Bei MUBI läuft der Dokumentarfilm „Dahomey“, der bei der Berlinale 2024 den „Goldenen Bären“ gewann. Mit der Filmreihe „Familien am Rande des Nervenzusammenbruchs“ wird der Weihnachtsfilm-Kitsch konterkariert. Außerdem gibt es vier Science-Fiction-Filme des polnischen Filmemachers Piotr Szulkin aus den 1980er-Jahren zu entdecken.
Weihnachten gilt als Fest der Familie, und das spiegelt sich auch im Genre „Weihnachtsfilm“ wider: Da wimmelt es von Geschichten, in denen das Hohelied auf Familienzusammenhalt gesungen wird, Paare sich finden, voneinander entfremdete Mütter/Väter/Kinder/Großeltern sich aussöhnen und am Ende Groß und Klein in trauter Eintracht feiern. MUBI hält diesen Dezember mit einer etwas anders gelagerten Reihe an Familienfilmen dagegen: Unter dem Motto „Familien am Rande des Nervenzusammenbruchs“ geht es nicht um süße weihnachtliche Feel-Good-Konfektionsware, sondern um Filme, die sich substanzieller und vielschichtiger mit Familien und ihren Problemen auseinandersetzen.
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Mit zu der
Reihe gehört das herausragende mexikanische Drama „Tótem“, das
zwar durchaus Feiertags-Flair hat – weil es um die Vorbereitung einer großen
Geburtstagsfeier geht –, aber auch von einem großen Schmerz erzählt. Denn
derjenige, der da gefeiert werden soll, ist ein tödlich an Krebs erkrankter
Mann, der nicht mehr lange leben und für den der kommende Geburtstag wohl der
letzte sein wird. Im Mittelpunkt der Erzählung, die sich ins
Großfamilien-Treiben rund um die geplante Feier mischt, steht die kleine
Tochter des Kranken.
Zwar nicht an Weihnachten, aber an Thanksgiving spielt das ebenfalls in der Reihe präsentierte US-Drama „The Humans“ um ein unbehagliches Feiertags-Familientreffen von alten Eltern und ihren erwachsenen Kindern: Beim Abendessen in der neuen New Yorker Wohnung der jüngeren Tochter und ihres Partners stören bald unaufgearbeitete Konflikte die Stimmung. Ebenfalls Teil der Auswahl ist Lulu Wangs „The Farewell“, eine auf lakonisch-humorvolle Weise warmherzige Tragikomödie um eine junge Sino-Amerikanerin, die zu ihrer Großmutter ins ferne China fliegt, weil diese angeblich nur noch wenige Wochen zu leben hat – doch niemand will der alten Frau die Wahrheit über ihren Zustand verraten.
Über die Rückgabe von Raubkunst
Als "MUBI Exclusive" präsentiert der Arthouse-Streamingdienst ab 13. Dezember den Film, der 2024 bei der Berlinale den „Goldenen Bären“ gewonnen hat: „Dahomey“ von der Regisseurin Mati Diop. Der Dokumentarfilm kreist um die Rückgabe von Kunstwerken, die im Zuge der Bemühungen um die Restituierung sogenannter „Raubkunst“ aus der Kolonialzeit im November 2021 von Paris aus zurück in ihre Heimat Benin, wo einst das Königreich Dahomey war, gebracht und im Präsidentenpalast ausgestellt wurden.
Der Fokus liegt dabei auf der Frage, was diese Schätze und ihre Rückgabe für die Bevölkerung in Benin bedeuten, wofür Mati Diop unter anderem kontrovers geführte Debatten unter Studierenden einfängt. Zusätzlich zu dem Film sind außerdem drei Kurzfilme zu sehen, die Mati Diop ausgewählt hat.
Außerdem
erinnert MUBI an den 2022 verstorbenen Filmemacher Jean-Luc Godard. Ab 1. Dezember wird sein letztes Werk präsentiert, ein Kurzfilm mit dem kuriosen Titel „Trailer of
the Film That Will Never Exist: ‚Phony Wars‘“. Darin geht es um ein nicht mehr
umgesetztes Projekt, eine Verfilmung des Romans „Faux Passports“ (1937) von Charles Plisnier, die Godard als „Collage aus Geschichte, Politik und Kino, aus
Papier und Kleber, Gemälden und Postkarten, Musik von Dimitri Schostakowitsch
und Stille“ konzipierte. Ab 3. Dezember ist eines von Godards frühen Werken zu sehen, der Nouvelle-Vague-Klassiker "Elf Uhr nachts" mit Jean-Paul Belmondo.
Polnisches Science-Fiction-Kino der 1980er-Jahre
Wem es angesichts der politischen Entwicklungen nach Weltuntergang zumute ist, freut sich vielleicht auf einen filmhistorischen Exkurs ins polnische Kino der 1980er-Jahre. Ab 23. Dezember zeigt MUBI die sogenannte „Apokalypse Tetralogie“ des in Danzig geborenen Künstlers, Autors und Regisseurs Piotr Szulkin (1950-2018).
Der Zyklus besteht aus Werken, die sich mit unterschiedlichen Science-Fiction-Motiven auseinandersetzen: „Golem“ (1979/80) kreist ums Thema des künstlichen Menschen, angesiedelt in einer dystopischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. „Krieg der Welten: Das nächste Jahrhundert“ (1981) greift das Alien-Invasion-Motiv auf und kreuzt es mit Schreckbildern totalitärer Staatsmacht. Ebenfalls zu der Reihe gehören das Postapokalypse-Drama „O-Bi, O-Ba: Das Ende der Zivilisation“ (1984) ums Überleben auf einer nuklear zerstörten Erde sowie als Abschluss der Tetralogie „Ga-Ga: Glory of the Heros“ (1986), ein bitteres Weltraumabenteuer um Strafgefangene auf einem Gefängnis-Raumschiff und die Mission eines der Sträflinge zu einem vermeintlich unbewohnten Planeten, wo es nicht viel anders läuft als auf der Erde.
Dass sich Szulkin mit seinen Werken, die hinter Zukunftsfantasien kaum versteckt aktuelle Systemkritik am kommunistischen Regime übten, nicht gerade beliebt machte und immer wieder mit Zensur kämpfen musste, liegt auf der Hand.
Das MUBI-Programm des Monats im Überblick
1. Dezember
Trailer of the Film That Will Never Exist: Phony Wars (Kurzfilm; R: Jean-Luc Godard)
Working Girls
3. Dezember
Elf Uhr nachts
5. Dezember
Reihe „Familien am Rande des Nervenzusammenbruchs“
8 Frauen
Boy
Capernaum
Hao Are You
Das merkwürdige Kätzchen
Systemsprenger
The Farewell
The Humans
Tótem
Volver
Zuhurs Töchter
9. Dezember
La Grande Bellezza
10. Dezember
Madonnen
13. Dezember
Dahomey
+ von Regisseurin Mati Diop ausgewählte Kurzfilme:
Atlantics (R: Mati Diop)
You Hide Me (R: Nii-Kwate Owoo)
L’Avance (R: Djiby Kebe)
14. Dezember
Carol
17. Dezember
Muriel oder Die Zeit der Wiederkehr
20. Dezember
Allégorie citadine (An Urban Allegory) (Kurzfilm; R: Alice Rohrwacher)
23. Dezember
Vier Filme von Piotr Szulkin:
Ga-Ga: Glory of the Heroes
Golem
Krieg der Welten – Das nächste Jahrhundert
O-Bi, O-Ba: Das Ende der Zivilisation
28. Dezember