James Ellroy wurdet 1948 in Los Angeles geboren; vaterlos aufgewachsen, verlor er im Alter von zehn Jahren auch seine Mutter - sie wurde ermordet, ohne daß der oder die Täter je gefaßt wurden. Auch ohne abgenutzte psychoanalytische Deutungsmaster zu bemühen, ist wohl nachvollziehbar, daß ein solcher Einschnitt in der kindlichen Psyche Spuren hinterläßt, und folgerichtig ist Ellroys literarisches Werk in geradezu obsessiv er Weise besetzt vom Verlangen, hinter den Mythos des Verbrechens an sich zu kommen. Er beschwört, konstruiert, demontiert (und beschwört dadurch wiederum) immer wieder aufs Neue. In seinen hochkomplexen Plots wimmelt es von zahllosen Protagonisten, deren Beziehungen ein dichtes Netzwerk von Intrigen und Gegenintrigen bilden. Wie die Personen der Handlung selbst droht sich der Leser in diesem Handlungslabyrinth mitunter zu verirren, doch wohlpointiert wird der Ariadnefaden rechtzeitig sichtbar gemacht, ergeben sich, nur scheinbar unvermittelt, verblüffend einfache Kausalitäten. Freilich bilden diese wenigen glasklaren Momente der Nachvollziehbarkeit immer nur neue Folien für neue Spiele der Verwirrung. Elementarster und letzter Antrieb des Bösen ist einmal mehr der banale Wille zur Macht. Es scheint jedoch, als hülle sich diese Banalität nur in einen schillernden Mantel der Kompliziertheit, um von seinem simplen Kern abzulenken. Deshalb handelt es sich bei Ellroys Geschehensentwürfen zwar um nahezu dämonisch konstruierte Intrigen, diese verlieren sich aber nie im nebulösen Feld esoterisch angehauchter Verschwörungstheorien. Niedertracht ist elementar, bleibt aber Niedertracht, ganz ohne Geheimnis. In dieser Hinsicht ist Ellroy strenger Moralist. Es war nur eine Frage der Zeit, daß sich Hollywood dieses Autors annahm, erscheinen doch seine Romane in den Nebenlinien oft als parabelhaft übersteigerte Chronik der "Traumfabrik", ja wie eine Adaption von Kenneth Angers "Hollywood Babylon". Mit Curtis Hanson konnte kaum ein geeigneterer Regisseur gefunden werden. Gemeinsam mit seinem Drehbuchautor Brian Helgeland lichtete er das Unterholz der Handlung und schuf eine in Maßen überschaubare Szenerie. Dem Unterfangen dabei seine kolportagenhafte Färbung vorzuwerfen, wäre töricht: natürlich ist der Film über große Strecken Kolportage - so wie Ellroys Literatur, so wie ganz Hollywood. Mithin erweist sich "L.A. Confidential" als in jeder Hinsicht adäquat.Ed Exley, hoffnungsvoller Polizei-Eleve, der wegen seiner Brille von allen Kollegen gehänselt wird, muß gleich am ersten Dienstabend erfahren, daß Schulwissen und Realität zweierlei sind. Als sich sein erster "richtiger Fall" als Massaker erweist, dem auch ein eben vom Dienst suspendierter Polizist und ein Starlet zum Opfer gefallen sind, vermutet er instinktiv mehr als einen simplen Überfall. Seinen Ermittlungen werden Steine in den Weg gelegt und offiziell ideale Täter ausgemacht: eine Handvoll Schwarzer, die aus purer Habgier gehandelt haben sollen. Ed läßt nicht locker und kommt einer sich immer mehr ausweitenden Intrige auf die Spur. Er wird in den Strudel der kaum überschaubaren Ereignisse gerissen und kann nur dank unerwarteter Hilfe überleben und triumphieren. Ausgerechnet sein heftigster Gegner, der jähzornige und grobe Polizist Bud White, stellt sich im entscheidenden Moment auf seine Seite - als Duo sind sie unschlagbar, überleben gar das infernalische Kugelgewitter, das sie in einem Hinterhalt