Zwölf Personen aus österreichisch-jüdischen Familien, die zur Zeit des Nationalsozialismus nach Amerika emigrierten und in New York eine zweite Heimat fanden, erinnern sich an ihr Leben. Sparsam mit privaten Bildern und Archivaufnahmen illustriert, reiht der Dokumentarfilm ihre Erinnerungen aneinander und bietet einen erschütternden Einblick in die damals kaum verstandenen Erfahrungen mit einer in jeder Hinsicht vernichtenden Zeit, die bei den Kindern und Jugendlichen von einst tiefe Spuren hinterlassen hat. Vorrangig als filmisches Geschichtsprotokoll realisiert, sagt der sehr intensive Film mehr über den konkreten Fall des Holocausts und über die Universalität von Willkür aus als mancher aufwendig inszenierte Spielfilm. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 14.
Emigration N.Y. - Die Geschichte einer Vertreibung
Dokumentarfilm | Österreich 1994/95 | 177 (88 + 89) Minuten
Regie: Egon Humer
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Filmdaten
- Originaltitel
- EMIGRATION N.Y.
- Produktionsland
- Österreich
- Produktionsjahr
- 1994/95
- Produktionsfirma
- Prisma
- Regie
- Egon Humer
- Buch
- Egon Humer
- Kamera
- Peter Roehsler
- Schnitt
- Karina Ressler
- Länge
- 177 (88 + 89) Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Der amerikanische Filmpublizist Amos Vogel (sein Klassiker über das unabhängige „Kino wider die Tabus“ wurde erst vor kurzem neu aufgelegt) ist einer von zwölf Zeitzeugen, die über ihre Emigration von Wien nach New York sprechen. Die sieben Frauen und fünf Männer mußten als jüdische Kinder mit ihren Eltern aus dem faschistischen Wien flüchten. Sie alle sind starke Charaktere, die es in der „Neuen Welt“ zu etwas gebracht haben: Professorinnen, Psychotherapeutinnen, Ingenieure. Entsprechend eloquent und gebildet erzählen sie vom Leben in Österreich vor dem Anschluß, über den Jubel der Wiener angesichts der Heimholung ins Reich, über die brennende Synagoge, die ersten Übergriffe, die Beschlagnahmung ihrer Wohnungen bis hin zur Flucht. Egon Humer hat seine Protagonisten zu Hause gefilmt, entspannt in ihren Sesseln sitzend und in warmes gelbliches Licht getaucht. Die Kamera bewahrt respektvoll Abstand und beläßt die Körper in ihrem sozialen Raum. Mit dem unvermeidlichen Archivmaterial geht der Film sparsam um. Überwiegend handelt es sich um Fotos und Tondokumente, die weniger als Beweis für die Aussagen der Zeugen dienen, sondern eher als Anstoß zur Erinnerung; ein Teil der Fotos stammt von den Protagonisten selbst, die sie kommentieren, die Tondokumente wurden ihnen vorgespielt.Während der erste Teil des Films das Leben in Österreich bis zur Flucht schildert, widmet sich der zweite dem Beginn des neuen Lebens in New York und dem Blick auf das Wien von heute. Fast alle haben die alte Heimat wieder einmal besucht, ohne jedoch an eine Rückkehr zu denken. Obwohl die meisten ihren Dialekt bewahrt haben (nur Vogel wurde, wie er sagt, seine Muttersprache genommen), sind sie doch Amerikaner geworden, und wenn ihnen Wien auch als Heimat gilt, war die Erfahrung, von Staats wegen keine Österreicher mehr, sondern deren Feinde zu sein, zu prägend. Unter all den Dokumentationen, die sich der „oral history“ verpflichtet mit den Opfern des Dritten Reichs befassen, ragt „Emigration N.Y.“ mit seiner strengen Struktur und dem überlegten Gebrauch der Dokumente heraus. Gewiß bilden die „zwölf Geschworenen“ nicht „die“ Geschichte der jüdischen Emigration ab, aber sie geben Einblicke in die jüdische Gemeinde New Yorks und ihren kulturellen Einfluß auf das Leben der Stadt. Gerade zu diesem Themenkomplex ließe sich der Film wunderbar in die Gegenwart hinein verlängern. Zuhören könnte man diesen Zeitzeugen noch stundenlang. – Sehenswert ab 14.
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