Gullivers Reisen (1995)

Abenteuer | Großbritannien 1995 | 179 Minuten

Regie: Charles Sturridge

Kongeniale Verfilmung von Swifts vierteiligem satirischen Roman, in der der Seemann Lemuel Gulliver nach acht Jahren Irrfahrt nach England zurückkehrt. Seine fantastischen Erzählungen aus den Ländern der Zwerge und Riesen hören sich zunächst noch wie die Tagträume eines Fieberdelirenden an, nehmen aber zunehmend pathologische Züge an, die das britische Weltreich, seine Regierung und Errungenschaften, schließlich die ganze Menschheit in Frage stellen. Aufwendig inszeniert, hochkarätig besetzt und tricktechnisch auf hohem Niveau, scheut der bemerkenswerte Film auch vor dem zivilisationskritischen Pessimismus der Vorlage nicht zurück. Dank der anspruchsvollen gedanklichen wie visuellen Fabulierlust ein Erlebnis. - Sehenswert ab 10.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
GULLIVER'S TRAVELS
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
RHI Entertainment/Jim Henson Prod./Cannel 4
Regie
Charles Sturridge
Buch
Simon Moore
Kamera
Howard Atherton
Musik
Trevor Jones
Schnitt
Peter Coulson
Darsteller
Ted Danson (Lemuel Gulliver) · Mary Steenburgen (Mary Gulliver) · James Fox (Dr. Bates) · Ned Beatty (Farmer Grultrud) · Geraldine Chaplin (Kaiserin Munodi)
Länge
179 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Abenteuer | Fantasy | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Jonathan Swifts satirischer vierteiliger Roman dürfte den meisten deutschen Lesern wohl nur in der (braven) geglätteten Kinderbuchfassung vertraut sein, die von den ersten beiden Abenteuern des gestrandeten Seemanns Lemuel Gulliver zu berichten weiß; seine abenteuerlich-exotischen Beschreibungen von seinen Erlebnissen im Lande Liliput und im Reich der Riesen. Seine Begegnungen auf der fliegenden Insel Laputa, dem Reich der rein theoretischen Wissenschaften, und seine Erfahrungen mit dem kaum noch menschenähnlichen Yahoos und i dem Pferdevolk der Houyhnhnm werden meistens ausgespart. Zu bitter ist der Unterton, zu menschenverachtend die Anklage, als das diese beiden Teile erbauliche Volksliteratur abgeben könnten. Ausgerechnet einer aufwendigen, mit hochkarätigen Weltstars besetzten Fernsehproduktion ist es nach etlichen früheren Verfilmungen (Real- und Zeichentrickfilme) nun vorbehalten, den Geist und die Absicht der Vorlage zu transportieren. Eingebettet in eine Rahmenhandlung: Gulliver kehrt nach seinen acht Irrjahren zurück und findet den dubiosen Dr. Bates an der Seite seiner Ehefrau Mary, der seinen Platz einnehmen möchte und in der Folgezeit seine Entmündigung betreibt. Gullivers fantastische Berichte sind nur dazu angetan, die zweifelhaften Absichten des Arztes zu unterstützen. Hören sich seine Erzählungen aus den Ländern der Zwerge und Riesen noch wie Tagträume eines Fieberdelirenden an, so nehmen die Berichte des verschollen Gewesenen in der Folgezeit in der Tat pathologische Züge an, die immer mehr das englische Weltreich, seine Regierung und Errungenschaften, ja die ganze Menschheit in Frage stellen. In letzter Sekunde kann Gullivers kleiner Sohn die Unschuld des Vaters beweisen, ein großes Wunder und ein winzig kleines Schaf sind hierzu allerdings vonnöten. Eine kongeniale Literaturverfilmung mit großartigen schauspielerischen Leistungen, die sich nach den leichtgewichtigen Anfängen zunehmend wie eine Krankenakte liest, auch wenn das bittere Ende der Romanvorlage einem versöhnlicheren Filmschluß weichen muß. Tricktechnisch präsentiert sich die Produktion auf einem hohen Niveau, wobei besonders die Unterschiede zwischen groß und klein zum Zwecke verblüffender Regieeinfälle genutzt werden und die Fabulierlust der Macher dokumentieren. Das Ergebnis ist ein Film für die Familie - nicht unbedingt geeignet für ganz kleine Zuschauer -, der zum Gespräch anregt und vielleicht sogar Lust aufs Lesen macht. - Sehenswert ab 10.
Kommentar verfassen

Kommentieren