Zweiteiliger monumentaler Stummfilm von Fritz Lang, der Themen des germanischen Heldenepos verarbeitet. Obwohl als Export- und Prestigeobjekt "deutscher Kultur" gedacht, schuf Lang kein nationalistisches Heldendenkmal, sondern ein düsteres, konsequent stilisiertes Fresko des sich schicksalhaft vollziehenden Untergangs, in dem nicht Liebe und Treue, sondern Hass und Rache die Triebfedern sind. Im ersten Teil dominieren statuarische Starre und dekoratives Pathos, der zweite wird von ornamentalen Massenszenen und überlebensgroßen Todesvisionen geprägt. Die Personen bleiben dabei in geometrische Bildkompositionen und architektonische Bildkompositionen eingebunden, wodurch ein Höchstmaß an optischer Strenge und suggestiver Raumwirkung erzielt wird. (Der Film, dessen zweiter Teil nur unvollständig erhalten ist, wird in einer neu viragierten Fassung ausgestrahlt, wobei seine fotografische Qualität hervorgehoben und das Spiel mit Licht und Schatten unterstrichen wird.)
- Sehenswert ab 14.
Die Nibelungen - 1. Siegfried / 2. Kriemhilds Rache
Drama | Deutschland 1922/24 | 142 & 151 Minuten
Regie: Fritz Lang
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 1922/24
- Produktionsfirma
- Decla-Bioscop (UFA)
- Regie
- Fritz Lang
- Buch
- Thea von Harbou
- Kamera
- Carl Hoffmann · Günther Rittau · Walter Ruttmann (Falkentraum)
- Musik
- Gottfried Huppertz
- Schnitt
- Paul Falkenberg
- Darsteller
- Paul Richter (Siegfried) · Margarete Schön (Kriemhild) · Hanna Ralph (Brunhild) · Gertrud Arnold (Königin Ute) · Theodor Loos (König Gunther)
- Länge
- 142 & 151 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama | Abenteuer | Monumentalfilm
Heimkino
Die französische Edition (MK2) enthält eine 20-minütige Dokumentation zum Film, die spanische Edition (Divisa) enthält den Film mit der von Bernd Heller und dem Münchner Rundfunkorchester eingespielten Originalkomposition. Die US-amerikanische Edition (Kino) enthält ebenfalls die Originalmusik von Gottfried Huppertz. Die deutsche DVD (SZ Cinemathek) enthält die restaurierte (viragierte) Fassung des Films mit der vom HR-Symphionieorchester unter Frank Strobel eingespielten, rekonstruierten Originalmusik.
Diskussion
„Die Nibelungen“ von Fritz Lang entstanden ab 1922 in zehnmonatiger Drehzeit während der inflationsgeschüttelten Frühphase der Weimarer Republik auf dem Neubabelsberger Gelände. Der mit einem Budget von acht Millionen Reichsmark inszenierte Film wurde bei Publikum und Kritik zum überwältigenden Erfolg. Das auf dem Nibelungenlied, einem Epos voller Heroen, Blut und Boden basierende Werk beginnt mit der Widmung: „Dem deutschen Volke zu eigen“. Lange Zeit wurden „Die Nibelungen“ als ein von nationalistischer, ja präfaschistischer Ideologie kontaminiertes Werk betrachtet, da Hitler und Goebbels sich über die Wirkung des deutschnationalen Stoffes und dessen virtuos-suggestiver Umsetzung durch den später als Filmminister in Betracht gezogenen Regisseur einig waren. Doch der aufwendige Exportschlager, mit dem die Ufa auf den europäischen Absatzmärkten verlorenen Boden wieder gut machen wollte, war nur kurz in seiner intendierten Fassung zu sehen. 1924 präsentierte der 33-jährige Fritz Lang im Abstand von zehn Wochen „Siegfried“ und „Kriemhilds Rache“ mit einer Gesamtdauer von fünf Stunden. Doch schon im gleichen Jahr wurde für Amerika eine stark gekürzte Exportversion hergestellt. „Die Nibelungen“ mutierten zum Torso. 1933 schließlich brachten die Nazis unter dem Titel „Siegfrieds Tod“ eine Tonfassung des ersten Teils mit Theodor Loos als Sprecher („völkisch korrekt“) in die Kinos. Erst durch den Fund einer nahezu vollständigen Kopie des ersten Teils im Moskauer Filmarchiv Gosfilmofond - mit wunderschönen gotischen Zwischentiteln - konnte das Münchner Filmmuseum eine rekonstruierte Fassung realisieren. Auch „Kriemhilds Rache“ stand aufgrund einer abgespielten, aber wesentlich längeren russischen Verleihkopie zur Verfügung. 1986 wurde das Epos mit der Originalmusik von Gottfried Huppertz wieder aufgeführt. 1990 bezeichnete die „Le Monde“ die Präsentation in Paris als „Renaissance eines Mythos“. arte sendet den Film mit der 1988 vom Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks aufgenommenen Einspielung. Wesentlichen Anteil am Gesamtkunstwerk „Die Nibelungen“ hat die Natürlichkeit der Musik. Bild und Ton finden eine spürbare Harmonie durch wechselseitige Ergänzung und Präzisierung. Trotz des bei dieser Filmlänge großen Motivspektrums glänzt die Komposition durch einfühlsame Homogenität und Melodik.
