Drama | Schweiz/Deutschland 2025 | 92 Minuten

Regie: Petra Volpe

Auf der vollbelegten Bettenstation einer chirurgischen Abteilung beginnt eine routinierte Pflegefachfrau ihre Spätschicht. Doch die folgenden Stunden entwickeln sich angesichts von fehlendem Personal zur überfordernden Herausforderung. Irgendwann geraten die Abläufe aus dem Takt, bis der Pflegerin ein schwerwiegender Fehler unterläuft. Der atemlose Film inszeniert das Krankenhaus als durch systemische Missstände bedingten Stressraum, in der Zeitnot und Überforderung zwangsläufig zu Fehlern führen. Das Konzept eines Krankenhaus-Actionfilms stößt jedoch durch die allzu deutlich auf Suspense und Eskalation ausgerichtete Dramaturgie an seine Grenzen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
HELDIN
Produktionsland
Schweiz/Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Zodiac Pictures
Regie
Petra Volpe
Buch
Petra Volpe
Kamera
Judith Kaufmann
Musik
Emilie Levienaise-Farrouch
Schnitt
Hansjörg Weissbrich
Darsteller
Leonie Benesch (Floria Lind) · Alireza Bayram (Jan Sharif) · Jürg Plüss (Herr Severin) · Jasmin Mattei (Claudia Bach) · Lale Yavaş (Frau Morina)
Länge
92 Minuten
Kinostart
27.02.2025
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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IMDb | TMDB

Drama um eine Krankenpflegerin auf einer chirurgischen Station, die während der Spätschicht zu viele Dinge gleichzeitig erledigen muss.

Aktualisiert am
18.02.2025 - 14:11:48
Diskussion

Frisch gewaschene Pflegekittel kommen auf einem Förderband aus der Reinigung gefahren. Das erste Bild in „Heldin“ ist Programm: das Krankenhaus als ein System eng getakteter Abläufe, ein Fließbandbetrieb. Die an einem Schweizer Spital angestellte Pflegefachfrau Floria (Leonie Benesch) wechselt in der Umkleide ein paar Worte mit ihrer Kollegin, schlüpft in die nagelneuen Turnschuhe, steigt in den Aufzug und wird, kaum in der chirurgischen Bettenstation angekommen, von der Regisseurin Petra Volpe buchstäblich in ihre Spätschicht hineingeworfen. Ein gewöhnlicher Arbeitstag als Ausnahmesituation.

Anfangs läuft es wie am Schnürchen

Die Handkamera folgt Floria auf Schritt und Tritt. Eine Kollegin ist ausgefallen; die 25 Patient:innen müssen von zwei Kräften allein versorgt werden. Noch läuft alles wie am Schnürchen. Der Kollege weist sie ein, die Kaffeemaschine rattert, auf dem Flur wechselt Floria noch ein paar scherzhafte Worte, und schon geht es los. Eine alte, verwirrte Frau wurde mit Verstopfungen eingewiesen und muss aus dem Rollstuhl ins Bett gehievt werden. Das ist im Grunde ein kleines Drama für sich, aber dafür ist keine Zeit. Ein paar Handgriffe, ein paar beruhigende Worte, ein Lächeln, weiter.

Floria, routiniert, freundlich, aber unter steter Anspannung, eilt mit ihrem Pflegewagen von Zimmer zu Zimmer, desinfiziert ihre Hände, misst Fieber, verabreicht Schmerzmittel, mahnt zum Trinken, appelliert an die Geduld: „Die Ärztin kommt bestimmt gleich.“ Gänge, Handgriffe, Betreuungswortschatz, medizinisches Vokabular. Eine Auszubildende spricht treffend davon, einmal bei Floria „mitlaufen“ zu wollen.

„Heldin“ ist von den ersten Bildern an als immersiver Krankenhaus-Actionfilm konzipiert. Verschiedene Aufgaben, Ansprüche, Bedürfnisse und Beschwerden prasseln zeitgleich auf die Protagonistin ein. Ein Mann muss in den Operationssaal geschoben werden, weil der Transportdienst ausgefallen ist; dabei muss Floria eigentlich dringend die Infusion einer an der Galle operierten Patientin wechseln. Auf dem Flur warten die völlig aufgelösten Söhne einer gerade eingewiesenen Frau. Erneut muss Floria einen alten Mann vertrösten, der auf das Arztgespräch wartet. Und zwischen all den Aufgaben, die sofort erledigt werden müssen, wird auch noch nach Pfefferminztee oder einem Schachbrett verlangt. Irgendwann geraten die Abläufe aus dem Takt, bis Floria ein schwerwiegender Fehler unterläuft.

Wie auf einer Bühne

Die Authentizitätsbehauptung des Films und das dicke Ausrufezeichen, das er ständig vor sich herträgt – Pflegenotstand! –, verträgt sich allerdings nur schlecht mit der stets sichtbaren, auf Suspense und Eskalation ausgerichteten Dramaturgie. Den Schlüssel zum Giftschrank, der sofort gebraucht wird, hat doch noch die Kollegin! Schafft Fiona es, einer aufgebrachten Patientin mit einem Stich einen neuen Zugang zu legen? Kommt die Ärztin jetzt noch vorbei?

Das Krankenhaus-Setting wirkt wie eine in Bewegung gesetzte Bühne. Außerhalb des Bildrahmens scheinen die Darsteller:innen schon in den Startlöchern auf ihren Auftritt oder ihre Dialogzeilen zu warten. „Heldin“ ist frei von jedem dokumentarischen Duktus; eher sieht man sich an eine hochbeschleunigte Episode einer Krankenhausserie erinnert. Wo aber ein Film wie „Ivo“ von Eva Trobisch Abläufe und Begegnungen in einen äußerst lebendigen „Workflow“ übersetzte, folgt „Heldin“ einem rein mechanischen Prinzip. Auch deshalb wirkt es irgendwann absurd, ein gutes Dutzend Schauspieler:innen in Nachthemden zu stecken und ihnen eine Krankheitsgeschichte auf den Leib zu schreiben.

Aktivismus vs. Dramaturgie

Das Krankenaus als Stressraum. Dahinter verbirgt sich auch ein aktivistischer Impuls, ein nachdrückliches Hinweisen auf systembedingte Missstände, die einer politischen Korrektur bedürfen; der Titel weist darauf eigens noch mal hin. Doch „Heldin“ eignet sich so gar nicht zum aktivistischen Film. Dazu ist er auch im Ton viel zu versöhnlich.

 

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