Am Rang des Werks der bei der Premiere 25-jährigen belgischen Regisseurin Chantal Akerman konnte schon in den 1970er-Jahren kein Zweifel bestehen, mittlerweile gehört „Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce - 1080 Bruxelles“ unzweifelhaft zu den wichtigsten Kinofilmen der Geschichte. 2022 krönte er erstmals die alle zehn Jahre neu erstellte Bestenliste der Zeitschrift „Sight and Sound“. Akerman zeigt drei Tage im Leben der etwa 40-jährigen verwitweten Jeanne (Delphine Seyrig), Mutter eines 16-jährigen Sohnes (Jan Decorte), die auch als Gelegenheitsprostituierte arbeitet. Minutiös beschreibt der Film den ritualisierten Ablauf dieser Tage, das von der Frau perfekt organisierte und geregelte Leben, das emotionslos und formalisiert abläuft und weder spontane Entscheidungen noch Abweichungen zulässt. Kleinste Störungen und Irritationen bewirken dennoch schließlich eine Eskalation.
Akerman entwickelt mit eindrucksvoller Konsequenz und Strenge das Porträt einer Frau, deren Dasein leer und entindividualisiert ist. Der von der hervorragenden Hauptdarstellerin geprägte Film erklärt sich weniger aus Handlung und Dialogen als aus dem Zwang seiner Bilder und den sich daraus ergebenden emotionalen Sogwirkungen. (O.m.d.U.) – Sehenswert ab 16.