Es ist viel Zeit vergangen seit John Hustons „Asphalt Dschungel“ (fd 899), Jules Dassins „Rififi“ (fd 4 440) und anderen Filmen der 1950er-Jahre, denen das Genre des Einbrecherfilms seine jahrzehntelange Beliebtheit verdankte. Zu stark strapaziert und in zahllosen mediokren Filmen verschlissen, breitete sich beim Publikum die Meinung aus, Einbrüche – welcher Art auch immer – eigneten sich kaum mehr als Thema eines auf Spannung und Überraschungseffekte abzielenden Actionfilms. Wer dem Genre deshalb heute etwas abgewinnen will, muss nach Konstellationen suchen, die dem Einbruch zusätzliche Motive verleihen, die das Geschehen interessant machen. Genau das hat Roger Donaldson, an dessen Thriller „No Way Out – Es gibt kein Zurück“
(fd 26 712) man sich gern erinnert, mit „Bank Job“ getan. Er ist weder in die Falle des heute populären Effekt-Kinos getappt, noch bezieht der Film seine hauptsächliche Faszination aus den – sattsam bekannten – Details des Bankraubs, der in seinem Mittelpunkt steht. Die Bestandteile des guten alten Einbrecherfilms sind alle da, aber das Geschehen erschöpft sich nicht in ihnen. Natürlich hat der Bankraub seine Komplikationen, die das Gelingen in Frage stellen, doch aufs Ganze gesehen wickelt er sich in Donaldsons Film erstaunlich rasch ab. Was „Bank Job“ von anderen Versuchen, das Genre wiederzubeleben, unterscheidet, ist das Geschehen, das sich drum herum abspielt.
Die Handlung basiert auf einem tatsächlichen Kriminalfall, genauer gesagt: auf einem Einbruch in die Londoner Lloyd’s Bank, den in England kaum jemand vergessen hat, obwohl er inzwischen fast 40 Jahre zurückliegt. Als „Walkie Talkie Robbery“ bekannt, hat das Delikt vor allem deshalb Berühmtheit erlangt, weil es 1971 tagelang die Schlagzeilen gefüllt hat, dann aber mit einem unerklärlichen Mantel des Schweigens zugedeckt wurde und gleichsam über Nacht von den Titelseiten der Boulevardzeitungen und aus den Nachrichtensendungen des Fernsehens verschwand. Der Fall wurde zum Mythos und gab in der Folgezeit zu ominösen Vermutungen und Verdächtigungen Anlass. Auch wer nicht im London der Margaret Thatcher gelebt hat und sich für Scotland Yard hauptsächlich bei der Lektüre von Kriminalromanen interessiert, wird kaum umhin können, die Kette von Umständen und Motivationen, mit denen „Bank Job“ die eigenartige Story nun aufbereitet, als durchaus passable und in den historischen Kontext passende Spekulation zu würdigen. Der Black-Power-Aktivist Michael X ist in den Besitz diskriminierender Fotos von Prinzessin Margaret geraten, die er für seine Zwecke zu nutzen gedenkt. Die Fotos liegen wohlverwahrt in einem Schließfach der Lloyd’s Bank. Als eine unvergessene Ex-Freundin ihrem inzwischen sesshaft gewordenen Geliebten, der mittlerweile nicht sehr erfolgreich und auch nicht sehr ehrlich mit Gebrauchtwagen handelt, den unwiderstehlichen Tipp gibt, durch einen unterirdischen Tunnel in die Bankfiliale einzubrechen, denkt dieser nur an Geld, Juwelen und schnellen Reichtum. Von dem Doppelspiel, das seine Ex-Freundin betreibt, und davon, dass in Wirklichkeit auch Regierungsbeamte und eine Reihe finsterer Gestalten danach fiebern, den Inhalt eines ganz bestimmten Safes in der Bankfiliale in die Hände zu bekommen, ahnt er nichts. Es sind diese auch dem Zuschauer im Kino erst langsam und bruchstückhaft mitgeteilten Umstände, die „Bank Job“ spannender machen als der mit Spaten und Pressluftbohrer ausgeführte Einbruch selbst. Obwohl die Bankräuber-Story jederzeit gegenwärtig ist, garniert Donaldson sie so geschickt mit den sich mosaikartig zusammenfügenden Partikeln der erfundenen – oder vermuteten – Motive, die sie umgeben, dass die Fantasie des Publikums ständig beschäftigt bleibt, auch wenn das Interesse an der Rekrutierung der für den Einbruch erforderlichen Ganoven und am Fortschritt der unterirdischen Wühlarbeit zu erlahmen droht. Die Moral der englischen Gesellschaft jener Zeit – der königlichen ebenso wie der bürgerlichen und anti-bürgerlichen – steht auf Dauer mehr im Zentrum des Films als die altmodische Einbrechergeschichte, mit deren Versprechungen man ins Kino gelockt worden ist.