Obwohl manches an „Schule“ typisch deutsch ist, hat der Debütfilm des 25-jährigen Marco Petry nichts mit anderen deutschen Pubertätsfilmen wie „Harte Jungs" oder „Crazy“ gemeinsam. Er passt eher in die französische Reihe „Tous les garçons et les filles de leur âges“ (Die Jungen und Mädchen ihrer Generation), denn „Schule“ verfügt über die Lässigkeit und Leichtigkeit, mit der ein Routinier wie André Téchiné seinen Film „Wilde Herzen“ gestaltete. Auch wenn Petry nach eigenem Bekunden US-amerikanische Vorbilder für sein Porträt von zehn Schülern kurz vor dem Abitur hatte: „American Graffiti“ und „American Diner“.
Einen Tag und eine Nacht begleitet „Schule“ drei Mädchen und sieben Jungen bei ihren Erfahrungen mit Liebe, Sex, Haschisch und Alkohol, mit der Clique, strengen Eltern und Lehrern - und bei ihren Unsicherheiten, Heimlichkeiten und Lügen. Im Mittelpunkt steht der 18-jährige Markus (Daniel Brühl). Bisher war er mit Freundin Sandra (Jasmin Schwiers) ganz glücklich. Doch als sie ihn übers Radio mit der Widmung „Für meinen süßen Schnubbi“ grüßen lässt, ist er sauer. Denn er weiß, dass ihn damit jeder in der Schule aufziehen wird. Sandra wollte hingegen nur etwas Gutes tun und versteht seine Reaktion nicht. Noch weniger versteht sie, dass er abends nicht mit ihr zu der Fete gehen, sondern lieber mit einigen Jungs einen „Draufmachen“ will.
Nach dem Abitur ändert sich alles
Als einziger aus der Clique hat er erkannt, dass in ein paar Wochen, nach dem Abitur, das sorglose Leben vorbei sein und er seine Kumpels nicht mehr sehen wird. Die gekränkte Sandra erwidert daraufhin die Annäherungsversuche des 23-jährigen Stone (Niels-Bruno Schmidt), der vor einigen Jahren von der Schule flog, sich aber noch immer dort herumtreibt, weil er Mädchen mit seinem Mercedes beeindrucken kann. Ihre Schwester Melanie (Mina Tander) hat Sandra vor Stone gewarnt und gerade selbst ihren untreuen Freund André (Tim Egloff) in die Wüste geschickt.
Den dicken Dirk plagen Probleme mit seiner letzten Mathe-Klausur, bei der ihm der Streber Karbrüggen helfen soll, der unglücklich ist, weil er noch nie ein Mädchen hatte. Nabil und Sascha, die einen Videofilm über die Schule drehen und jedem idiotische Fragen stellen, nerven nicht nur Dirk und Karbrüggen. Nur der ewig bekiffte Freak Steven ist glücklich, weil er ausgemustert wurde.
Abends, als Sandra mit ihren Freundinnen und Markus mit seinen Freunden feiert, kommen alle Heimlichkeiten ans Licht. Markus fürchtet, Stone wolle Sandra vergewaltigen, und sucht sie. Die beiden brechen nachts in die Schule ein, aber Stone schafft es nicht, mit Sandra zu schlafen, weil sie immer nur an Markus denkt. Als sich morgens alle wieder in der Schule zusammenfinden, werden die Missverständnisse und Vorurteile geklärt, und alle sind ein bisschen erwachsener geworden.
Der Dicke, der Kiffer, der Frauenheld
Marco Petry, Student der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film, begann direkt nach der eigenen Schulzeit mit dem Drehbuch und feilte fünf Jahre daran. Diese altersmäßige Nähe spürt man nicht nur in den Dialogen, sondern auch in der Komposition der episodenhaften Stränge, die parallel laufen, an entscheidenden Stellen immer wieder unterbrochen werden, und sich nur gelegentlich fast zufällig kreuzen. Dennoch wird deutlich, dass Markus - sehr einfühlsam gespielt von Daniel Brühl - der Mittelpunkt ist, und sei es nur, weil seine Stimme gelegentlich aus dem Off die eigenen Entscheidungen und die seiner Mitschüler kommentiert.
Die Typen sind so angelegt, dass fast jeder Zuschauer jemanden findet, mit dem er sich identifizieren kann, auch wenn einige Figuren eher klischeehaft geraten sind, vor allem der Dicke, der Kiffer und der Frauenheld. Sie aber sind es, die in ihrer Überdrehtheit immer wieder für den nötigen Wort- und Situationswitz sorgen.
Kameramann Axel Block hat die lockere Geschichte in teils banale, teils farblich wunderschön komponierte Bilder gefasst, was perfekt die Sprunghaftigkeit und Unausgegorenheit der Schüler und ihrer eigenen Welt illustriert. So entstand ein einfühlsames, unverkrampftes, über weite Strecken fast schon dokumentarisch wirkendes Porträt der aktuellen Schülergeneration aus Schülersicht (Lehrer und Eltern kommen nur am Rande vor). Selbst die einzige Meta-Ebene - die beiden Schüler, die mit der Videokamera herumrennen - fügt sich bruchlos ein, weil das Timing stimmt und die Szenen nicht zu lang sind.
„Das Video ist das einzige, was bleiben wird“, meint Markus schließlich mit Blick auf das Ende der Schulzeit und des unbeschwerten Lebens in einem der wenigen nostalgischen Momente, die tatsächlich an „American Graffiti“ erinnern. Doch Marco Petry denkt an die Zukunft: Er hat „Schule“ mit Digi-Beta-Kamera jenseits der Hochschule gedreht.