Chicken Run - Hennen rennen

Animation | Großbritannien/USA 2000 | 84 Minuten

Regie: Peter Lord

Ein Gefängnisfilm im Hühnerstall: Von zahllosen unglücklichen Ausbruchsversuchen einer mutigen Henne erzählt der Film, bis schließlich der Bau einer Flugmaschine über das Schicksal des ungelenk flatternden Federviehs entscheidet. Der erste lange Film der "Wallace & Gromit"-Erfinder, besetzt mit perfekt animierten Knetfiguren, ist erzählerisch weniger stringent als seine Vorläufer und verlässt sich auf eine einzige hübsche Idee. Diese allerdings ist überzeugend, insbesondere im Gewand einer sensationellen Animationskunst. Als pointierte Parodie des Lagerfilms im pseudosozialkritischen Tonfall auch inhaltlich überdenkenswert. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
CHICKEN RUN
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Aardman/DreamWorks/Allied Filmmakers
Regie
Peter Lord · Nick Park
Buch
Peter Lord · Nick Park
Kamera
Tristan Oliver · David Alexander Riddett
Musik
Harry Gregson-Williams · John Powell
Schnitt
Mark Solomon
Länge
84 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Animation
Externe Links
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Heimkino

Die umfangreiche Special Edition (2 DVD’s) enthält u.a. einen deutsch untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs, eine separate Soundtrackspur, ein ausführliches Making Of sowie eine nur über den PC abrufbare DVD-Rom Partition, die einen interaktiven Einblick in den Produktionsprozess des Filmes gewährt.

Verleih DVD
BMG (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt., DTS6.1 engl./dt.)
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Diskussion
Vergessen wir einmal, was man in Drehbuchlehrgängen als Erstes lernt: dass eine gute Idee noch lange kein tragfähiger Filmstoff ist und nicht vorschnell mit der mühseligen Arbeit des Drehbuchschreibens verwechselt werden darf. Denn es gibt sie durchaus, diese kleinen Ideen, die durch Studioflure geflüstert, umworben und teuer gehandelt werden. Als Nick Park und Peter Lord gegenüber Steven Spielberg von einem Gefangenen-Ausbruchsfilm wie „Gesprengte Ketten“ (fd 12 205) schwärmten, der auf einem Hühnerhof spielen sollte, war dieser nicht mehr zu halten. „Wunderbar“, soll er, laut Lord, geantwortet haben: „Ich habe zuhause 300 Hühner, und mein Lieblingsfilm ist „Gesprengte Ketten“. Gewiss, wer wie Park und Lord mit den Plastilin-Animationen „Wallace & Gromit“ (fd 31 035) drei „Oscars“ in Folge gewonnen und die erfolgreichsten Kurzfilme seit Charles Chaplin produziert hat, dem stehen in Hollywood ohnehin alle Türen offen. Aber es ist etwas Verführerisches an diesem Gefängnisfilm, der in den USA schon Monate im Voraus mit riesigen Hühnerkonterfeis und dem Slogan „A few good hen“ angekündigt wurde. Man möchte einfach sehen, wie es diese Flucht bewerkstelligen mag, dieses fluguntüchtige Federvieh.

Zunächst erfährt man, was nur noch gestandene Macho-Hähne ignorieren können: dass Eierlegen nämlich eine sensible Angelegenheit ist und das vegetative Nervensystem einer Henne schon einmal für zyklische Unregelmäßigkeiten verantwortlich ist. Die despotische Farmerin Mrs. Tweedy, ganz und gar dem Klischee der Aufseherin eines Frauengefängnis-Filmes nachempfunden, hat dafür allerdings wenig Verständnis. Wer nicht genug legt, dem droht das Ende in Pastetenform. Besonders greifbar ist dieses Schicksal für die schon mit mehreren Fluchtversuchen unangenehm aufgefallene Ginger. Und gewiss werden die Strafmaßnahmen nicht immer nur in einem Aufenthalt im „Loch“ bestehen - man weiß „Vogelmann aus Alcatraz“ was damit gemeint ist. Hoffnung kommt in Gestalt eines aus dem Zirkus entwichenen „Flughahns“ namens Rocky. Dem charismatischen Burschen gelingt es schnell, die Hennen in seinen Bann zu schlagen, und man verspricht sich viel von seinen charmanten Flugstunden. Doch die Zeit drängt: eine neumodische Pastetenmaschine harrt ihrer vernichtenden Aufgabe. Als jedoch ein altes Zirkusplakat Rockys Flugnummer als Trick entlarvt, ist es mit dem Optimismus vorbei. Ginger aber hat einen anderen Plan: Unter Mithilfe von ein paar Ratten, die einen schwunghaften Schwarzmarkt mit Eiern betreiben, macht sie sich an ein Unterfangen, das man von Vögeln eigentlich nicht erwartet: den Bau eines Flugzeugs.

So ist das mit den guten Ideen: sie halten eine gewisse Zeit gefangen und beschäftigen unsere Vorstellungskraft. Doch je besser sie sind, desto weniger lassen sie sich durch die Kunst eines Drehbuchautors steigern. Das muss auch Karey Kirkpatrick, Trickfilm erfahren unter anderem durch „Bernard und Bianca im Känguruhland“ (fd 29 253), am eigenen Leibe spüren. Aber glücklicherweise haben Drehbuchlehrer eben nicht immer Recht, und gute Geschichten sind eben auch nicht immer alles im Kino. Die Trickfilme des englischen Aardman-Studios können allein durch die schier unglaubliche Beherrschung der Plastilin-Animation in Verbindung mit jenem typisch britischem „social touch“ für sich einnehmen. Es ist herrlich, welches Typenensemble hier geschaffen wurde: die etwas zu missionarische Ginger, die opportunistische Rekord-Eierlegerin Bunty, die sich wohl auch durch einen sozialistischen LPG-Orden noch motivieren ließe; oder das naive Dummchen Babs, ein ganz und gar sonniges Hühnchengemüt. Wie bei „Wallace und Gromit“ werden Genrekonventionen liebevoll herbeizitiert und durch eine aufmerksam kommentierende Filmmusik vom Traditionalismus eines englischen Bläservereins weiter pointiert. Wer von einem großen Spielfilm auch eine gewisse dramatische Tiefe erwartet, wird allerdings enttäuscht. Park und Lord drehten schlicht einen weiteren Kurzfilm - allerdings mit zweieinhalbfacher Länge. Und ein paar beeindruckenden Massenszenen, wie sie die Animationsgeschichte in dieser Technik noch nicht gesehen hat. So treten nicht weniger als 150 Hühner zum Morgenappell an und lassen alle Tragik des klassischen Lagerfilms spüren. Zweifellos sind Nick Parks frühere Arbeiten erzählerisch konzentrierter, aber viel wichtiger ist doch, dass man der Versuchung widerstand, sich den vermeintlichen Geschmackskonventionen des langen Trickfilms zu beugen und die eigene Integrität wahrte. Ein kitschiges Musical wäre mit dem sozial-ironischen Realismus von Aardman wahrlich nicht zu vereinbaren.
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