Horror | Südkorea 2023 | 95 Minuten

Regie: Jason Yu

Ein junges koreanische Paar leidet unter den unheimlichen Schlafstörungen des Mannes. Als die Verhaltensweisen zunehmend das Leben des gemeinsamen Babys bedrohen, wendet sich die Frau von der Schulmedizin ab und sucht Hilfe bei einer Schamanin. Doch ob ein Geist den Körper ihres Partners bewohnt oder nicht vielmehr der fehlende Schlaf alle in Wahnsinn treibt, scheint nicht klar. Der Film entfaltet sich zunächst als atmosphärischer Horrorthriller über die Mysterien des Schlafs und die Zermürbung des Schlafentzugs. Zunehmend und vor allem gegen Ende zu geht er dann aber zu sehr in bekannten Genrekonventionen auf, die mäßig originell wiederholt werden. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
JAM
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Lewis Pic./Lotte Ent./BY4M Studio
Regie
Jason Yu
Buch
Jason Yu
Kamera
Kim Tae-soo
Musik
Jang Hyeok-jin · Jang Yong-jin
Schnitt
Han Meeyeon
Darsteller
Jung Yu-mi (Soo-jin) · Lee Sun-kyun (Hyun-su) · Kim Gook-hee (Min Jeong) · Lee Kyung-jin (Soo-jins Mutter) · Yoon Kyung-ho (Arzt)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Horror | Mystery
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Plaion
Verleih Blu-ray
Plaion
DVD kaufen

Horrorthriller um ein südkoreanisches Paar, das durch die unheimlichen Schlafstörungen des Mannes gequält wird.

Aktualisiert am
18.03.2025 - 17:01:18
Diskussion

Es beginnt mit einem rätselhaften Satz. Hyun-su (Lee Sun-kyun) sitzt aufrecht im Bett und murmelt, jemand sei drinnen. Dann kippt er um, fällt zurück in den Schlaf. Soo-jin (Jung Yu-mi), seine Frau, ist irritiert. Dann hört sie ein Geräusch. Drinnen. In der Wohnung. Ein Eindringling? Hyun-su aber wacht nicht mehr auf, lässt sich nicht wecken. Und so schleicht die Frau durch das Apartment, bewaffnet mit einem Akkuschrauber, und findet doch nur den Hund in der Loggia. Die Beruhigung wird nicht von Dauer sein. Am nächsten Morgen steht die neue Nachbarin vor der Tür und beschwert sich über den nächtlichen Lärm. Die ganze Woche würde das schon so gehen: poltern und sogar Schreie. Soo-jin versteht nicht, von was diese Frau spricht, und glaubt, es sei die übliche Empfindlichkeit der Nachbarn. Dann allerdings beginnt sich Hyun-su immer seltsamer zu verhalten.

Zunächst kratzt er sich das Gesicht blutig. Dann steht er am Kühlschrank und stopft ausgehungert und gierig rohes Fleisch in sich hinein. Schließlich ist der Hund tot, im Kühlschrank verstaut wie eine Mahlzeit. Die Ärzte mahnen zur Geduld und verschreiben Tabletten. Doch Soo-jin wird bald Mutter und ist um das Wohl ihres Kindes besorgt. Eine Klingel wird an der Tür angebracht, und Hyun-su schnürt sich selbst in einen Schlafsack ein, um das Schlafwandeln zu erschweren. Schließlich sucht das Paar Hilfe bei einer Schamanin, die davon überzeugt ist, dass ein Geist von Hyun-su Besitz ergriffen hat, der Soo-jin für sich alleine haben und einfach seine Ruhe haben möchte: Kein Hund und kein schreiendes Kind sollen die Zweisamkeit stören. Der Schlafmangel treibt seine wahnsinnigen Blüten in den Alltag von Soo-jin, die sich nur noch durch eine drastische Maßnahme zu helfen weiß.

Der Schlaf, ein Rätsel

Das Motiv des Schlafs als Bedrohung ist ein klassisches Motiv im Horrorfilm. In Wes Cravens Klassiker „A Nightmare on Elm Street“ (1984) ermordet der Geist eines Kindsmörders Jugendliche in ihren Träumen. Nicht mehr zu schlafen, sich wach zu halten, scheint der einzige Weg, dem beinahe sicheren Tod zu entgehen. Doch der Schlaf überfällt einen, zieht einen hinab: Wir können ihm nicht entgehen. Darin liegt die unheimliche Prämisse dieses Kultfilms, der bis heute nichts von seiner beunruhigenden Wirkung verloren hat.

