Before Night Falls

Biopic | USA 2000 | 133 Minuten

Regie: Julian Schnabel

Film über das Leben des kubanischen Schriftstellers Reinaldo Arenas, einen glühenden Mitstreiter Fidel Castros, der seine Ideale aber bald verraten sah, in seinem Heimatland nicht publizieren konnte und wegen seiner offen ausgelebten Homosexualität stets vom Gefängnis bedroht war. Arenas floh 1980 in die USA, wo er einsam und nahezu unbekannt starb. Eindrucksvolles Künstlerporträt, das sich auf die Emotionen und die Homosexualität seines Protagonisten konzentriert, dessen politische Ambitionen aber nur am Rande streift. Visuell brillant, in der Hauptrolle überzeugend gespielt, wirft der Film einen eher wohlwollenden Blick auf die gesellschaftlichen Zustände in Kuba und stellt das Individuum als Opfer der Verhältnisse in den Mittelpunkt. - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
BEFORE NIGHT FALLS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
El Mar/Grandview
Regie
Julian Schnabel
Buch
Cunningham O'Keefe · Lázaro Gómez Carriles · Julian Schnabel
Kamera
Xavier Pérez Grobet · Guillermo Rosas
Musik
Carter Burwell · Laurie Anderson · Lou Reed
Schnitt
Michael Berenbaum
Darsteller
Javier Bardem (Reinaldo Arenas) · Olivier Martinez (Lázaro Gómez Carilles) · Andrea di Stefano (Pepe Malas) · Johnny Depp (Bob Bon/Lieutenant Victor) · Sean Penn (Cuco Sanchez)
Länge
133 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Biopic
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, Mono span., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Eine weiße Nylontasche mit einem großen roten Herz und der Aufschrift „I love New York“ bedeckt das Gesicht eines Toten in einem heruntergekommenen Zimmer in Brooklyn. Ein Exilkubaner, ein „gusano“ (Wurm), wie Dissidenten und Exilierte in Castros Kuba verächtlich bezeichnet werden. Reinaldo Arenas war eine vielschichtige Persönlichkeit: Homosexueller, Schriftsteller und Regime-Gegner. In „Before Night Falls“ konzentriert sich Regisseur Julian Schnabel im wesentlichen auf dessen Geschichte als Homosexueller, der die bedrückende Enge des karibischen Sozialismus gegen die Kälte und Anonymität der US-Metropole eintauschte. Arenas (meisterhaft dargestellt durch Javier Bardem) wurde 1943 im kubanischen Holguín geboren. Eine konfliktreiche Kindheit, der Streit mit dem Stiefvater und die besitzergreifende Liebe der Mutter ließen ihn früh zu einer selbstständigen Persönlichkeit mit einer besonderen poetischen Begabung heranreifen. Bereits mit zwölf Jahren verließ er sein Elternhaus und schloss sich dem „ejercito rebelde“, der Guerilla um Fidel Castro und Che Guevara, an. Der Film vermittelt die Aufbruchstimmung Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre über eine geschickte Montage von Archivbildern und inszenierten Szenen; unterlegt mit Musik von Lou Reed und Laurie Anderson. Nach dem Sieg der Revolution studierte Arenas Literaturwissenschaft, arbeitete als Kritiker und Journalist. Sein erster Roman („Celestino antes del alba“) erschien 1967, das einzige Werk, das in Kuba publiziert werden durfte.

Der Film vermittelt überzeugend den Kontrast zwischen der Euphorie nach dem Sturz des Batista-Regimes und der bleiernen Stimmung aus Repression und geistig-sozialer Kleinkariertheit, wie sie mit Fidel Castro und der kommunistischen Partei an die Herrschaft gelangten. Wie Tausende Andere kehrte Reinoldo Arenas 1980 dem tropischen Sozialismus den Rücken und suchte in den USA persönliche wie politische Freiheit, da ihm auf Kuba jede öffentliche Plattform genommen worden war. So sah er sich schon 1969 gezwungen, das Manuskript seines Romans „El mundo alucinante“ nach Frankreich schmuggeln zu lassen, damit es veröffentlicht werden konnte. Arenas floh auch vor dem Gefängnis, dass ihn wegen seiner schriftstellerischen Tätigkeit wie seiner nicht versteckten Homosexualität erwartete; er flüchtete aber auch vor der klammernden Liebe seiner Mutter. Er floh vor den Zwängen seines Lebens, aber letztlich auch vor den Konstanten seiner Existenz. In New York fand er Kälte, radikale Einsamkeit, Fast Food und Vergessen. Aus dem verfolgten Dissidenten wurde ein Unbekannter.

„Before Night Falls“ ist keine harte, keine polemische Kritik der kubanischen Zustände, sondern ein wohlwollend-vorsichtiger Blick von außen. In manchen Punkten geht Schnabel, der überwiegend in der mexikanischen Hafenstadt Veracruz drehte, zurückhaltender, vielleicht aber auch unentschlossener als kubanische Regisseur ans Werk, weshalb man sich manchmal an „Erdbeer und Schokalade“ (fd 30 999) erinnert fühlt, die bittere, aber auch humorvolle Liebesgeschichte, mit dem der kubanische Altmeister Tomas Gutierrez Alea das Thema Homosexualität und ihre Diskriminierung auf Kuba 1995 in die Kinos brachte. Schnabels Film wirkt in der Beurteilung der Verhältnisse wesentlich ambivalenter. Sein Film zeigt die Geschichte der kubanischen Homosexuellen in erster Linie über die Darstellung einer schillernden Oberfläche, die Präsenz in der kubanischen Öffentlichkeit, das lustige Leben am Anfang der Revolution und ihre teilweise brutale Unterdrückung – Flirtszenen, Provokationen und Verbrüderungen mit den kubanischen Milizen, aber auch die Doppelmoral, die bestimmte Abschnitte der Revolution beherrschte. Das Werk wie die Person Arenas’ steht dabei besonders für das Individuum, das wegen seiner sexuellen Neigung zum Objekt einer institutionell organisierten Hetzjagd wird. Gezeigt wird dies in einer brillanten visuellen Gestaltung, die Schnabels Hintergrund als malenden Filmemacher und filmenden Maler gleichermaßen verrät. Länge der Einstellungen und Schnittrhythmus erzählen eine Geschichte, die von Brüchen beherrscht wird – schnell geschnittene Sequenzen im Wechsel mit langen, manchmal quälend langsam ausgespielten Szenen markieren den Verlauf des Films und den eines Lebens. „Before Night Falls“ ist deshalb ein politischer und zugleich unpolitischer Film, der die bewegende Biografie eines ungewöhnlichen Schriftstellers nachzeichnet, dessen Leidenschaften, Brüche und Sprünge in seinem Leben.

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