Shadow of the Vampire

- | USA/Großbritannien/Luxemburg 2000 | 95 Minuten

Regie: E. Elias Merhige

Während der Dreharbeiten zu Murnaus Vampir-Stummfilm "Nosferatu" wird deutlich, dass der Hauptdarsteller tatsächlich ein Vampir ist, der einen Darsteller spielt. Dabei hat er einen Pakt mit dem Regisseur geschlossen, der als Gage seines Stars das Blut der anderen Mitarbeiter ausgesetzt hat. Eine atmosphärisch geschickt stilisierte Hommage an Friedrich Wilhelm Murnau und seinen legendären Film aus dem Jahr 1921/22, zugleich eine Reflexion über das Filmemachen sowie den Willen zur Kunst, wobei sich der Film auf bemerkenswerte Weise darum bemüht, die ethische Dimension der Kunst in den Mittelpunkt zu stellen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SHADOW OF THE VAMPIRE
Produktionsland
USA/Großbritannien/Luxemburg
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Long Shot Films/BBC Films/Delux/Luxembourg Film Fund
Regie
E. Elias Merhige
Buch
Steven Katz
Kamera
Lou Bogue
Musik
Dan Jones
Schnitt
Chris Wyatt
Darsteller
John Malkovich (Murnau) · Willem Dafoe (Schreck) · Udo Kier (Grau) · Catherine McCormack (Greta) · Cary Elwes (Wagner)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Heimkino

Verleih DVD
Warner
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Diskussion
Im Sommer 1921 beginnt Friedrich Wilhelm Murnau mit den Dreharbeiten zu seiner ambitionierten Verfilmung von Bram Stokers Roman „Dracula“. Aus rechtlichen Gründen müssen zwar die Namen der Figuren gegenüber der Vorlage geändert werden, aber – immerhin – das Team steht (fast). Gedreht wird in der Slowakei. Zu Beginn laufen die Dreharbeiten trotz der etwas exzentrischen, allerlei Drogen zugeneigten Crew reibungslos, nur mit seinem Darsteller des Vampirs Graf Orlok hält Murnau zunächst hinterm Berg. Dann präsentiert er dem Team den Theaterschauspieler Max Schreck als einen Anhänger der Schauspielschule Stanislawskis, wo die völlige Identifikation mit der Rolle durchaus üblich sei. Das bedeutet: Abschottung vom Team, Dreharbeiten bei Nacht und permanente Kostümierung am Set. Jetzt häufen sich merkwürdige Vorfälle: Kameramann Wolfgang Müller wird krank und muss ausgetauscht werden, andere Mitglieder des Teams fühlen sich matt. Murnau fliegt nach Berlin, um Kameramann Fritz Arno Wagner zu verpflichten. Währenddessen kommen sich Schreck, Grau und Galeen näher, doch Schreck scheint in seiner Rolle gefangen und saugt routiniert eine vorbeifliegene Fledermaus aus. Allmählich begreift Grau, was es mit dem „method acting“ Schrecks auf sich hat: Murnau hat auf der Suche nach unvergesslichen Bildern einen echten Vampir für die Rolle des Vampirs engagiert. Dessen Gage ist das Blut des Teams, insbesondere der Hauptdarstellerin Greta Schröder. Als die Arbeit an der letzten Einstellung beginnt, wird die panische Greta mit Morphium betäubt; zugleich wird versucht, den Vampir durch diesen Trick bis zum Morgengrauen hinzuhalten. Doch so einfach ist ein Schreck nicht zu überlisten. War da vielleicht einmal etwas? Zum Beispiel war da Max Schreck: Zwischen 1919 und 1936 Mitglied im Ensemble der Münchener Kammerspiele unter Otto Falckenberg, wirkte er in 15 Spielfilmen mit, doch nur einer davon hat sich ins kollektive Gedächtnis der Filmgeschichte eingeschrieben. Über Schreck ist nicht viel bekannt, im „Nosferatu“-Buch von Arnold/Farin/Schmid liest man: „Er trat in die Szene aus einer anderen Welt, und die andere Welt kam mit ihm: die Dämonen, die Geister der Natur, Gewalten, von denen Menschen im Guten und Bösen besessen sind. Sie waren da, in ihm erwacht.“ 1978 drehte Werner Herzog dann ein Remake von Murnaus Film unter dem Titel „Nosferatu – Phantom der Nacht“ (fd 21 118), um ostentativ an die große Zeit des deutschen Films anzuknüpfen. Die Titelrolle übernahm Klaus Kinski, dessen Interpretation sich auf das Leiden an der Unsterblichkeit konzentrierte. Drehbuchautor Steven Katz hatte die bemerkenswerte und zugleich bemerkenswert simple Idee, Murnau durch den Mythos Herzog hindurch zu rekonstruieren: Was wäre, so die konstitutive Idee von „Shadow of the Vampire“, wenn Murnau gar keine Fiktion, sondern vielmehr eine Mischung, die Konfrontation von Erzählung und Dokumentation gedreht hätte? Wenn Max Schreck nicht ein Schauspieler gewesen wäre, sondern ein echter Vampir, der einen Schauspieler spielt? Murnau bringt der Kunst ein Opfer: sein Team. Man begegnet also de facto zwei Monstren: dem Vampir und dem Regisseur, der den Vampir für seine Kunst zu instrumentalisieren versucht. Man könnte gar auf die Idee kommen, über die ethische Dimension des vorgeführten Kunstwillens nachzudenken; zentraler aber scheint die seit einiger Zeit grassierende Sehnsucht nach einer Zeit, als Filmemachen noch mehr mit Enthusiasmus und Kunstwillen zu tun hatte. In den Autoren, den Pionieren und den Außenseitern erkennt man den Stoff, aus dem diese Träume sein könnten. Glücklicherweise verfügt diese wunderschön stilisierte Hommage an Murnaus Film über hinreichend Augenzwinkern, um die Zuschauer in die fantastischen Abgründe der Geschichte mitzunehmen. Gleich zu Beginn wird Murnau von Grau auf eine Stufe mit Griffiths und Eisenstein gestellt, später trägt man während der Dreharbeiten merkwürdige Schutzbrillen, und Murnau verhandelt mit Schreck über die eventuelle Verzichtbarkeit einzelner Team-Mitglieder. Willem Defoe, der Kinski mehr verdankt als Schreck, ist ein eigensinniger, fast schon autistischer Vampir, der in der Konfrontation mit den Mitgliedern des Teams Raum für manche burleske Kapriole schafft. Allerdings – hier offenbart sich die Grenze des Drehbuchkonzepts – muss „Shadow of the Vampire“ um der Geschichte willen gerade das dementieren, was ihr zugrunde liegt: das Faszinosum der Bilder von Murnaus „Nosferatu“. Wenn nämlich gedreht wird, weicht die Farbe aus den Bildern, und das, was man sieht, ähnelt dem, was man von „Nosferatu“ kennt, zum Verwechseln. Ohne jede Kunstanstrengung oder poetische Imagination dokumentiert „Shadow of the Vampire“ in krass naturalistischer Manier „die Dinge, wie sie sind“, was bedeutet, dass es sich bei „Nosferatu“ um wenig mehr als um den ersten „Snuff Movie“ der Filmgeschichte gehandelt hat, erinnernswert höchstens unter ethnologischen Gesichtspunkten.
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