Die Figur des Vampirs ist so alt wie die Filmgeschichte selbst. Schon 1896 geisterte durch Georges Meliès phantastischen Kurzfilm "Le manoir du diable" einer jener Untoten, die später einmal ein ganzes Genre mitprägen sollten. Über 100 Mal hat seitdem der blutsaugende Vampir aus Transsylvanien das Licht der Leinwand erblickt. Bis auf zwei "eigenständige" amerikanische Stummfilme aus dem Jahre 1913 ("Hiawatha", "The Vampire") haben sich alle Verfilmungen an Bram Stokers 1897 erschienenen Klassiker "Dracula" orientiert oder zumindest Motive seines Romans verwendet. Francis Ford Coppola aber sollte es vorbehalten bleiben, als erster "hautnah" an der Vorlage zu bleiben und auch die Vorgeschichte "Draculas" ins Bild zu setzen.Der Prolog erzählt die Geschichte des transsyIvanischen Fürsten Vlad Dracula, der sich 1462 mit nur 7.000 Mann 30.000 "ungläubigen" Türken entgegenstellt - und siegt. Als Warnung an alle Feinde des Christentums läßt er alle Gefangenen pfählen. Aber die Türken rächen sich, indem sie seiner Braut Elisabeta die Nachricht zukommen lassen, ihr Bräutigam sei gefallen. Elisabeta nimmt sich daraufhin voller Verzweiflung das Leben. Und als die Kirche der Selbstmörderin ein christliches Begräbnis verweigert, verflucht Dracula Gott, und die Mächte der Finsternis ergreifen Besitz von ihm. Von nun an kann er nur bei Dunkelheit leben und muß sich von menschlichem Blut ernähren.Über 400 Jahre hat der Graf sein Land tyrannisiert, als er sich 1897 entschließt, nach London überzusiedeln. Als der junge Immobilienhändler Jonathan Harker auf Draculas Schloß eintrifft, um das Geschäft abzuschließen, entdeckt Dracula ein Bild von Jonathans Verlobter Mina, die seiner über alles geliebten Elizabeta aufs Haar gleicht. Per Schiff geht's auf nach London, während Jonathan auf Draculas eindringlichen Wunsch noch für ein paar Wochen das Schloß hütet, in dem ihm drei wollüstige Gespielinnen Draculas unfreiwillige Gesellschaft leisten. Dracula hat inzwischen Minas lebenslustige Freundin Lucy in Gestalt eines Wolfes zu seiner Geliebten gemacht, während er Mina in der Rolle eines jungen Grafen den Hof macht. Obwohl sie sich seinen Annäherungsversuchen anfangs standhaft widersetzt, erliegt sie schließlich seinem Charme. Doch Dracula bringt es nicht fertig, sie zu beißen, würde sie doch dann sein furchtbares Schicksal teilen. Derweilen machen sich Lucys zahlreiche Verehrer Sorgen um ihren somnambulen, zwischen Leben und Tod angesiedelten Zustand und bitten Dr. van Helsing um Rat. Und der erkennt sofort, wessen Werk die Male an ihrem Hals sind, zumal einer seiner früheren, in einer Irrenanstalt untergebrachten Patienten seit Wochen den "Meister" erwartet: Renfield war vor Jahren geistesgestört von einer Reise nach Transsylvanien zurückgekehrt. Jonathan ist inzwischen die Flucht aus Draculas Schloß gelungen, und er bittet Mina, sofort nach Transsylvanien zu kommen, um ihn dort zu heiraten. In seiner enttäuschten Liebe holt Dracula Lucy nun endgültig ins Reich der "Untoten". Zurück in London, wird Mina an einen sicheren Ort gebracht, während sich van Helsing mit Lucys Freunden und Jonathan aufmacht, die Verdammte und ihren Meister zu erlösen. Bei Lucy gelingt der Plan - aber Dracula hat mittlerweile Minas Versteck entdeckt. Und wieder