Semidokumentarischer Film über das Leben geistig und körperlich Behinderter in einem Heim in der polnischen Provinz. Er unterliegt verschiedentlich der Gefahr, die Andersartigkeit der Behinderten zu verklären, wodurch sein Anliegen, Barrieren abzubauen, Schaden nimmt; dennoch ist er durch seinen hintergründigen Humor trotz seiner Schwächen ein überzeugendes Plädoyer für Verständnis und Mitmenschlichkeit. (Fernsehtitel: "Die Unnormalen")
- Ab 16.
The Abnormal - Die Unnormalen
Drama | Polen 1990 | 79 Minuten
Regie: Jacek Blawut
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Filmdaten
- Originaltitel
- NIENORMALNI
- Produktionsland
- Polen
- Produktionsjahr
- 1990
- Produktionsfirma
- Wytwórnia Filmów Oswiatowych/Sto Film/Shop-Tronik
- Regie
- Jacek Blawut
- Buch
- Jacek Blawut
- Kamera
- Jerzy Rudzinski · Tadeusz Pirog
- Schnitt
- Józefa Strzesniewska
- Darsteller
- Leszek Ploch (Musiklehrer) · Tomasz Gniatkowski (Tomek) · Mariusz Zawadzki (Mariusz) · Henryk Lange (Henio) · Katarzyna Zaboklicka (Kasia)
- Länge
- 79 Minuten
- Kinostart
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- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Alles an ihnen scheint irgendwie anders und dennoch auf eigene Art völlig in Ordnung und vertraut: "die Unnormalen", die der erfahrene Kameramann Jacek Blawut in seinem gleichnamigen Spielfilmdebüt porträtiert, sind so absonderlich nicht - trotz (oder wegen) ihrer geistigen Behinderung. Was sie, die mongoloiden Kinder einer sogenannten "Down Group" allerdings auszeichnet, sind eine staunenswerte Ursprünglichkeit und Freimütigkeit, die sie in den Augen der "Normalen" wiederum gänzlich gesellschaftsunfähig machen. Grund genug, sie aus schlechtem Gewissen in vorsorglich abgeschottete Ghettos ganz am Rande der normativen Gesellschaft abzuschieben. In diesem semi-dokumentarischen Film ist es ein weltabgeschiedenes Gut in der polnischen Provinz. Verborgen hinter hohen Mauern geht unter der sanften Obhut des Personals alles seinen gewohnten Gang. Bis eines Tages ein so ahnungsloser wie treuherziger Musiktherapeut aus dem fernen Warschau auftaucht, der mit dem Akkordeon unter dem Arm die Heiminsassen ausgerechnet mit Mozarts "Türkischem Marsch" traktiert und mühsam zu einem ordentlichen Orchester formieren will. Ein wahrlich "verrücktes" Unterfangen, das folgerichtig allein den ratlosen Pädagogen rasch aus der Fassung bringt - zum beträchtlichen Vergnügen der Zuschauer, die in den unbeholfenen Versuchen der Identifikationsfigur ihre eigenen Schwächen und Schwierigkeiten im Verständnis der "Unnormalen" miterleben.So schlüssig diese Eingangssequenz die häufig analytisch überfremdete und sozial überfrachtete Lektion "Behinderung" visualisiert, so locker und frei von peinlichem Mitleid oder missionarischem Eifer hält der gesamte Film bis zum glaubwürdigen Happ End durch. Dazwischen liegen weitgehend improvisierte Episoden und detailreiche Entdeckungen einerAlltagswelt, die vielen zumeist verborgen bleibt und den wenigen, die ihr begegnen, leicht ein falsches Bild vermittelt. Mit bewundernswerter Geduld beobachtet die Kamera Freud und Leid der Protagonisten, die sämtlich sich selbst spielen. Ob beim Musizieren, Turnen oder Theaterspiel, ob in der Heimküche oder in der Dorf-Disco bei einem der wenigen (und glatt gescheiterten) Ausflüge in die Außenwelt - nie wird ihnen dabei zu nahe getreten. Aus der deutlich spürbaren und durchaus verständlichen Absicht heraus, Barrieren abzubauen, mag der Blick auf die Psyche der Behinderten gelegentlich allerdings recht verharmlosend ausfallen. Bedenklich stimmt darüber hinaus die unterschwellige Versuchung, die fraglos faszinierende Andersartigkeit der "Unnormalen" als vermeintlich zivilisationsFerne Projektionsfläche zu verklären. Ein Beigeschmack von subtiler Vereinnahmung, der die gewiß aufrichtige mitmenschliche Zuneigung trübt. Unmittelbar berührend dagegen ist der Film in seinem hintergründigen Humor. Besonders da, wo die Abweichung von absurden Normen geradezu mustergültigen Eigen-Sinn zeigt. Wie beispielsweise beim sportlichen Wettstreit, wo einer der Konkurrenten kurzerhand aus der vorgeschriebenen Bahn ausbricht, um einem anderen wie selbstverständlich weiterzuhelfen. Eine von vielen kleinen Gesten ohne große Worte in diesem polnischen "Rain Man" (fd 27 420).
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