Die Suche nach dem Sinn des Lebens und der Fortexistenz nach dem Tod ist Thema des auf drei Zeitebenen spielenden Films. Ausgehend von den fieberhaften Bemühungen eines Onkologen, den Wettlauf gegen den Tod seiner geliebten Frau zu gewinnen, entdeckt der Film Parallelen in den Mythen und Philosophien anderer Zeiten und Kulturkreise, bis hin zu einer 500 Jahre in der Zukunft angesiedelten Vision von der Vollendung des Lebens im ewigen Kreislauf des Kosmos. Ein komplexer, bildstarker Versuch, das menschheitsbewegende Thema durch die Allegorien und Symmetrien der ineinander verwobenen drei Geschichten auf sehr individuelle Weise für ein an Fantasy-Filmen geschultes Publikum aufzubereiten.
- Sehenswert ab 16.
The Fountain
Fantasy | USA 2006 | 98 Minuten
Regie: Darren Aronofsky
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE FOUNTAIN
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Warner Bros./Regency Ent./New Regency Pic./Epsilon Motion Pic./Protozoa Pic.
- Regie
- Darren Aronofsky
- Buch
- Darren Aronofsky
- Kamera
- Matthew Libatique
- Musik
- Clint Mansell
- Schnitt
- Jay Rabinowitz
- Darsteller
- Hugh Jackman (Tomas/Tommy/Tom Creo) · Rachel Weisz (Isabel/Izzi Creo) · Ellen Burstyn (Dr. Lillian Guzetti) · Mark Margolis (Father Avila) · Stephen McHattie (Großinquisitor Silecio)
- Länge
- 98 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Fantasy
- Externe Links
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Heimkino
Die aufwändig ausgestattete und verarbeitete "Special Edition" (2 DVDs) überzeugt durch das fünfteilige umfangreiche "Making of" (60 Min.), den Storyboard/Film-Vergleich (16 Min.) sowie die separat zu zehn Filmszenen (ohne die Atmo) abrufbare Filmmusik. Desweiteren enthält die Edition ein ausführliches Booklet (52 Seiten) mit Produktionsnotizen. Die auch im internationalen Vergleich führende Edition ist mit dem Silberling 2007 ausgezeichnet.
Diskussion
Seit Beginn der Menschheitsgeschichte ist die Suche nach dem Sinn des Lebens, sind die Fragen nach der eigenen Sterblichkeit und einer – wie auch immer gearteten – Fortexistenz nach dem Tod beherrschendes Thema aller Künste. Sogar der Hollywood-Film hat sich ihnen nicht entziehen können. Von „Ghost – Nachricht von Sam“ (fd 28 562), „Stadt der Engel“ (fd 33 236) und „Hinter dem Horizont“ (fd 33 437) bis zu „The Sixth Sense“ (fd 34 020) und „Matrix“ (fd 33 720) hat es auch in jüngerer Zeit immer wieder Autoren und Regisseure gegeben, die – mit unterschiedlichem Anspruch – die Schematik amerikanischer Genrefilme unterliefen und einem Sujet Gehör verschafften, das gemeinhin als kommerzielles Gift gilt, obwohl es einen jeden im Publikum betrifft wie kaum ein anderes Thema. Darren Aronofsky hat nicht nur stets eine Affinität für das Befassen mit Angst einflößenden, existenziellen Grenzsituationen gezeigt, sondern auch eine Bereitschaft, in Sphären vorzustoßen, in die ihm kaum ein anderer Filmemacher, geschweige denn das große Publikum folgen mochte. Er spricht selten von Vorbildern, nennt allenfalls immer wieder Stanley Kubrick, gesteht aber eine Faszination für den Science-Fiction-Film. Wenn ein Regisseur wie Aronofsky sich in selbst gewählter Ausschließlichkeit der Suche nach dem Sinn des Lebens widmet, darf man von vornherein einen unkonventionellen Film erwarten, dessen visuelle Metaphern und Allegorien dann auch tatsächlich harter Gedankenarbeit auf der Seite des Zuschauers bedürfen, die heutzutage im Kino kaum noch jemand leisten mag. Auf Aronofsky muss man vorbereitet sein; sonst ist „The Fountain“ nichts als ein esoterischer Außenseiter zwischen spekulativen Effektfilmen, die gleichzeitig in den Kinos nebenan um das Publikum wetteifern.