Dabei sind es nicht nur die Träume, die uns ängstigen und uns mit unserem unbewussten Begehren konfrontieren. Der Albtraum der schlaflosen Nacht hat unsere Gesellschaft in seinen sehr realen Klauen. In seinem Buch „24/7: Schlaflos im Spätkapitalismus“ zeigt der Kulturtheoretiker Jonathan Crary auf, wie sehr der spätmoderne Kapitalismus uns in eine Dauerbeschäftigung zwingt. Der Schlaf wird zunehmend als unproduktive Zeit behandelt, die es zu nutzen gilt. Wer nicht mehr zur Ruhe kommt, den Tag nicht beenden kann, steht mit einem Bein in der Depression, in Psychose und körperlich-mentaler Erschöpfung.

„Sleep“ handelt in erster Linie davon. Nicht aus den unkontrollierten Träumen zieht der Film seinen Horror. Es ist vielmehr die Angst vor dem fehlenden Schlaf. Mag das Verhalten von Hyun-su auch immer rätselhafter erscheinen, so legt Regisseur Jason Yu den Fokus auf die Leiden der Frau, zeigt wie „die Erkrankung“ ihres Mannes zunehmend alles bestimmt, zu etwas Geteiltem wird: Um sich zu schützen, schläft die Frau mit ihrem Baby in der Badewanne, schließt die Tür ab. Man ist sich schließlich nicht mehr sicher, von wem mehr Bedrohung ausgeht.

Wer ist man eigentlich, wenn man schläft?

Diese Ambivalenz versteht Jason Yu in der ersten Hälfte des Filmes mit bestechendem Realismus zu inszenieren. Die Form wandelt bedächtig und ruhig. Etwas schleicht sich in diese Bilder ein, ohne jemals vollständig durch die Oberfläche zu stoßen. Wer ist man eigentlich, wenn man schläft? Was passiert während des Schlafs? Und wer ist dieser schnarchende Körper neben einem? Dass Yu das Motiv der Besessenheit ausspielt, ist nur folgerichtig.

In „Vom Schlaf“ des Philosophen Jean-Luc Nancy heißt es, dass man im Schlaf in sich und das Ich hineinfalle, wir ineinanderfallen würden: „Es bin nicht mehr ich, es ist nicht mehr ich, es ist selbst und tut nichts anders als zu sich selbst zurückzukommen.“ Und deutlicher: „Es ist also ein anderer, der an meiner Stelle schläft.“ Der Schlafende kann nicht vom Schlaf berichten, ruht ganz bei sich – auch wenn diese Ruhe von Träumen geplagt wird. Aber was ist dieses Selbst, das nicht mehr Ich sagen kann? Und wie sehr ergreift der Mangel an Schlaf von uns Besitz, sodass wir in einem Zustand zwischen Wachen und Schlaf taumeln?

In „Sleep“ wird an einer Stelle von der Schamanin gesagt, dass ein Geist den Schlaf ausnutze, um sich Zugang zum Innersten zu verschaffen. Im Schlaf sind wir verletzlich, weil die Unterscheidung zwischen Welt und Ich aufgehoben wird. Innerlichkeit wird zu einem Gefäß und der Horror zu einem Entsetzen vor dem Anderen, das noch unser Selbst ist. Solange es Jason Yu gelingt, diese Uneindeutigkeit zu behalten, ist „Sleep“ effektiv und von faszinierender Atmosphäre. Gegen Ende allerdings tritt das Übernatürliche zu sehr in den Vordergrund. Allzu bekannte Genrekonventionen greifen und entzaubern den tiefsinnigen Horror des Schlafs und seines Entzugs. Das hat man in der Tat schon zu häufig und mit größerer ästhetischer Dringlichkeit gesehen.

In der ersten fulminanten Stunde, wie im ansonsten eher verunglückten „Beau is Afraid“, ist die ganze Welt zu einer Bedrohung geworden, wird die Paranoia zur ästhetischen Form. Statt den Ruhepuls seiner Bilder beizubehalten, hätte „Sleep“ selbst in einen wilden Schlaf stürzen müssen, in das Zucken der Augäpfel während der REM-Phase. Und so langweilt man sich im blutleeren Finale. Träumen wird man von „Sleep“ auf diese Weise jedenfalls nicht.

Kommentar verfassen

Kommentieren