erwartet. So kehren sich tiefschürfende Ressentiments ebenso um wie scheinbar unerschütterliche Vertrauensverhältnisse; im undurchdringlichen Sumpf aus Korruption, Drogenhandel, Medienklüngel und Prostitution verwischen sich alle Ideale anerzogener Wertmaßstäbe. Der Held erfährt aber durch seine existentiellen Erfahrungen eine neue menschliche Qualität.Wie in Ellroys Prosa wechseln in Hansons Verfilmung relativ komplizierte erzählerische Phasen mit eruptiven Momenten, die an Drastik nichts zu wünschen übrig lassen. Man erlebt mindestens 50 Leinwandtode, teilweise mit pittoresken Details ausgeschmückt. Durch ihre immense Komplexität sind in der Handlung gleich Dutzende Ansätze von Suspense- und "Whodunit'-Plots angelegt, ohne daß eigentlich ein Strang durchgespielt werden müßte. Selbst jenen großen, letzten Verrat, um den sich der Showdown rankt, ahnt man längst, bevor man ihn vorgeführt bekommt. Und dennoch geht dem Geschehen seine Spannung nicht ab. Virtuos spielt Hanson auf der Klaviatur seiner Thriller-Dramaturgie, bedient sowohl den kleinen atmosphärischen Kribbel als auch die intellektuelle Herausforderung übergreifender Zusammenhänge. Unter der Hand erzählt der Film noch die Geschichte einer Initiation: Der junge, von gesellschaftlichen Idealen beseelte Polizist Ed verliert im Lauf der Handlung gleich mehrfach seine Unschuld, muß sogar gegen sein Vaterideal aufbegehren und diese Ikone auch noch vernichten, um aus dem Kokon seiner fremdbestimmten Kindheit schlüpfen zu können.Zu Beginn der Orgie aus Gewalt und Verworfenheit stehen authentische, bonbonfarbene Dokumentaraufnahmen, die ein Hohelied auf Hollywood anstimmen - ein wahrhaft sarkastisches Entree. Denn hinter diese Fassade des schönen Scheins zu kommen, bereitet den Filmemachern ein grimmiges Vergnügen. Die frühen 50er Jahre sind für Ellroy und Hanson die letzte Blütephase in der Welthauptstadt des Films. Nach dem gewonnenen Krieg in Europa waren Anleitungen für den "American Way Of Life" allerorten gefragt; noch einmal boomte die Branche, entfaltete ihren Glamour in verschwenderischer Opulenz. Doch im Glanz nistet stets die Dekadenz. "L.A. Confidential" heißt soviel wie "Los Angeles geheim", deutet aber genau auf die erste und unverschämteste aller Klatsch-Gazetten hin, eben auf jene Zeitschrift "Confidential", die vom berüchtigten Verleger Robert Harrison von 1952 bis 1957 an der Westküste herausgebracht wurde. Danny DeVito verkörpert mit Sid Hudgeons im Film ein alter ego Harrisons. Der Aufstieg seiner Zeitschrift "Hush-Hush" geht mit der Einführung des Fernsehens einher, markiert den endgültigen Verlust romantisch gefärbter Utopien, die sich mit dem alten Hollywood verbanden. Auf dem Rummelplatz der aufgeblasenen Skandale füngieren die Stars und Diven nur mehr als Kanonenfutter für die Sensationslust der Konsumenten. Sender und Redaktionen bekommen ihre Tips direkt aus den Amtsstuben der Polizei; bei der Berichterstattung fungieren Beamte schon mal als Kabelhalter. Laut Kenneth Anger war es auch diese unheilige Allianz, die der Legende Hollywood den Garaus bereitet hat:"Mit den frühen 60er Jahren war das alte Hollywood endgültig tot. Die Burgmauern der alten Lehensgüter, der Studios, fielen eine nach dem anderen dem Ansturm der Feinde zum Opfer. RKO wurde vom Fernsehen übernommen... Marilyns Selbstmord mit Schlaftabletten war 1962 nur der Nachhall des Willens so vieler anderer, sich selbst zu vergessen."