Herr W und Herr W

Dokumentarfilm | Deutschland 1996 | 102 Minuten

Regie: Thomas Schadt

Doppelporträt zweier Menschen, deren kulturelle Erfahrungen nichts miteinander zu tun haben und die sich dennoch sehr ähnlich sind. Wayde D. Newton lebt in New York City, Detlef Witzel in Berlin - beiden wurde Schizophrenie als Krankheitsbild bescheinigt. Der Dokumentarfilm geht sehr dicht an die Lebensgeschichten heran, gewährt Einblick in den Alltag der Protagonisten, läßt sie ausführlich zu Wort kommen und enthält sich dabei eines wertenden Kommentars. Er ist ein Zeugnis von authentischer Nähe und kommt größtenteils ohne Betroffenheitsgestus aus. (Fernsehtitel: "Verwandte Seelen - Herr W und Herr W".) - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Odyssee-Film
Regie
Thomas Schadt · Gerd Hoffmeister
Buch
Thomas Schadt
Kamera
Thomas Schadt
Musik
Ort Ensemble Wuppertal
Schnitt
Eva Schlensag
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Zwei Männer Mitte Dreißig - der eine in New York City, der andere in Deutschland. Von ihren kulturellen Erfahrungen her haben die beiden nichts gemein. Dennoch sind sie sich sehr ähnlich: ihre mentale Befindlichkeit wurde als Schizophrenie diagnostiziert. Der Film zeigt sie bei der Bewältigung ihres Alltags, begleitet sie zum Sozialamt, zur Gesprächstherapie, beim Weg zum Psychiater. Und er läßt die Protagonisten ausführlich zu Wort kommen. Man erhält Kenntnis von den familiären Hintergründen und Einblick in die Krankheitsgeschichten. Die Sujets gleichen sich: früher Liebesentzug infolge chaotischer Beziehungen im Elternhaus, irgendwann dann die Stimmen im Ohr, die unablässig das Verhalten kommentieren und bewerten, Angstzustände auslösen, Panik und Fluchtimpuls führen zur Erfassung durch die Psychiatrie, die mit geschlossenen Abteilungen und ruhigstellenden Medikamenten aufwartet. Mit dem psychischem Verfall geht der soziale Abstieg einher. Immerhin bleiben die Betroffenen noch eingebunden in ein Netz von Fürsorge und Kommunikation, werden von Sozialarbeitern betreut und sind in der Lage, eigene Wohnungen zu unterhalten. In den USA ist die Bill-Clinton-Administration dabei, dieses Netz aufzukündigen; auch hierzulande wird der Spielraum für Hilfsprogramme am Rande der Gesellschaft immer kleiner.

Schadt und Hoffmeister gehen mit der Kamera sehr dicht an die Objekte ihrer Beobachtung heran. Mitunter sind die nervös zuckenden, von geplatzten Adern durchzogenen Augen der psychisch Kranken leinwandfüllend. Wayde D. Newton in New York und Detlef Witzel in Berlin ringen sich die Berichte über ihr Leben unter fast spürbarem Schmerz ab. Der Film ist Zeugnis eines sich schrittweise aufbauenden Vertrauensverhältnisses, in das der Zuschauer unmerklich mit einbezogen wird. Dabei enthalten sich die Filmemacher jeder verbalen Bewertung, konzentrieren sich ganz auf die Aussagen von Wayde und Detlef. So vermittelt sich der Autorenstandpunkt fast ausschließlich über die visuelle Ebene, über Kameraperspektive und Montage - ein unaufdringliches Zeugnis von Nähe, aber auch von bekennender Ratlosigkeit. Weder platte Interpretation noch leuchtende Alternativen werden ins Feld geführt. Nur ganz zum Schluß konnten sich Schadt/Hoffmeister nicht der Versuchung entziehen, einen langen Hubschrauberflug über das Straßengeflecht des Molochs New York mit einem getragenen Kunstlied zu unterlegen. Hier kommt eine gehörige Portion Pathos ins Spiel. Gegen das prinzipiell nichts auszusetzen wäre - derart unvermittelt eingesetzt steht es jedoch der bisherigen Strenge der Konzeption störend im Wege. Auch entbehrt "Herr W und Herr W" mitunter nicht gewisser Längen. Möglich, daß der Gegenstand der Dokumentation die Ruhe seiner Inszenierung bedarf. Wer es vermag, sich auf das Angebot einzulassen, dem erschließen sich mit "Herr W und Herr W" jedenfalls Erlebniswelten, zu denen rein vernunftsmäßig sonst kein Zugang möglich ist. Und diese Potenz reinen Kinos wohnt dem Film unbedingt inne.
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