Brief einer Unbekannten (1948)

Romain Antony | 14.09.2024

Und noch ein Brieffilm und noch ein Film über romantische Liebe und leidenschaftliches Begehren, welche sich nicht erfüllen! Eine sterbenskranke Frau, Lisa (Joan Fontaine), die in jungen Jahren eine nur flüchtigen Affaire mit ihrem geliebten Musiker erlebt hat, schickt ihm kurz vor ihrem Tod einen Brief, in dem sie über ihr Leben, ihr gemeinsames, inzwischen verstorbenes Kind und ihre Liebe schreibt. Sogar ihre Vernunftehe mit einem reichen, viel älteren Baron hat sie aufgegeben, um ihm erneut nahe zu sein, doch Musiker und Frauenschwarm Stefan Brand (Louis Jourdan) ist zwar von ihr angetan, erkennt sie aber nicht wieder. Für den Don Juan war sie nur eine von vielen Beziehungen. Nach einem längeren Aufenthalt in Mailand hatte er sie vergessen und sich anderen Damen zugewandt. Durch diesen späten Brief erkennt der Lebemann, wer ihn tief und inniglich geliebt hatte und welche Bindung seinem ausschweifenden Leben Halt, Geborgenheit und Zuneigung hätte geben können. Ergriffen von der Offenbarung im Brief, erschrocken über seine Blindheit den Gefühle von Lisa gegenüber, lässt er sich in ein Duell mit dem Ehemann der inzwischen verstorbenen Lisa ein, Ausgang offen. Doch - und so könnte man sich das Ende denken - begleicht er sein verpfuschtes Leben mit dem Tod. Dem feinfühlig gedrehten Film liegt die gleichnamige Erzählung von Stefan Zweig aus dem Jahr 1922 zugrunde. Dort verdient sich die alleinerziehende Lisa ihren Unterhalt für sich und ihren Sohn als Prostituierte, mit der der Musiker und ehemalige Geliebte eine Nacht verbringen will, ohne sie wiederzuerkennen. Die Zusammenhänge werden in der Erzählung folgerichtiger und psychologisch stimmiger beschrieben. Hollywood hat - bei aller Anerkennung für die ästhetische Bildgestaltung und die starke SchauspielerInnenleistung - wieder aus Rücksicht nehmender, puritanischer Selbstzensur nur noch einen verstümmelten Kern der Geschichte übrig gelassen. Stefan Zweig: Brief einer Unbekannten, Frankfurt am Main 2006 / Hörbuch Hamburg 2009, Lesung mit Felix von Manteuffel und Leslie Malton. Andere Verfilmungen des Stoffes: Stummfilm "Narkose" (1929) von Alfred Abel / "Eine Frau vergisst nicht" - "Only Yesterday (1933) von John M. Stahl / Lettre d'une inconnue (2001) von Jacques Deray / Yi Ge Mo Sheng Nv Ren De Lai Xin (2004) von Xu Jinglei. cf. auch den Blog: www.filmekommentieren.wordpress.com --> klicken.lesen.folgen.