Ein Zombie-Film aus Deutschland: Endlich unternimmt das Kino dieses Wagnis und überlässt die Untoten, unsere Ängste und Gefühlslagen, das kollektive Unbewusste, das gerade im Horror-Genrekino deutlicher als anderenorts zum Ausdruck kommt, nicht allein der Bewusstseinsindustrie Hollywoods. Tatsächlich ist „Rammbock“ ein kleiner, listiger Film, dem vieles gelingt, was andere vergeblich versuchen, und der seinen eigenen Maßstäben genügt. Ganz so deutsch ist das Ganze dann freilich doch nicht, denn Regisseur Marvin Kren und Hauptdarsteller Michael Fuith sind Österreicher.
Hubschraubergeräusche und Polizeisirenen aus der Ferne kündigen an, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist in dieser Welt. Bald vernimmt man unartikulierte Schreie, die Schlimmes ahnen lassen – eine Ahnung, die sich alsbald erfüllt, als ein Mann mit verzerrtem Gesichtsausdruck einen anderen anfällt – und sich die Ereignisse überschlagen: Weitere Infizierte tauchen auf, attackieren die Hauptfiguren Michael, einen Wiener, der in Berlin seine Ex-Freundin Gabi besuchen will, und Harper, einen jungen Handwerker. In letzter Sekunde gelingt es den beiden, sich in der Wohnung zu verbarrikadieren. Durch die Fenster zum Innenhof sehen die Eingeschlossenen Horden von zu Bestien mutierten Menschen, die Gesunde anfallen. Genau genommen, handelt es sich um „Wombies“, also nicht um untote, sondern wutgesteuerte Wesen, die sich dadurch von Zombies unterscheiden, dass sie sich schnell bewegen, nicht langsam. Zugleich lernen die beobachtenden Gesunden ihre ebenfalls zurückgebliebenen Leidensgenossen kennen, die in anderen Wohnungen in ähnlicher Lage stecken. Aus dem Radio wird man darüber informiert, dass sich eine gefährliche Epidemie ausbreite und Ausnahmezustand herrsche. Zugleich versucht Michael verzweifelt, Gabi zu erreichen.
All das wird zügig erzählt und virtuos in Szene gesetzt. Die Fähigkeit des Regisseurs, den Zuschauer auf emotionale Achterbahnfahrten zu schicken, seine Aufmerksamkeit auf immer neue Punkte zu konzentrieren, ihn auf Neues einzustellen, ist bewundernswert. Man befindet sich damit als Betrachter in ähnlicher Lage wie die Protagonisten selbst. Natürlich steht vor allem das Zombie- und Horror-Genre Pate. Die Macher – dies ist der allererste je vom ZDF co-produzierte Zombie-Film! – orientieren sich im Detail weniger an US-Vorbildern wie George A. Romero als an den besten europäischen Genre-Beispielen, etwa Danny Boyles „28 Days Later“
(fd 35 987), Yannick Dahans „La horde“ und Jaume Balagueros „[Rec]“
(fd 38 709). Es geht nicht um Exploitation, sondern um politischen Subtext und Freilegung des kollektiven Unbewussten. Zombies sind immer Metaphern einer sozialen Verwandlung. Am Genre fasziniert wie an Katastrophenfilmen die Inszenierung purer Anarchie und zivilisatorischen Zusammenbruchs, am Pandemie-Stoff der Gegensatz zwischen Innen und Außen, krank und gesund. Das Besondere an „Rammbock“ ist, dass Kren die Anarchie mit Humanität kontrastiert.
Darüber hinaus liegen weitere Vorbilder im Paranoia- und im Thriller-Kino: Natürlich wird jeder Hitchcock-Fan auch an „Das Fenster zum Hof“ (fd 3934) denken. Kren reizt nur einen kleinen Teil davon aus – „Rammbock“ hätte gut eine halbe Stunde länger sein dürfen. Im Presseheft findet Kren zudem sehr passionierte Worte für das Potenzial und die Poesie des Zombie-Genres. Darin räumt er auch mit dem verbreiteten Missverständnis auf, im Zombie-Film gehe es vor allem um explizite Gewaltdarstellungen. Vielmehr seien Zombies „eine Metapher für die hausgemachten Gefahren unserer Gesellschaft“. Dass dies zutrifft, belegt auch „Rammbock“ in beeindruckender Weise. Der Film funktioniert blendend und unterhält gut.