Red Rock West

Thriller | USA 1992 | 98 Minuten

Regie: John Dahl

Von Texas nach Wyoming unterwegs, um Arbeit zu finden, wird ein Mann vom Sheriff von Red Rock mit einem Killer verwechselt, der seine Frau umbringen soll. Er nimmt den Job zum Schein an, läßt sich von der Frau nochmals bezahlen und kehrt Red Rock den Rücken, doch die Flucht mißlingt; der wirkliche Killer taucht auf. Ein ungemein spannender Thriller in der Tradition des "film noir", dessen ausgefeilter Plot von Ironie und Witz gezeichnet ist. Eine Vierecksgeschichte um Geld und Erotik, ausgezeichnet gespielt.
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Filmdaten

Originaltitel
RED ROCK WEST
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Propaganda
Regie
John Dahl
Buch
John Dahl · Rick Dahl
Kamera
Marc Reshovsky
Musik
William Olvis
Schnitt
Scott Chestnut
Darsteller
Lara Flynn Boyle (Suzanne) · Nicolas Cage (Michael) · J.T. Walsh (Wayne) · Dennis Hopper (Lyle) · Timothy Carhart (Deputy Sheriff)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Universal (16:9, 1.85:1, DD2.0 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Concorde (16:9, 1.78:1, dts-HDMA 2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Wie ein Road-Movie fängt "Red Rock West" an: Eine Straße zieht den Blick in die endlose Weite Wyomings, der Wind bläst, und die Windräder inmitten der einsamen Felder rotieren im Rhythmus der verlorenen Zeit. Am Straßenrand steht ein wunderbar alter Cadillac, ein Mann steigt aus, mühevoll ein verletztes Bein streckend. Wenig später ist er an einem Arbeitscamp, wo nach Öl gebohrt wird. Der Mann heißt Michael und war 1200 Meilen von Texas aus unterwegs, um hier einen Job zu finden. Weil er seine Knieverletzung, die er als Marineinfanterist abbekommen hat, nicht verschweigt, wird er wieder weggeschickt. An einer Tankstelle widersteht er der Versuchung, aus der offenen Kasse Geld zu klauen und zahlt mit seinen letzten Dollars. Damit ist nicht nur Entscheidendes über den Charakter des Helden gesagt, sondern auch die fatale Geschichte motiviert, in die er sich kurz darauf verstrickt. Vom Tankwart bekommt er den Tip, sich in einer Bar von Red Rock, einem kleinen Kaff ein paar Meilen weiter, nach einem Job umzusehen. Michael nutzt die Chance, die sich aus einer Verwechslung ergibt: Wayne Brown, der Mann hinter der Theke, hält Michael nämlich für einen Killer, den er engagiert hat, um seine Frau umzubringen. Er läßt sich 5000 Dollar und eine Pistole in die Hand drücken und fährt zur Ranch, um auf Suzanne Brown zu warten. In der ersten Begegnung im Halbdunkel der Ranch sind beide so cool, wie sie es den ganzen Film über bleiben werden: Michael offenbart Suzanne seinen Auftrag. Sie bietet ihm nochmal 5000 Dollar, wenn er statt ihrer Wayne umbringt. Michael akzeptiert, denn er haßt es ohnehin, "unschuldigen Frauen wehzutun."

