Raupen zu putzen. Ein Oger ist ein dicklicher, grüner, bärenstarker, grimmiger Einzelgänger mit seltsamen trichterförmigen Ohren auf dem kahlen Schädel, und nichts ist ihm wichtiger als seine häusliche Ruhe im tiefen Moor. Damit ist es vorbei, als der eitle Fürst Farquaad alle Märchenfiguren, die in seinem Reich leben, einfangen und im Moor zusammen treiben lässt. Farquaad, ein recht klein geratener Gernegroß, will das Märchen-Monopol an sich reißen und damit die Rechte an allem Spielzeug, das sich damit verkaufen lässt – das Schloss voller Puppen sieht aus wie das Merchandising eines großen, auf Familienfilme spezialisierten US-Filmstudios. Doch all die drei Schweinchen, sieben Zwerge und Artverwandte können aus dem Auffanglager fliehen und landen in Shreks Haus und Garten, was diesen wenig erfreut. Der Fürst hat sich derweil aus drei ledigen Märchenmädchen Prinzessin Fiona als Braut ausgesucht und beauftragt nun, feige wie er ist, Shrek damit, den Drachen, der sie bewacht, zu erlegen und das Mädchen herzubringen. Im Gegenzug will der Fürst für Ruhe im Oger-Heim sorgen. Zuvor hat sich der (sehr viel) sprechende Esel Donkey an Shreks Fersen geheftet, und zusammen machen sich beide auf, das Abenteuer zu bestehen, in dessen Verlauf sich Shrek in Fiona und der (weibliche) Drache in Donkey verliebt.
Der rein digital erzeugte Trickfilm zeigt sich auf der Höhe des technisch Machbaren, auch wenn dies bekanntlich nur ein kurzlebiger Gipfel ist: die Körperoberflächen etwa sind achtmal feiner strukturiert als noch bei „Antz“; besonders angesichts der Tatsache, dass hier erstmals Menschen (neben menschenartige Wesen) zu Hauptfiguren eines computeranimierten Trickfilms werden, sind Plastizität und mimische Ausdrucksfähigkeit der Figuren bestechend, was sich umgekehrt wohl auch auf ihre differenzierte charakterliche Zeichnung ausgewirkt hat. Anders als im herkömmlichen Märchen, das zwangsläufig aus Stereotypen besteht, läuft vieles nicht nach Wunsch. Fiona zum Beispiel ist fest davon überzeugt, dass ihr Retter Shrek auch ihr Prinz sein muss und nicht nur der Handlanger eines feigen Fürsten. Die Muster einer idealisierten Welt, wie sie Disney stets beschwört, stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein – dies ist eine der charmant vermittelten Botschaften des Films. Selbst Kinder, die an Adventure-Spielen geschult sind, werden vom Tempo des Films nicht enttäuscht, aber sie werden zugleich Augen machen, weil ihre schematische Playstation-Welt plötzlich ins Wanken gerät. Bewusst nimmt der Film die notorische Niedlichkeit von Disneys Kinderfilmen aufs Korn. Als etwa Fiona mit einem Vogel um die Wette zirpt, gelingen ihr derart hohe Töne, dass der Vogel zerplatzt. Damit nicht genug: Das arme Tier hatte zuvor Eier gelegt, die Fiona nun zum Frühstück verarbeitet. Zu einer zeitgenössischen Parodie gehört auch ein wenig verwurstete Filmgeschichte: Mal steht Shrek wie einst Bruce Willis allein dem Feind im verwunschenen Schloss gegenüber, mal hat er es wie Indiana Jones mit unglaublichen Gefahren zu tun. Andrew Adamson, der aus dem Bereich visuelle Effekte kommt, und Vicky Jenson, eine Trickfilmzeichnerin, geben hier ihr Regiedebüt, das sich mühelos zwischen Tempo und Gefühl, Massenszenen und beschaulichen Momenten bewegt. Auch wenn man sich den einen oder anderen Fäkalscherz hätte sparen können: „Shrek“ ist Familienunterhaltung auf der Höhe der Zeit, spannend und romantisch, ironisch und frech. Dass Shrek von Mike Myers und Fiona von Cameron Diaz gesprochen werden, ist im Original weniger bemerkenswert als Eddie Murphys Stimme für den Esel, der auch im Charakter deutlich an Murphys Alter Ego, den vorlauten Schnellsprecher, angelehnt ist. In der deutschen Version kommen u.a. Sascha Hehn, Esther Schweins und Rufus Beck zu Wort.