verschont er sie aus tiefer Liebe, obwohl sie ihn drängt, sie zu seiner unsterblichen Geliebten zu machen. In diesem Moment taucht van Helsing mit seinen Männern auf, und Dracula flieht zurück nach Transsylvanien. Die Gruppe, der sich Mina angeschlossen hat, verfolgt ihn, und nachdem Mina einen letzten Kampf mit dem schon in sie eingedrungenen Bösen dank van Helsings Hilfe siegreich beendet, erfüllt sich das Schicksal Draculas in jener Schloßkapelle, in der er vor Jahrhunderten in die Tiefe der Hölle gerissen wurde.Wenn sich ein Vergleich mit einer früheren Adpation des Stoffes aufdrängt, dann fällt einem zuerst Tod Brownings Version ein, die auch weniger von ihrer Inszenierungskunst, denn von ihrer stimmungsvollen Kameraarbeit lebte. Damals wie heute war interessanterweise ein deutscher Kameramann für die fotografische Leitung verantwortlich. Der Fritz-Lang-Mitarbeiter Karl Freund setzte damals mit seinen Licht- und Schattenspielen expressionistische Akzente, während Coppola der ausgeklügelten, eher der düsteren Gothic-Horror verpflichteten Farb- und Lichtgestaltung des ehemaligen Fassbinder-Kameramannes Michael Ballhaus vertraute, der sich inzwischen, hauptsächlich gefördert durch Martin Scorsese, in die erste Reihe von Hollywoods Kameramännern vorgearbeitet hat. Coppolas Verdienst liegt in der straffen Organisation seines ausschließlich in Studios hergestellten Films und in seiner Fähigkeit, auch mit relativ technisch unaufwendigen Effekten größtmögliche Wirkung zu erzielen: so wird die Kamerafahrt durch ein Pfauenauge in einem Tunnel und zwei Einstiche "formen" sich zu Wolfsaugen. Beeindruckend wie immer in seinen Filmen die Führung der Schauspieler, mit denen er vor Beginn der Dreharbeiten wochenlang probte. So holt er auch aus der von ihrem schauspielerischen Talent eher blassen Winona Ryder das Beste heraus, und selbst der von der Rollenanlage etwas vernachlässigte Keanu Reeves kann in einigen Auftritten glänzen. Die leise Ironie, die Anthony Hopkins van Helsing gibt, steht ihm zwar gut, aber man sah ihn in letzter Zeit zu häufig auf der Leinwand, als das einem ausgerechnet diese Rolle im Gedächtnis bleiben wird. Das schauspielerische Juwel des Films ist zweifelsohne der Brite Gary Oldman, der in vielerlei Masken wieder einmal beweist, daß er einer der ganz Großen der Zunft ist. Seine beklemmende Darstellung eines in seiner Liebe gefangenen "Biestes", das keine "Schöne" erlösen kann, gehört sicherlich zu den Stemstunden des Genres. Ihm, der sich mit der Rasierklinge die Zunge anschneidet, zwecks "Blutentnahme", gelingt auch jene schmale Gratwanderung zwischen verzehrender Liebe und Lüsternheit, die Coppola allzu oft mit deftiger Freudianik und platter Lüsternheit unterläuft. Und da sein Dracula eine "Geburt der 90er Jahre" ist, dürfen die Verweise auf die Genre-Filme der 80er Jahre nicht fehlen: bei der Postkutschenjagd läßt "Indiana Jones" grüßen und wie bei den "Splatter-Movies" fließt reichlich Blut die Leinwand "hinunter". Ironie ist nicht gerade Coppolas Stärke, und so versteigt sein Film sich mehr und mehr zu einer detailverliebten Ausstattungsoper, in der die Akteure nur "vergessen" zu singen, obwohl Wojciech Kilars aufbrausender Soundtrack sie ständig an die "Bühnen-Rampe" zu treiben scheint.