Year Of The Horse - Neil Young & Crazy Horse Live

Musikfilm | USA 1997 | 107 (TV 93) Minuten

Regie: Jim Jarmusch

Nachdem Neil Young für Jim Jarmuschs Western "Dead Man" die stilprägende Musik geschrieben hatte, bedankte sich der Filmemacher bei dem befreundeten Musiker mit der Dokumentation einer Konzerttournee: Live-Passagen stehen neben Interviews und Backstage-Impressionen. Die auf Super-8, 16mm und Hi-8 gedrehten Szenen wurden durch älteres Archivmaterial aus den Jahren 1976 bis 1986 ergänzt. Aus Respekt vor der Musik werden die einzelnen Stücke ausgespielt. Jarmuschs Inszenierungsstil kommt dem Gestus der Musik sehr nah: geradlinig, ohne modischen Firlefanz. Ein Musikfilm im besten Sinne des Wortes, der seinen Platz in der Filmgeschichte finden wird. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
NEIL YOUNG & CRAZY HORSE LIVE | YEAR OF THE HORSE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
October Films International/Shakey Pictures
Regie
Jim Jarmusch
Buch
Jim Jarmusch
Kamera
L. A. Johnson · Jim Jarmusch
Musik
Neil Young · Crazy Horse
Schnitt
Jay Rabinowitz
Darsteller
Billy Talbot
Länge
107 (TV 93) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Musikfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt/Arthaus (1.66:1, DD5.1 engl.)
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Diskussion
Neil Young – der Mann ist Legende. Mit Stephen Stills Gründungsmitglied der Country-Folk-Band „The Buffalo Springfield“, später Triumphe mit „Crosby, Stills, Nash & Young“, parallel dazu ein erfolgreiche Solokarriere sowie Arbeit am musikalischen Langzeitprojekt „Crazy Horse“. Vor allem diese Band verschaffte ihm den Ruf des „Godfather of Grunge“ und führte u.a. zu einer gemeinsamen Konzerttournee mit den ihn verehrenden Youngsters von „Pearl Jam“ (die aus rechtlichen Gründen dafür sogar ihren Namen verleugneten). Neil Young wird heute generationsübergreifend verehrt. Seine Musik ist stilistisch so breit gefächert, dass man ihr in marihuanaschweren Clubkellern ebenso begegnen kann wie auf Trucker-Parties oder als Hintergrundberieselung im Supermarkt. Beliebig ist der Musiker dabei nie geworden. Im Gegenteil: Welchem Genre er auch gerade huldigt, er tut dies stets mit Leib und Seele, handele es sich dabei um Country, Folk, Blues, Soul, Rock’n’Roll oder elektronischen Experimenten. „Nur wer sich wandelt, der bleibt sich treu.“ Neil Young gehört zu den wenigen Künstlern, auf die dieser Spruch wirklich zutrifft. Die Eckdaten seiner Laufbahn scheinen dabei landläufig bekannt zu sein. Dass der 1945 in Toronto geborene Musiker einer langjährigen Liebe zum Kino frönt, hat sich bislang weniger herumgesprochen. Unter dem Pseudonym Bernard Shakey produzierte er die Konzertfilme „Rust Never Sleeps“ (fd 22 589), „Muddy Track“ (1986) und schließlich „Year of the Horse“ (1997). Das kurioseste Produkt seiner Firma „Shakey Pictures“ bleibt indes der Spielfilm „Human Highway“ (1982), bei dem Young/Shakey sogar Regie führte und an der Seite von Dennis Hopper, Dean Stockwell und den Mitgliedern der Avantgarde-Rockband DEVO die Hauptrolle spielte. Diese bizarre, in einer einsamen Raststätte spielende Anti-Atomkraft-Revue gelangte leider nie in die hiesigen Kinos und ist auch in Videotheken kaum zu finden. Im Kino präsent war Neil Young hingegen immer wieder durch diverse Soundtracks; für den Titelsong von Jonathan Demmes „Philadelphia“ (fd 30 662) erhielt er sogar eine „Oscar“-Nominierung. 