Tommy - Der Träumer

Kinderfilm | Kanada 1990 | 105 Minuten

Regie: Anne Wheeler

Ein zwölfjähriger Junge lebt mehr in seiner Comic-Fantasie-Welt als in der Wirklichkeit. Als er mitansehen muß, wie der Vater eines Freundes zusammengeschlagen wird, sieht er seine Stunde gekommen und überführt den Täter. Ein sorgfältig ausgestatteter und bis in die Nebenrollen hinein überzeugend besetzter Film, der geschickt die reale und irreale Welt seiner Geschichte verbindet. Mit Spannung und Humor erzählt, stellt er sich ganz auf die Erlebnisfähigkeit und Lebenserfahrung junger Zuschauer ein. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
ANGEL SQUARE
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
Rendez-Vous/Western International/National Filmboard
Regie
Anne Wheeler
Buch
James De Felice · Anne Wheeler
Kamera
Tobias A. Schliessler
Musik
George Blondheim
Schnitt
Peter Svab · Lenka Svab
Darsteller
Jeremy Radick (Tommy) · Nicola Cavendish (Tante Dottie) · Ned Beatty (Ozzie) · Jordan Singer (Sammy) · Sarah Meyette (Loretta)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Kinderfilm | Literaturverfilmung
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Diskussion
Angel Square, das ist jener Platz vor der Schule eines kleinen kanadischen Städtchens, auf dem sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Jungenbanden ihre kleinen Scharmützel liefern. Die "Gang" des 12jährigen Tommy setzt dabei mehr auf "Phantasie", um ihre körperliche Unterlegenheit gegenüber der "brutaleren" feindlichen Bande auszugleichen: kurzerhand pinkeln sie in ihre Wasserpistolen. Überhaupt lebt Tommy mehr in seiner Comic-Phantasie-Welt denn in der Realität. Jeden Morgen wacht er schweißgebadet unter einem Haufen Kriegs-Comics auf, deren Lektüre ihm wieder mal ein paar Albträume beschert hatte. Und seiner angebeteten Klassenkameradin Loretta schreibt er geheimnisvolle Briefe, die er mit "Der Mystiker" unterschreibt. Als eines Nachts der Vater seines jüdischen Freundes Sammy niedergeschlagen wird und die Polizei im dunkeln tappt, sieht Tommy seine Stunde gekommen und stellt auf eigene Faust Ermittlungen an. Nach Kriegsabenteuern beflügeln nun die Detektivstories seine Phantasie, und nachdem er einigen falschen Fährten gefolgt ist, findet er doch noch die richtige Spur und kann den Täter entlarven. Kaum hat er dieses Abenteuer bestanden, taucht er schon wieder in eine andere Welt ein: er sieht sich mit Loretta wie einst Fred Astaire und Ginger Rogers über die Tanzfläche schweben.

Geschickt vermischt Anne Wheeler die realen und irrealen Ebenen ihrer Geschichte: wenn Tommy von seinen Kämpfen im Schützengraben träumt, dann sind seine Kameraden und Feinde die Jungen von nebenan, und Comic-Schriftzüge wie "Whow" und Sprechblasen nehmen der Szenerie ihren Schrecken; wenn er sich als Detektiv wähnt, dann wechselt Wheeler in schwarz-weiße Bilder, in denen Tommy und seine Freunde wie einst Humphrey Bogart durch die "Schwarze Serie" stapfen. Als es dann zur Sache geht, vermeidet die Regie geschickt jede Übererregung ihres jungen Zielpublikums: der Überfall auf Sammys Vater ist nur knapp angedeutet und zusätzlich durch Zeitlupe verfremdet. Selbst als Tommy von dem Übeltäter verfolgt wird, bleibt der Film seinem ruhigen Erzählrhythmus treu und verfällt nicht in aufpeitschende, harte Schnittfolgen. So können die jungen Kinobesucher sich ohne übermäßige Ängste in die Situation hineinversetzen und sie gespannt miterleben.

Wie verantwortungsbewußt die Filmemacher mit ihrem Publikum umgehen, zeigt auch die zwischen ironisierender Krimimusik à la "Rosaroter Panther" und Slapstickklängen angesiedelte Musik, die wie beiläufig die Filmhandlung kommentiert. Interessant auch, daß Regie und Buch vermeiden, Tommys Rolle zu einer übermächtigen Identifikationsfigur aufzubauen. Schon äußerlich wirkt der eher pummelige Jeremy Radick nicht wie ein gestylter Kinderstar - und er zeigt auch Schwächen. Vor allem aber läßt die Geschichte auch Platz für die Nebenfiguren, die alle liebenswürdig gezeichnet sind und selbst in ihren Schrullen und "Bösartigkeiten" nie zur Karikatur verkommen oder dämonisiert werden. Anne Wheeler hat auch erkannt, daß Kinder sexuelle Träume haben und setzt dies in einer gelungenen "Verführungsszene" zwischen Tommy und der Klassen-Begehrtesten Fleurette um, ohne in den ordinären Jargon vieler Filme zu verfallen. Diese Ernsthaftigkeit, die sich bis hin zur sorgfältig rekonstruierten Ausstattung durch den ganzen Film zieht, hebt ihn weit hinaus aus dem Angebot sogenannter "Familienfilme", die es mit modischen Trends nur auf eine schnelle Mark abgesehen haben. Leider gibt die (Kino-)Realität denen recht: Filme mit Mut zur Phantasie sind nicht gefragt in einer Zeit oberflächlicher Unterhaltung. Schade!
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