Du bringst mich noch um

Komödie | Österreich 1994 | 97 Minuten

Regie: Wolfram Paulus

Es ist eine Zufallsbekanntschaft am Rande des Kinderspielplatzes, eine Laune des Augenblicks, die aus einem Deutschlehrer und der Frau eines Arztes wieder zwei liebestolle Teenager macht. Beide haben Kinder und werden am zweiten Weihnachtstag ertappt. Seitensprung-Komödie in Gestalt eines szenischen Protokolls, das sich jeder moralischen oder psychologischen Deutung enthält, aber geduldig eine kleinstädtische Mikrowelt porträtiert.
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Filmdaten

Originaltitel
DU BRINGST MICH NOCH UM
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
SK-Film & Fernsehprod.
Regie
Wolfram Paulus
Buch
Wolfram Paulus
Kamera
Wolfgang Simon
Musik
Peter Valentin
Schnitt
Wolfram Paulus
Darsteller
August Zirner (Simon Halm) · Gabriela Benesch (Annette Halm) · Katja Flint (Helga Thaler) · Georg Schuchter (Helmut Thaler) · Edd Stevjanik (Schuldirektor)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Komödie
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Seitensprung-Komödie in Gestalt eines szenischen Protokolls, das ein kleinstädtische Welt porträtiert.

Diskussion
Der Regisseur Wolfram Paulus (geb. 1957, galt als "größte Kinohoffnung" Österreichs. Mit seinen von der Kritik zur "Salzburger Trilogie" summierten ersten drei Kinoarbeiten, "Heidenlöcher", "Nachsaison" und "Die Ministranten", stand er bald im Ruf, ein Vertreter des "Neuen Heimatfilms" zu sein, der mit dokumentarischen Inszenierungen, einem sorgsamen Umgang mit der (Dialekt-)Sprache, konterkarierenden Landschaftsaufnahmen und einer realistischen Darstellung dem ungeschminkten Leben seiner Heimat dicht auf der Spur war. Paulus künstlerisches Anliegen, seine Welt auf eine "dramaturgische Formel" zu bringen, führte zu präzisen Beobachtungen des ländlichen Milieus: einfühlsame Porträts abgeschiedener Not-Gemeinschaften, kleine atmoshärische Miniaturen des Zeitgeistes, geduldige Rekonstruktionen realer Ereignisse. Daß er dabei weitgehend auf eine moralische oder psychologische Kommentierung des Inhalts verzichtete und seine Geschichten in der Regel offen enden ließ, wurde als konsequente Haltung verstanden und hoch geschätzt.

Erst als Paulus in seinem jüngsten Film erstmals seine Blicke über ein städtisch-akademisches Milieu schweifen ließ, fand er keine Gegenliebe mehr. "Belanglos" und "banal" hieß es in Venedig, wo man sich von seiner kleiner Seilensprung-Geschichte schlichtweg unterfordert fühlte.

Dabei hat die Komödie um zwei bürgerlicharrivierte "Ehebrecher" durchaus mehr zu bieten als abgestandene Unterhaltungskonfektion. Es ist eine Zufallsbekanntschaft am Rande des Spielplatzes, die aus dem stets etwas gehetzt wirkenden Lehrer Helmut und der Architektin Helga ein glühender Leidenschaft verfallenes Liebespaar macht. Beide sind verheiratet, irgendwo in den Dreißigern, beide haben Kinder und den üblichen Besitzstand, beim Germanisten zu Hause aus heller schwedischer Kiefer, bei Helga und ihrem Arzt-Gatten aus exotischem Designer-Holz. Quengelnde Kinder, gestreßte Partner und die Last mit Haushalt und täglichem Einkauf kurz vor Weihnachten halten sich auf beiden Seiten die Waage. Solchermaßen eingespannt in das Getriebe des Alltags, bedarf es kleiner Ausreden und Lügen, um Zeit für die adventlichen Rendezvous zu finden, die prekäre Situationen heraufbeschwören, da sich beide Ehepaare im vorweihnachtlichen Trubel immer wieder über den Weg laufen und überdies auch zwischen den Kindern bald Freundschaftsbande wachsen. Das Ende der Heimlichkeiten kündigt sich an, als Helmut und Helga bei einem Empfang alle Vorsicht fahren lassen und während eines Tangos ihre Gefühle nicht mehr im Zaum halten können.

Zwar dauert es dann doch noch bis zum zweiten Weihnachtstag, ehe das Verhältnis auf-und viel Porzellan zu Boden fliegt. Spätestens dann aber, wenn Paulus im Schlußbild die beiden Liebenden frustriert und niedergeschlagen auf einer Parkbank allein läßt und vage andeutet, daß sie ihr Verhältnis beendet haben, wird klar, daß man keine gewöhnliche Kinogeschichte, sondern eine Art szenisches Protokoll gesehen hat, das unterstützt durch eine mitunter penetrante Parallelmontage, wie die Mechanik eines Uhrwerks abgeschnurrt ist. Die stimmige Schilderung der beiden Familien und ihrer Lebenswelten, das Herausarbeiten der von August Zirner und Katja Flint mit Überzeugung und viel Herz gespielten Hauptcharaktere, die Sorgfalt auch bei kleinen Dialogen am Rande: dies alles dient weder dem Versuch einer Erklärung noch als Begleitakkord einer "amour fou", sondern will nicht mehr als ein Spiegel sein, in dem sich Fragmente der Gegenwart reflektieren. Die Verweigerung einer "Lösung" des Konflikts ist kein Kunstgriff, sondern Programm, das sich, wie in bisher allen seinen Filmen, einer Art optischer Repräsentanz verschrieben hat.

Daß seine kleinstädtische Ehekomödie beim Festivalpublikum in Ungnade fiel, hat vielleicht auch damit zu tun, daß sich so mancher selbst auf der Leinwand trefflich porträtiert fand. Wolfram Paulus unbestreitbares Talent, sich in Mikrowelten einzufühlen, aus geduldiger Beobachtung und Empathie seine Drehbücher zu gewinnen und als eigener Cutter seinen Film auch die gewünschte Endfassung zu verleihen, läßt manchmal an Robert Bresson denken, dessen Filme für den Österreicher wichtige Weggefährten waren. Wie Bressons Arbeiten sind auch Paulus Bilder darauf angewiesen, daß sich die Zuschauer auf ihre hintergründigen Intentionen einlassen und mehr Energie als üblich aufbringen, um sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.
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