1995 dann die konsequent reduzierte, doch stilprägende Musik zu Jim Jarmuschs kafkaeskem Western „Dead Man“ (fd 31 716). Diese Zusammenarbeit markiert den Beginn einer wunderbaren Künstlerfreundschaft. „Year of the Horse“, das greifbarste Ergebnis der Kollaboration, startet nun mit vierjähriger Verspätung, doch pünktlich zur aktuellen Neil-Young-Tournee, in unseren Kinos. Jarmusch hat Neil Young & Crazy Horse 1996 auf deren US- und Europatournee begleitet. Konzertpassagen stehen neben Interviews und Backstage-Impressionen. Diese auf Super-8, 16mm und Hi-8 gedrehten Szenen wurden durch älteres Archivmaterial aus den Jahren 1976 bis 1986 ergänzt. Dadurch kommen auch die verstorbenen Wegbegleiter Danny Whitten (1942–1972) und David Briggs (1944–1995) ins Bild und zu Wort. Sein Respekt vor der Musik gebietet Jarmusch, die einzelnen Stücke in voller Länge auszuspielen und nicht bloß kurz anzureißen (das Übel der meisten Musikfilme). Sein Inszenierungsstil kommt dem Gestus der Musik sehr nahe: geradlinig, ohne modischen Firlefanz. Der Filmemacher benutzt seine handliche Kamera selbst wie ein Musikinstrument und wird auf diese Weise quasi zum fünften Mitglied von „Crazy Horse“. Die Musiker wiederum ziehen nicht einfach ein schon hundertfach absolviertes Programm durch, sondern geben sich der Eigendynamik ihrer Verständigung hin. Man merkt bereits nach wenigen Minuten, welch hohes Maß an künstlerischer Seelenverwandtschaft sich auf der Bühne entfaltet. Leiseste Schwingungen werden gegenseitig wahrgenommen, korrespondieren miteinander und bauen sich zu Interferenzen auf, die ihre Energien schließlich in gewaltigen Eruptionen entladen. Es macht Spaß, diese nun nicht mehr so jungen Männer bei ihrer Arbeit zu beobachten. In schlichte T-Shirts und Jeans gekleidet, schlecht rasiert und mit Haaren, wie sie eben so wachsen, verkörpern sie mehr Präsenz, als dies alle computergestützten Shows weitaus jüngerer Kollegen vermögen. Statt auf Stroboskopgewitter und Laserkanonen vertrauen Crazy Horse auf wenige Scheinwerfer und auf Kerzen. „Year of the Horse“ konzentriert sich ganz auf diese Musik und auf das Phänomen ihrer Originalität. Auch die Interviews sind diesem Prinzip untergeordnet. Selbst wenn sich Neil Youngs Vater Scott (in Kanada ein namhafter Autor und Sportjournalist) vor der Kamera äußert, geht es dabei wieder primär um die Musik und Einblicke in private Zusammenhänge werden ausgespart. (Wer darauf erpicht ist, sollte auf Scott Youngs Buch „Neil and me“ zurückgreifen.) So erweist sich „Year of the Horse“ als Musikfilm im besten Sinne des Wortes, der seinen Platz in der Filmgeschichte neben Klassikern wie „Stop Making Sense“ (fd 24 845) mit den Talking Heads oder Laurie Andersons „Home of the Brave“ (fd 25 670) finden wird. Die ausufernden Rückkopplungsorgien und typisch Youngschen Gitarrensoli werden freilich bei Liebhabern harmloser Popmusik ebensowenig auf Gegenliebe stoßen wie die grobkörnige Wackelkamera Jarmuschs bei konventionellen Kinogängern. Aber: „It’s only Rock’n’Roll. But we like it.“
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