Das Problem der meisten Superhelden ist ihre Unsterblichkeit. Filmisch gesehen ist diese Eigenschaft recht langweilig, weil sie Super-, Bat- oder Spiderman zwingt, auch nach dem Showdown weiter in den Sonnenuntergang zu fliegen. Ähnliches gilt für ihre Gegenspieler, die in der Regel als Schurken ebenfalls „super“ sind, weshalb sie das Ende nicht überleben. In Filmen um Superhelden müssen demnach die Randbedingungen für Spannung sorgen, woran Pro- und Antagonisten allenfalls ornamental beteiligt sind. Deshalb ist hier mehr als andernorts Ideenreichtum gefragt, was im Falle des Comic-Zeichners und Autors Mike Mignola in sehr spezifischem Sinne gegeben ist – seine guten oder bösen Kreaturen sind das Resultat eines realen Monsters.
Der Zweite Weltkrieg liegt in den letzten Zügen. Hitler sieht nur noch eine Chance, das Blatt zu wenden: Er beschwört okkulte Mächte, und so steht bald der Magier Rasputin in einer stürmischen Winternacht des Jahres 1944 in den schottischen Highlands, um das Tor zur Hölle aufzustoßen. Mit Hilfe der Wesen aus der Unterwelt soll die Welt unterjocht werden. Doch das Werk gelingt nur zum Teil, weil Prof. Trevor „Broom“ Buttonholm, Leiter des von USPräsident Roosevelt ins Leben gerufenen „Bureau for Paranormal Research and Defense“ (B.P.R.D), ebenfalls vor Ort ist, um den Ritus zu durchkreuzen. Mit letzter Kraft kann er Hitlers Meisterkämpfer Kroenen ausschalten und zusammen mit dem Magier ins offene Höllentor stoßen. Die Welt scheint gerettet. Nur einem einzigen, sehr kleinen Wesen gelingt der Übertritt ins Diesseits; Broom nimmt es unter seine Fittiche und nennt es Hellboy.
Diese Exposition ist ebenso absurd wie prägend, denn das Spiel mit real existierendem, wenn auch stark abstrahiertem Schrecken gibt dem Szenario eine bedrückende Stimmung, die unabhängig vom vorhersehbaren Wirken der Protagonisten virulent bleibt. Jahrzehnte später ist Hellboy zu einem mächtigen, Steinfaust bewehrten Hünen herangewachsen. Buttenholm leidet unter der Last, der greise Vater eines roten Monsters zu sein, das von Identitätsfragen innerlich zerrissen wird. Hellboys Gefühlsausbrüche schwanken zwischen Fatalismus und Zynismus, während er zunehmend verhaltener für die Menschheit und gegen seine alte Heimat Partei ergreift. Zusammen mit Abe Sapien, einem intelligenten amphibienartigen Meerwesen mit seherischen Fähigkeiten, bildet Hellboy den Kern des B.P.R.D.-Büros im Kampf gegen das Böse, das insgeheim schon längst zum Gegenschlag ausholt: Sammael, der Dämon der Wiedergeburt, treibt sein Unwesen in der Stadt. Auch Rasputin und Kroenen ist der Wiedereintritt in die Welt gelungen, um das von Hitler versprochene Zeitalter des Chaos doch noch zu initiieren.
Es sind die Sidekicks, die einer Superhelden- Geschichte Leben einhauchen. Zu ihnen baut man emotionale Bindungen auf, mit ihnen leidet man, wenn sie in Gefahr geraten, und bei ihnen greift die Frage nach Leben oder Tod. Mit John Hurt als Broom gelang Guillermo Del Toro dabei ein Glücksgriff. Ähnlich wie Ian McKellen in „Der Herr der Ringe“ ist Hurt die weise Vaterfigur des Films, deren Understatement der Rolle des Professors die nötige Glaubwürdigkeit und den Ernst verleiht, der nötig ist, um einer derartigen Fantasy-Geschichte Bodenhaftung zu geben. Selma Blair spielt Hellboys heimliche Liebe Liz Sherman. Ihr ebenfalls mit übermenschlichen Fähigkeiten versehener, dadurch aber extrem bedrohter Charakter steht für die melodramatische Ebene der Geschichte. Was leicht ins Kitschige hätte abgleiten können, wird dank Blairs zwischen somnambuler Verletzlichkeit und aufflackerndem Lebenswillen dezent ausgearbeiteten Rolle zu einem wichtigen Spannungselement. Jeffrey Tambor schließlich bildet als chronisch zweifelnder FBI-Chef Manning mit seinem mimischen Vexierspiel die einzige nicht berechenbare Unbekannte des Films. Del Toro, der bereits mit „Cronos“, „Mimic“ (fd 33 011) und „Devils Backbone“ (fd 35 766) hervorragende Genrefilme schuf, ist es zu verdanken, dass der Film eine Seele bekommt, denn er verzichtet auf ausufernde Computeranimationen und bekennt sich zum Handwerk des Maskenbildens. Wenn die Bilder trotzdem einmal aus dem Computer kommen, sind sie dem „Herr der Ringe“ sehr nahe. Die größte Trumpfkarte ist jedoch der Superheld selbst: Ron Perlman ist nicht nur dank der Maske dem Comic-Original ausgesprochen ähnlich; auch vermag er sich persönlich derart zurückzunehmen, dass er mit seiner Figur nahezu verschmilzt. Das merkt man besonders angesichts der diffizilen Ironie, die in vergleichbaren Filmen wie „Blade“ (fd 33 430) oder „Catwoman“ (fd 36 646) in Überheblichkeit umschlägt. Bei Perlman passiert dies nicht; hier zelebriert die Rolle den Sarkasmus und nicht den Star. So ist „Hellboy“ einer der wenigen Superhelden- Filme, in dem der Superheld nicht das Problem ist, was ihn zu einem der interessantesten Beiträge dieses Genres macht.