Mit 10.000 Dollar im Handschuhfach setzt sich Michael, der Betrüger aus Not und Gelegenheit, frohgemut hinters Steuer, nicht ohne jedoch noch einen Brief an den Sheriff aufzugeben, in dem er die Mordpläne des Ehepaares Brown offenlegt. Zum ersten Mal taucht das Ortsschild von Red Rock im Rückspiegel auf. Aber die Ironie der Geschichte will es, daß Michael dieser Stadt nicht mehr entkommt, bis sich sein Schicksal und das der Browns entschieden hat. Die Blitze, die ins Dunkel zukken, wenn Michael mit seinem Cadillac in den Regen fährt, deuten es voraus: Michael wird die Flucht nicht gelingen. Am Straßenrand winkt ein Mann, Michael kann nicht mehr bremsen und überfährt ihn. Wieder steht er vor einem moralischen Problem: Bringt er ihn ins Krankenhaus oder fährt er weiter? Im Krankenhaus taucht der Sheriff auf; er ist derselbe wie der Mann hinter der Theke, Wayne Brown, und er hat inzwischen herausgefunden, daß Michael ihn gelinkt hat. Außerdem stellt sich heraus, daß der Angefahrene bereits zwei Kugeln im Bauch hatte, und Michael steht unter Mordverdacht. Wayne führt ihn in Handschellen ab, läßt ihn unterwegs aber laufen, um ihn auf der Flucht niederzuschießen. Michael stürzt auf die Straße und wird fast überfahren. Der Mann, der ihn mitnimmt und so vor Wayne rettet, ist der eigentliche Killer: Lyle. Das erfährt Michael aber erst, als er mit ihm in der Bar sitzt, während Wayne zur Tür hereinkommt. Mit Lyles Auftritt ist die dramatische Konstellation komplett. Alles, was sich im folgenden ereignet, ergibt sich aus der psychologischen Dynamik der Vierecksbeziehung zwischen Suzanne, Wayne, Michael und Lyle, in der die Machtverhältnisse sich dauernd verändern. Michael wird von Wayne und Lyle gejagt, flieht mit Suzanne, nachdem er Lyle zusammengeschlagen hat, mietet sich mit ihr in einem Motel ein, läßt sich von ihr verführen und überreden, nach Red Rock zurückzukehren, um den Safe Waynes leerzuräumen. Wieder taucht das Ortsschild von Red Rock auf. Dort ist Wayne inzwischen von seinen Hilfssheriffs, die Michaels Brief erhalten haben, festgenommen worden. Michael und Suzanne aber geraten in Lyles Hände, der Wayne aus dem Gefängnis befreit, um sich von ihm zum Versteck des Geldes führen zu lassen, das Wayne und Suzanne, wie sich herausstellt, gemeinsam geraubt haben. Nachdem Michael die Kiste mit dem Geld ausgegraben hat, kommt es zum Show-down.

John Dahl ist eigentlich ein Newcomer. "Red Rock West" ist nach "Kill me again" (fd 28 365) sein zweiter Spielfilm, der wie dieser seine Herkunft vom film noir nicht verleugnet: Fast während der ganzen Handlung ist es Nacht; dementsprechend betont die Licht-führung Hell-Dunkel-Kontraste und expressive Blautöne. Doch er greift über Genre-Klischees hinaus: die ironische Konstruktion der Geschichte, der Sinn für Situationskomik und der trockene Humor der Dialoge bringen komödienhafte Züge in den Ernst des Thrillers. Dessen Spannung resultiert nicht nur aus dem vertrackten Plot, der die Handlungsstränge, der Ironie der Tragödie folgend, meisterhaft ineinander verwirrt, sondern aus dem Zusammenprall der vier Protagonisten, die sich an Selbstbehauptungswillen nicht nachstehen. Nicolas Cage verkörpert überzeugend den Lonely Cowboy der sympathischen Art. Sein etwas melancholischer Blick verrät eine Durchsetzungskraft, hinter der Verletzlichkeit und Mitgefühl stecken. Seine moralische Haltung gibt der Geschichte eigentlich ihren Lauf. Lara Flynn Boyle ("Twin Peaks") spielt die Femme Fatale, die ihre erotischen Reize gezielt zur Durchsetzung ihrer Interessen einsetzt. Wie tief die Gefühle zwischen Michael und Suzanne wirklich sind, bleibt unklar. Hinter jeder menschlichen Nähe in diesem schwarzen Kosmos von Liebe und Haß lauert die Berechnung. Sie ist es, die das Verhältnis aller vier zueinander bestimmt. Alle sind sie Egoisten, letztlich nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert. Wayne, von J.T. Walsh als eiskalter Geschäftsmann gespielt, dem jedes Mittel recht ist, um sich seiner Widersacher zu entledigen, trifft in Lyle auf seinen würdigen Gegner, den Dennis Hopper in einer Neigung zu zynischem Sadismus und der Bereitschaft zu gnadenloser Brutalität wie den Tod selbst darstellt.

Daß die Geschichte Dahls auf dem Friedhof endet, wo das Geld in einem Grab versteckt ist, ist die innerste Konsequenz und zugleich die symbolische Verdichtung der in "Red Rock West" entworfenen Mythologie des Geldes. Das Geld stammt aus einem Raub, und ihm haftet der Fluch an. Es hat die Liebe des Gangsterpaares Wayne und Suzanne zerstört, die mögliche Liebe zwischen Michael und Suzanne im Keim erstickt und Wayne und Lyle das Leben gekostet. Nur Michael stellt die Macht des Geldes infrage. Aber der Film bliebe seinem ironischen Plot und seinem ironischen Helden nicht treu, wenn Michael am Ende, als er blutig und zerrissen auf dem Güterwaggon liegt, nicht ein Dollar-Bündel auf dem Boden fände, das in den Wind zu werfen er vergessen hat.
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