Thea von Harbou, Langs Frau und Mitarbeiterin, gilt als verantwortlich für die Sujetwahl, die Glorifizierung des germanischen Mythos, obwohl sich zu diesem Zeit im besiegten Deutschland bereits wieder nationalistische Begehrlichkeiten zu regen begannen. So datiert Hitlers Putschversuch aus dem Jahr 1923 (!). Fritz Lang wollte das „geistige Heiligtum einer Nation“ visualisieren, um „einen Film zu schaffen, der dem Volke gehören sollte und nicht, wie die ‘Edda’ oder das mittelhochdeutsche Heldenlied, einer im Verhältnis ganz geringen Anzahl bevorzugter und kultivierter Gehirne.“ Siegfried von Xanten, der naiv-verträumte Drachentöter, kommt als Herr über Alberichs Schatz und Tarnkappe an den erstarrten Hof der Burgunder in Worms. Um Kriemhild als Frau zu erlangen, muss er König Gunthers Werben um Brunhilde unterstützen. Weibliche Eifersucht und männliches Machtkalkül führen zu Siegfrieds Ermordung im Odenwald. Kriemhild, voller Hass, schwört Rache und erhört die Werbung des Hunnenkönigs Etzel. Bei einem Bankett zur Geburt ihres Sohnes provoziert sie einen Streit mit den Gästen aus Burgund. Am Ende des grausamen Massakers sterben sowohl Siegfrieds Mörder als auch Kriemhild.
Lang reflektiert die symbolische Bürde des deutschen Mythos, den er filmisch durchaus respektiert, aber nicht verherrlicht. Er platziert den Film in ein „gottloses“ Niemandsland, ganz im Gegensatz zum Geist der Vorlage. „Die Nibelungen“ als nazistischen Film zu bezeichnen, wie Siegfried Kracauer, der in ihm eine Parallele zu Riefenstahls „Triumph des Willens“ sah, ist nur vordergründig möglich. Lang geht es um die Decouvrierung eines krankhaften, überholten Heroismus, um die Analyse eines Volkes, das vom Untergang gezeichnet ist. Der Kampf der Germanen gegen die wilden Horden des Ostens: fungiert er als Vorahnung vom Dritten Reich? „Man stellt Denkmäler nicht auf den flachen Asphalt. Um sie eindringlich zu machen, erhebt man sie über die Köpfe der Vorübergehenden“, bemerkte Lang zur Überlebensgröße der Figuren.
„Die Nibelungen“ können als filmästhetisches Meisterwerk wiederentdeckt werden: in dramaturgischer, schnitttechnischer, kameraspezifischer und architektonischer Hinsicht. Der ganze Kosmos Langscher Stilmittel und Topoi, die Zeichen und Strukturen, das Gefühl für Zeit und Räume, die großen Themen: hier sind sie alle zu finden. Die Raum- und Lichtgestaltung hatte Lang bei Max Reinhardts Choreografie am Deutschen Theater gesehen. So bleiben die Szenen vom Burgunderhof, vom Dom in Worms, vom Rhein, vom deutschen Wald, von der feuergeschützten Burg Brunhildes in Erinnerung. Raffiniert fügen sich die geometrischen Ornamente der Haarzöpfe und Räume, Architektur und Natur, das Statuarische und Rituelle zur Mythologie der Sagen und Helden. Jede Einstellung besitzt eine eigene Monumentalität, Dekoration und hehres Pathos in einem, wie die Konfrontation zwischen Brunhilde und Kriemhild auf der Treppe des Doms. Es fällt nicht schwer, die Tragödie vom Untergang eines Reichs auch als Revolte des Individuums lesen: Liebe und Tod, Brunhildes Selbstmord und Kriemhildes Rache tragen präexistentialistische Züge. Auf dieser Basis wären ein unverkrampfter Zugang und eine filmhistorische Analyse möglich.
Zweiteiliger monumentaler Stummfilm von Fritz Lang, der Themen des germanischen Heldenepos verarbeitet. Obwohl als Export- und Prestigeobjekt „deutscher Kultur“ gedacht, schuf Lang kein nationalistisches Heldendenkmal, sondern ein düsteres, konsequent stilisiertes Fresko des sich schicksalhaft vollziehenden Untergangs, in dem nicht Liebe und Treue, sondern Hass und Rache die Triebfedern sind. Im ersten Teil dominieren statuarische Starre und dekoratives Pathos, der zweite wird von ornamentalen Massenszenen und überlebensgroßen Todesvisionen geprägt. Die Personen bleiben dabei in geometrische Bildkompositionen und architektonische Bildkompositionen eingebunden, wodurch ein Höchstmaß an optischer Strenge und suggestiver Raumwirkung erzielt wird. - Sehenswert.
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