Dämon - Trau keiner Seele

Horror | USA 1997 | 124 Minuten

Regie: Gregory Hoblit

Ein Polizeidetektiv versucht, eine Mordserie aufzuklären, die die Handschrift eines hingerichteten Serienkillers trägt. Dabei stößt er auf die Spuren eines körperlosen Dämons, der mit ihm ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt und auf eine Art Zweikampf drängt. Ein als Rückblick erzählter Horror- und Mystery-Thriller, dessen stilistische Versiertheit so sehr beeindruckt, wie das überraschende Ende die Zuschauerperspektive auf den Kopf stellt. Die Anleihen beim "Übernatürlichen" bleiben ohne inhaltliche Reflexion und dienen nur als diabolisch imprägniertes Material einer Mordgeschichte.
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Filmdaten

Originaltitel
FALLEN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Turner Pictures/Atlas
Regie
Gregory Hoblit
Buch
Nicholas Kazan
Kamera
Newton Thomas Sigel
Musik
Tan Dun
Schnitt
Lawrence Jordan
Darsteller
Denzel Washington (Dt. John Hobbes) · John Goodman (Jonesy) · Donald Sutherland (Lt. Stanton) · Embeth Davidtz (Gretta Milano) · James Gandolfini (Lou)
Länge
124 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Horror | Thriller
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Warner (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Ein Mensch keucht panisch durch eine fahle Schneelandschaft. Das grobkörnige Bild zittert wie besessen, hetzt in fahrigen Bewegungen hin und her. Noch vor den Credits hört man die Stimme Denzel Washingtons aus dem Off: „Habe ich Ihnen schon erzählt, wie ich einmal beinahe umgebracht worden wäre?“ Dann erst glimmt der Titel auf und wechselt der Film als lange Rückblende zwar nicht die Atmosphäre, aber den Rhythmus. Mit dem vom Washington gespielten Polizeidetektiv John Hobbes betritt man die düstere Gaskammer eines amerikanischen Gefängnisses, wo der Serienkiller Edgar Reese auf seine Hinrichtung wartet. Ein Kamerateam filmt seine letzten Minuten und den höhnischen Sing-Sang-Dialog mit Hobbes, der voller wirrer Gesten und unverständlicher Brocken mit dem Stones-Song „Time is on my side“ endet. Während die gelben Giftschwaden einschießen und der Delinquent krampfhaft zu zucken beginnt, trübt sich das Bild. Für wenige Augenblicke sieht man von oben auf die Szenerie. Ein offensichtlich subjektiver Blick streift über die ungerührten Zeugen und stürzt sich dann auf den Henker hinab.

Als Zuschauer glaubt man, dem Polizisten lange Zeit voraus zu sein, der schon wenig später bei einem neuen Mordfall eindeutig auf Reeses Handschrift stößt. Die Zahl „18“ auf der Brust des Opfers sowie andere Hinweise lassen Hobbes über die seltsamen Andeutungen nachgrübeln, die ihm der Psychopath in der Todeszelle zuraunte. Noch bevor weitere Toten mit neuen „Nachrichten“ folgen, stößt der penible Ermittler auf die Akten eines Ex-Cops namens Milano, der vor Jahrzehnten unter Mordverdacht geraten war und sich in einer Waldhütte das Leben nahm. Milanos Tochter Gretta, eine zierliche Theologieprofessorin, beschwört Hobbes, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Wovor sich die eingeschüchterte Frau mit Engelsbildern zu schützen sucht, läßt Hobbes das Blut in den Adern gefrieren, als er seiner endlich ansichtig wird: einen körperlosen Dämon namens Azazel, der durch bloße Berührung seine jeweiligen Träger wechselt. Seine „Visitenkarte“, die er als blutiges Hauptpuzzle hinterlassen hatte, bezog sich auf „Apocalypse 18,2“, wo davon die Rede ist, daß nach dem Fall der großen Stadt Babylon die Welt zur Behausung der Teufel wurde.

Der Originaltitel benennt präzise, worum es in diesem gnostischen Thriller geht: um den dualistischen Kampf des Bösen gegen das Gute. Mit der Mordserie wollte der Dämon den integren Cop auf sich aufmerksam machen und zu einer Art Zweikampf herausfordern. Mitten im Polizeirevier summt ihm sein Partner plötzlich „Time is on my side“ ins Ohr, ohne sich Sekunden später daran erinnern zu können, während jemand anderer die Melodie kurz weitersingt, bis sie von Mund zu Mund durch die Tür verschwunden ist. In der eindringlichsten Szene hat Gregory Hoblit aus dieser gespenstischen Passage einen wahren Staffellauf des Schreckens gemacht, wenn der Dämon in einer dichtbevölkerten Einkaufspassage durch die Reihen schießt und die leichenblasse Gretta verfolgt. Wie das Böse dabei in die Menschen fährt und ihre Gesichter zu Fratzen entstellt, bleibt als bedrängende Metapher für Massenhysterie und kollektiven Wahn auch dann im Gedächtnis hängen, wenn der überraschende Schluß alles Bisherige auf den Kopf stellt.

Hoblits Horrortrip erinnert in vielem an „Sieben“ (fd 31 642), mit dem er die düstere Endzeitstimmung und die Ausweglosigkeit teilt, ohne aber an dessen stilistische Geschlossenheit anknüpfen zu können. Statt dessen treibt er ein irritierendes Spiel mit der Zuschauerperspektive, aus der die Fallen wahrgenommen werden können, die Azazel für seinen Verfolger aufstellt. Wie sich die Schlinge um Hobbes’ Hals unerbittlich zusammenzieht und die latent anklingende Parallele zu Milanos Schicksal immer wahrscheinlicher macht, löst eine nachhaltige Beklemmung aus, die keine Auflösung erfährt. Wie bei vielen Filmen, die vom „Übernatürlichen“ handeln, sind auch hier die Anleihen aus dem Fundus der Religionen dürftig. Das bezieht sich weniger auf faktische Details wie Namen oder Bibelstellen, die korrekt zitiert werden oder wie bei „Azazel“ auch eine gründliche Recherche verraten: In den apokryphen biblischen Schriften wird er als Anführer der gefallenen Engel genannt. Auf eine schlüssige Deutung oder filmimmanente Interpretation aber wartet man meist vergeblich. Was die apokalyptische Dämonenfigur treibt, sich auf eine Art Duell mit Menschen einzulassen, bleibt ebenso ungeklärt wie die Frage, was Hobbes als „guten“ Gegenspieler qualifiziert. Daß eine Theologielehrerin Auskunft erteilen kann, liegt in der Logik ihres Berufes. Warum sie sich aber Schutz von Engeln verspricht, über deren Existenz der Film keinerlei Spekulationen anstellt, stellt vor Rätsel. Über die eigentlichen Leerstellen – das Verhältnis von Freiheit, Schuld, Verführung und den Willen zum Bösen – täuscht die kunstvoll beschworene Unheilsatmosphäre hinweg, die morbide Endzeitstimmung als emotionales Vehikel für einen „Mystery“-Krimi nützt. Während in „Sieben“ die Religionstopoi als symbolische Chiffren zur Illumination einer wirklich gefallenen Welt entfaltet werden, dienen sie hier lediglich als diabolisch imprägniertes Material einer raffiniert ausgedachten Mordgeschichte.
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