Das Wunderkind Tate

Drama | USA 1991 | 99 Minuten

Regie: Jodie Foster

Als überdurchschnittlich begabtes und sensibles Kind stößt ein Siebenjähriger bei Gleichaltrigen auf Ablehnung. Zwischen der liebevollen, aber überforderten Mutter und einer ehrgeizigen Kinderpsychologin entbrennt ein Kampf um die geeignete Förderung des Jungen, der in einem für alle Seiten fruchtbaren Patt endet. Regiedebüt der Schauspielerin Jodie Foster, das sich trotz eines klischeehaften Drehbuchs packend und sehr sensibel mit dem Thema kindlicher Einsamkeit auseinandersetzt. - Ab 12 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
LITTLE MAN TATE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Orion
Regie
Jodie Foster
Buch
Scott Frank
Kamera
Mike Southon
Musik
Mark Isham
Schnitt
Lynzee Klingman
Darsteller
Jodie Foster (Dede Tate) · Dianne Wiest (Jane Grierson) · Adam Hann-Byrd (Fred Tate) · Harry Connick jr. (Eddie) · David Pierce (Garth)
Länge
99 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12 möglich.
Genre
Drama
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Diskussion
"Little Man Tate" heißt Jodie Fosters Regiedebüt im Original eine deutliche Nuance unspektakulärer als der deutsche Verleihtitel. Während des Vorspanns ertönt der in zahllosen Interpretationen vertraute Song "I get a kick out of you", ein Liebeslied, das vielleicht deshalb so populär ist, weil es die Zuneigung nicht mit irgendeiner 'liebenswerten' Eigenschaft des Gegenübers verknüpft. Mit diesem Einstieg ist der Grundtenor vorgegeben: eben nicht Zurschaustellung glanzvoller kindlicher Wundertaten, sondern filmisches Liebeslied an einen Siebenjährigen, der zu Beginn der Handlung hoffnunglos zwischen den Stühlen sitzt. Fred Tate ist äußerlich ein Kind, dabei ein begabter Maler, Pianist, Dichter, Mathematiker usw. Fred hat Magengeschwüre, weil ihm Probleme wie die Bedrohung des Regenwaldes stärker zusetzen als er es verkraften kann. Und Fred ist einsam, denn von anderen Kindern wird er als Außenseiter geschnitten. Zu seiner Geburtstagfeier erscheinen keine Gäste. Rückhalt und Wärme findet der Junge bei seiner alleinstehenden Mutter Dede, doch auch sie sieht die rasante Entwicklung ihres Sprößlings eher mit Mißtrauen und Hilflosigkeit. Ein klassisches Beziehungsdreieck ist die logische Konsequenz, als die Psychologin Jane Grierson auf den Plan tritt, die sich der Förderung hochbegabter Kinder gewidmet hat. Jane bietet Fred einen Platz in ihrem Seminarprogramm "Odyssee des Geistes" an, eine Idee, der Dede nur zögernd zustimmt. Für Fred wird die Veranstaltung zum Schlüsselerlebnis, bei dem er nicht nur endlich geistig gefordert wird, sondern den Umgang mit anderen Kindern lernt. Außerdem hat er in Jane eine enge Vertraute gefunden, die den Jungen einlädt, die Sommerferien unter ihrer Beobachtung zu verbringen und Universitätskurse zu belegen. Wiederum zieht Dede den kürzeren, die dem Sohn "nur" einen Urlaub in Miami bieten kann, wo sie einen Aushilfsjob angenommen hat. Freds Uni-Karriere beginnt mit einem kleineren Unfall, durch den er den Studenten Eddie kennenlernt, einen Kumpel Typen und Freds erste männliche Bezugsperson. Trotzdem nimmt die Sehnsucht nach Dede überhand, je mehr sich Jane als emotional unzugänglich erweist und Eddie nicht ständig verfügbar bleibt. Freds Isolation entlädt sich während einer Fernseh-Live-Talkshow, in der das "Wunderkind" die hohe Kunst der Sabotage demonstriert. Zur gleichen Zeit rettet Dede in Florida das Kind einer Freundin vor dem Ertrinken. Überstürzt verläßt sie das Urlaubsdomizil und findet Fred, der aus dem Fernsehstudio geflohen ist, in der heimischen Wohnung. Einige Zeit später: Fred feiert Geburtstag mit anderen Kindern und beiden 'Müttern', die ihre gegenseitige Ablehnung überwunden haben. Zur Créme der Hollywood-Regisseure muß man Jodie Foster nach ihrem Debüt (noch) nicht zählen. Erstaunlich ist es aber allemal, wie souverän sie den klischeebeladenen Figuren eines ziemlich mittelmäßigen Buchs Leben einhaucht. Kammerspielartig und unspektakulär entwickeln die Charaktere feinere Nuancen, als ihre ersten Auftritte (besonders die abweisende Kühle Janes) vermuten lassen. Daß die Stars Foster und Wiest bereitwillig hinter dem neunjährigen Hauptdarsteller zurücktreten, tut dem Film außerordentlich gut. Melancholie und Einsamkeit spiegeln sich in Adam Hann-Byrds Gesicht mit derselben entwaffnenden Ungezwungenheit wie Neugier und kindliche Spontaneität. Wenn Fred Tate auf der Leinwand erscheint (und das ist beinahe ständig der Falle), folgt man der Geschichte gebannt über alle Untiefen des Drehbuchs hinweg. Daß bei aller Gefühlslastigkeit Kitsch und Sentimentalität keine Chance haben, ist sicher Fosters größtes Verdienst, wobei aber auch Mark Ishams zwischen Jazz und Kammermusik angesiedelter, zurückgenommener Soundtrack eine wichtige Rolle spielt. "Little Man Tate" vermittelt einen Eindruck von den Sorgen und Nöten eines "Wunderkindes" und seiner Bezugspersonen, ohne sich als "Thesenfilm" andienen zu wollen. Kinder brauchen geistige und gefühlsmäßige Förderung - das ist nicht neu, aber für einen Liebesfilm "Botschaft" genug.
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