Schon die formale Konzeption macht es nicht leicht, in die Fantasiewelt von Darren Aronofsky einzutauchen. So universell und die Jahrtausende beherrschend das Thema seines Films ist, so wagemutig siedelt er die Story in einer Zeitspanne an, die sich vom 16. Jahrhundert über die Gegenwart bis ins 26. Jahrhundert erstreckt. Die Machtkämpfe am spanischen Hof und die Suche eines von Königin Isabella beauftragten Konquistadoren nach dem geheimnisvollen Baum des Lebens der im „neuen Spanien“ beheimateten Urbevölkerung gehen nahtlos in die verzweifelten Bemühungen eines Onkologen in einem modernen Laboratorium über, der fieberhaft nach einem Heilmittel gegen Krebs sucht, um seiner an einem Gehirntumor sterbenden Frau in letzter Stunde zu helfen. Das Motiv des Baums kehrt wieder, Ursprung allen Lebens, Quelle ewiger Jugend: Der Extrakt eines in Südamerika entdeckten Baums verspricht Hoffnung im Kampf gegen den Tumor. Die Hauptfiguren beider Handlungen sind dieselben. Sie finden sich zum dritten Mal in ferner Zukunft wieder, wo derselbe Baum wie eine auf das Essenzielle reduzierte Mikroschöpfung in einer Art Fruchtwasserblase im Weltall schwebt: geheimnisvolles Versprechen der Vereinigung mit dem endlosen Kreislauf des Kosmos. Diese verkürzte „Inhaltsangabe“ macht deutlich, dass sich Aronofskys Film ebenso nachdrücklich der Summierung in wenigen Sätzen widersetzt wie etwa Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ (fd 15 732). Lässt man sich hingegen darauf ein, auf eine herkömmliche Chronologie zu verzichten und den Sinn des Films vielmehr in der Symmetrie der Geschichten, in den gedanklich ineinander greifenden Verklammerungen zu suchen, so wird schnell klar, dass es hier um kein geringeres Unterfangen als die höchst individuelle Illustration einander ähnlicher Mythen und Philosophien aus verschiedenen Überlieferungen und Kulturkreisen geht. Von den Schilderungen im biblischen Buch Genesis und dem buddhistischen Glauben an die Wiedergeburt bis zur Suche des Ponce de León nach der Quelle des Lebens und der Mythologie der Mayas verarbeitet Aronofsky spirituelle und religiöse Motive zu einem, wenn man so will, Fantasy-Film, der aus all den unterschiedlichen, die Jahrhunderte überdauernden Vorstellungen von Sinn und Ziel der menschlichen Existenz etwas Gemeinsames herauszufiltern versucht. „Die Konnektivität ist das Herz meines Films“, hat Aronofsky gesagt. Erleichtert wird dem Zuschauer das Eindringen in die verschachtelte Handlung dadurch, dass die Geschichte immer wieder in die Jetztzeit zurückkehrt, in der sie ihr auslösendes und auch emotionales Zentrum findet. Je länger der Film dauert, umso deutlicher wird, dass es sich um einen Zyklus handelt, der sich immer offensichtlicher im Kreis bewegt: Das Ende ist im Anfang und der Anfang im Ende grundgelegt. Die metaphysische Komponente der Handlung bestimmt die ganze filmische Konzeption. Das narrative Kino ist nur noch im Grundmuster der drei Storylines gegenwärtig.
