Widerwillig reist eine Wahl-Stockholmerin zur Geburtstagsfeier ihres Vaters in die schwedische Provinz, wo sie mit ihrer Vergangenheit sowie ihrer Familie konfrontiert wird, die den schönen Schein eines ausgefüllten Lebens wahrt, obwohl sich ihre Träume und Hoffnungen nicht erfüllt haben. Facettenreiche Tragikomödie mit typisierten Figuren, die genügend Spielraum zur Ausformung als individuelle Persönlichkeiten haben. Die visuell wie inszenatorisch abwechslungsreiche und kunstvolle Aufbereitung des Lebens mutet mitunter freilich etwas wie ein Szenario unter Laborbedingungen an.
- Ab 16.
Zurück nach Dalarna!
Tragikomödie | Schweden 2004 | 98 Minuten
Regie: Maria Blom
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Filmdaten
- Originaltitel
- MASJÄVLAR
- Produktionsland
- Schweden
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Memfis Film
- Regie
- Maria Blom
- Buch
- Maria Blom
- Kamera
- Peter Mokrosinski
- Musik
- Anders Nygårds
- Schnitt
- Petra Ahlin · Michal Leszczylowski
- Darsteller
- Sofia Helin (Mia) · Kajsa Ernst (Eivor) · Ann Petrén (Gunilla) · Barbro Enberg (Barbro) · Joakim Lindblad (Jan-Olof)
- Länge
- 98 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Die Heimkehr zählt zu den beliebtesten Motiven des komischen wie des dramatischen Kinos. Entlang der Biografien vieler Filmemacher erfolgt die halbfreiwillige Rückkehr meist aus der Stadt in die Provinz; gerne nach vielen Jahren, aufgrund eines festlichen oder traurigen Anlasses und ursprünglich nur für kurze Zeit geplant. Der kulturelle Konflikt, das Gefälle zwischen den unterschiedlichen Milieus, ist dabei oft mit inneren Konflikten korreliert. Persönliche Lebenskrisen und familiäre Streitigkeiten begleiten die Reise in die Vergangenheit, bis hin zur schmerzhaften Lebensinventur. Ungesagtes, Unvergessenes drängt an die Oberfläche und wird zum Motor des weiteren Geschehens. Auch in Maria Bloms Tragikomödie „Zurück nach Dalarna!“ artet die Feier anlässlich des 70. Geburtstags des Vaters zu einer Generalabrechnung aus. Nach 15 Jahren kehrt Mia zum ersten Mal aus Stockholm wieder „nach Hause“ in die schwedische Wintermärchenlandschaft zurück. Doch anders als bei Thomas Vinterberg „Das Fest“ (fd 33 486) wird bei Blom miteinander gestritten, und auch die Fronten sind weniger übersichtlich. Wechselseitige Ansprüche und Vorhaltungen verknoten sich zu einem tückischen moralischen Knäuel, in das sich alle Figuren auf im Grunde rührende Weise verheddern. Bitterböse, sarkastische Momente folgen in der facettenreichen Inszenierung auf amüsante, charmant-ungelenke Begegnungen. Mal humorvoll milde, mal spöttisch scharf streicht Blom Missverständnisse und gärende Konflikte heraus. Bei aller Härte schwingt immer ein Grundverständnis, eine Art Ursympathie mit den knorrigen Einwohnern Dalarnas mit und eine allen Boshaftigkeiten zum Trotz hoffnungsfrohe Menschenliebe. Zwar erst mit letzter Kraft und im Vorschein des Todes, aber dann eben doch, gelingt es den Protagonisten, ihre vertrackten Beziehungsstrukturen ein wenig zu entwirren.
Mia hat sich in Stockholm gerade ein schickes neues Appartement geleistet. Ihre Karriere ist in voller Fahrt; am Wochenende stürzt sie sich – heimlich einsam – ins großstädtische Nachtleben. Dass sie schwanger ist, kommt ihr ebenso ungelegen wie das Geburtstagsfest ihres Vaters. Eigentlich hat sie nur mit einer kleinen Feier im engsten Familienkreis gerechnet. Doch ihre Schwester Eivor hat fast das gesamte Dorf zu einem großen, penibel durchorganisierten Fest eingeladen. Mia trifft Schulkameradinnen, die sie nicht wiedererkennt. Die Alteingesessenen begegnen ihr mit einer Mischung aus Neid, Herablassung und Ignoranz. Niemand scheint sich für ihr Leben zu interessieren. Einzig bei ihrer Wahltante Barbro fühlt sie sich verstanden. Deren Sohn Jan-Olov, für den Mia als kleines Mädchen schwärmte, geht stramm auf die Vierzig zu und wohnt noch immer bei der Mutter. Mia registriert das verächtlich herablassend, ohne zu spüren, dass Jan-Olov, zehn Jahre nach dem Selbstmord seines Vaters, ebenfalls auf einen Zusammenbruch zusteuert. Auch ihre beiden Schwestern, Eivor und Gunilla, sind Mia fremd geworden. Eivor mimt die perfekte Hausfrau, Mutter und Tochter, die stets alles unter Kontrolle hat. Sie kann sich selbst ebenso wenig eingestehen, dass sie sich dabei oft unglücklich fühlt, wie sie Mia einen anderen Lebensweg nicht zubilligen mag. Gunilla hat sich kürzlich scheiden und im fernen Bali von einem deutlich jüngeren Mann verführen lassen, was sie jedem auf die Nase bindet, der ihr über den Weg läuft.
Autorenregisseurin Maria Blom verleiht ihren Figuren charakteristische Typen-Konturen. Dadurch bringt sie die Auseinandersetzungen in Gang, in denen sich viele Zuschauer wiedererkennen dürften. Dennoch legt sie kein allzu enges Korsett an und lässt ihren Darstellern einen gewissen Spielraum, ihre Figuren als individuelle Persönlichkeiten auszugestalten. Eine Chance, die das gute Ensemble dankbar nutzt. Den tragikomischen Balanceakt zwischen karikierender Distanz und emphatischer Nähe wagt auch Bildregisseur Peter Mokrosinski, indem er von bizarren Untersichten und grotesk verzerrenden Weitwinkelnahaufnahmen immer wieder zu ruhigen, klaren Aufnahmen zurückfindet. Ähnlich vielfältig, ähnlich widersprüchlich beschreibt Blom das Verhältnis der drei Schwestern zueinander. Auch wenn Mia als die eigentliche und idealschöne Heldin des Filmes erscheint, schlägt sich die Inszenierung im Streit der Schwestern nicht auf ihre Seite. Alle drei haben irgendwie Recht und Unrecht zugleich, sind – auf unterschiedliche Weise – engstirnig und intolerant. Und obwohl man für alle Verständnis aufbringt, kann man keine einzige so richtig verstehen. Das Szenario präsentiert sich wie eine sorgfältig ausgeklügelte dramaturgische Anordnung unter idealen (Kino-)Laborbedingungen. Die Konflikte der Dörfler kumulieren punktgenau zu einem jener mystischen Tage, die es so nur im Film gibt. Beim Versuch, das wahre Leben kunstvoll verdichtet einzufangen, hat Blom es in ihren Film eingesperrt. Das aber ändert freilich nichts daran, dass eine Menge von diesem in ihm steckt.
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