Alles Wesentliche vollzieht sich hingegen durch die Verflechtung der Geschichten, durch optische Metaphern, die in verschiedenen Gestalten wiederkehren, und durch poetische Bildfolgen, die in Struktur und Inhalt überraschende, aber immer konsequentere Entsprechungen entstehen lassen. Der zyklischen Erzählweise gehorchen sämtliche Gestaltungsmittel von der Fotografie und dem Schnitt bis zur Musik, die eine minimalistische Tonreihe mit geradezu hypnotischem Effekt variiert. Wie stets bei Aronofsky ist der Film in düsteren Farben gehalten, unter denen schwarz, braun und grün beherrschend sind. Die wenigen Augenblicke, in denen Licht durchbricht, sind umso wirkungsvoller, gleißend und blendend in ihrer plötzlichen Klarheit: die Überwindung der Furcht vor dem Tod. Am beeindruckendsten sind die im heutigen Filmschaffen ungewöhnlichen extremen Großaufnahmen, die kalkuliert die Parallelen in den erzählten Geschichten akzentuieren. Es sind Bilder, wie man sie seit Carl Theodor Dreyers „Passion der Jungfrau von Orléans“ (fd 2876) kaum mehr gesehen hat.
Im Zeitalter digitaler Effekte würde man erwarten, dass sich Aronofsky zumindest für die in der Zukunft angesiedelten Szenenfolgen aller Möglichkeiten bedient hätte, die die heutige Technik bereithält. Weit gefehlt. Es gibt nur ganz wenige computererzeugte Bilder. Es ist vornehmlich „altmodische“ Licht- und Aufnahmetechnik, verbunden mit Vergrößerungen mikroskopischer chemischer Prozesse, aus der er sein Universum aufbaut. Die Entscheidung, es so zu machen, hatte nichts mit Zwängen des zur Verfügung stehenden Budgets zu tun, sondern ausschließlich mit Aronofskys Überzeugung, die spirituelle Exploration, auf die es ihm ankam, mit so ehrlichen Mitteln wie möglich auf die Leinwand bringen zu müssen. Wie er eine Szene ausleuchtet, wie er Personen und Gegenstände arrangiert oder wie er die Kamera bewegt, erweist sich bei wiederholtem Sehen als ein Leitfaden für die Konnektivität, von der er redet. Er selbst spricht von einem Stil, den er „cruciform“ nennt: Bewegung im Raum in der Form eines dreidimensionalen Kruzifixes. Diese organische Ordnung, aus der sich die Verbindungslinien zwischen den drei Zeitebenen auch optisch herstellen, wäre zerstört worden, hätte sich Aronofsky von der Perfektion digitaler Effekte verlocken lassen. In Kauf nimmt er dabei, dass manches nicht mehr neu wirkt, dass man gelegentlich an „Barry Lyndon“ (fd 19 995) oder „2001“, an David Bowie und vor allem an Darstellungen der New-Age-Spiritualität denken muss. Aronofsky will kein Neuerer um jeden Preis sein. Er geht durchaus geschmackliche Wagnisse ein, bei denen ihm sicher nicht jeder Zuschauer folgen mag.
Thomas (manchmal auch Tom, Tommy oder Tomás) Creo heißt der Held: spanisch für „ich glaube“. Aronofsky hat ihn wohl kaum zufällig so genannt. Schon der Name steht symbolhaft für die ganze Geschichte. Zweifel auf der einen, Zuversicht auf der anderen Seite, versinnbildlicht der „Held“ die beiden Pole, die den Menschen von jeher umgetrieben haben. In ihnen manifestieren sich die Grundfesten des Films. Das Abbild des zwischen Hoffen und Suchen verstrickten Menschen eint die disparaten Quellen, aus denen er sich speist. Wenn der Film zu Ende geht, wirkt es gar nicht mehr so weit hergeholt, dass hier Philosophien und Mythen höchst unterschiedlicher Entwicklungsphasen der Menschheit zusammengebracht werden. Hinter ihnen allen steht der Glaube als einigende Kraft.
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