Lockerbie - A Search for Truth
Drama | Großbritannien/USA 2025 | 300 Minuten (fünf Folgen)
Regie: Jim Loach
Filmdaten
- Originaltitel
- LOCKERBIE: A SEARCH FOR TRUTH
- Produktionsland
- Großbritannien/USA
- Produktionsjahr
- 2025
- Produktionsfirma
- Sky
- Regie
- Jim Loach · Otto Bathurst
- Buch
- David Harrower · Maryam Hamidi
- Kamera
- Ashley Rowe
- Schnitt
- Dan Roberts · Melanie Viner-Cuneo
- Darsteller
- Colin Firth (Jim Swire) · Catherine McCormack (Jane Swire) · Sam Troughton (Murray Guthrie) · Mark Bonnar (Roderick McGill) · Ardalan Esmaili (Abdelbaset al-Megrahi)
- Länge
- 300 Minuten (fünf Folgen)
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16
- Genre
- Drama | Serie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Eine Drama- und Krimiserie um das sogenannte Lockerbie-Attentat und den Kampf des Vaters eines Opfers, die Hintergründe aufzuklären.
Die Adventszeit kann sehr idyllisch sein. So scheint es auch an diesem 21. Dezember 1988 in der schottischen Kleinstadt Lockerbie. In Schlittschuhhallen laufen Kinder auf dem Eis, in weihnachtlich dekorierten Wohnzimmern versammeln sich Familien vor den Fernsehern, und selbst in einem Flugzeug stimmen die Passagiere ein Weihnachtslied an. Doch dieser besinnliche Dezemberabend endet in einem brennenden Inferno. Zunächst fallen einzelne Schrauben vom nächtlichen Himmel auf Lockerbie. Nach und nach rasen auch tonnenschwere Metallteile auf die Häuser- und Autodächer. Menschenkörper schlagen auf den Asphalt auf, und schließlich crasht ein brennendes Flugzeug in ein Wohngebiet und explodiert.
Bei dem Bombenanschlag auf den Pan-Am-Flug 103 starben 243 Passagiere, 16 Crewmitglieder und 11 Bewohner aus Lockerbie. Unter den Opfern befand sich auch Flora Swire, die Tochter von Jim Swire, der es zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, die Hintergründe des Attentats aufzudecken. Die Serie „Lockerbie: A Search for Truth“ basiert größtenteils auf seinen Recherchen und nimmt daher seine Perspektive auf die Ereignisse ein. „Geh’ und hab’ die Zeit deines Lebens!“, sind die letzten Worte des Vaters (in der Serie gespielt von Colin Firth) an seine Tochter, bevor sie ins Taxi steigt und zum Heathrow Airport fährt. Die Eltern und die zwei Geschwister winken Flora hinterher – ein Abschied für immer. Als sich die Nachricht von der Explosion weltweit verbreitet und die Familie vom Tod der Tochter informiert wird, bricht ihre Welt zusammen.
Zahlreiche Beweise und offene Fragen
Eine Montage von Archivmaterial illustriert, was für ein großes Entsetzen der Anschlag damals auslöste. Margaret Thatcher und Ronald Reagan bekundeten den Betroffenen ihr Beileid. In der Serie tummeln sich zahlreiche Leute am Ort der Zerstörung, darunter ein Journalist, mit dem Jim jahrelang Nachforschung anstellen wird. Dieser Journalist zeigt dem Vater eine schriftliche Warnung, die die US-Botschaft einige Tage vor dem Attentat erreichte, aber nicht ernst nahm. Das Dokument führt zu Unmut unter den Familien der Opfer, die sich zusammenschließen und Jim als Sprecher auswählen. Er konfrontiert einen britischen Minister mit dem Beweismaterial und den offenen Fragen, was jedoch zu keiner unabhängigen Untersuchung führt. Jim, der eigentlich ein praktizierender Arzt ist, steigert sich immer mehr in den Fall hinein.
Auf einem Flug in die USA schmuggelt er beispielsweise eine selbstgebastelte Bombe in einem Kassettenrekorder und wird von keinem Sicherheitscheck entlarvt, geschweige denn aufgehalten. Mithilfe eines ägyptischen Reporters reist Jim sogar nach Libyen, wo er den Diktator Muammar al-Gaddafi trifft, um die Auslieferung zweier libyscher Verdächtigter zu bewirken. Der anti-westliche Gaddafi lehnt zunächst ab, aber stimmt später zu, dass die beiden Männer vor einem schottischen Gericht auf neutralem Gebiet vorgeladen werden. Jim verfolgt unablässig den Prozess, der erst 2000 in den Niederlanden stattfand. Die dritte Folge der Serie spielt ausschließlich im Gerichtssaal. Beweise und Zeugen werden vorgeführt und auseinandergenommen. Woher stammt der Zünder der Bomber? Wieviel Zeit kann vom Abflug bis zur Explosion vergehen? Wann wurden die Koffer mit dem Sprengstoff in das Flugzeug geladen?
Mix aus Verschwörungs-, Gerichtsthriller und Familiendrama
Die Serie wirft im Verlauf viele Fragen auf, die nicht immer befriedigend beantwortet werden. Das hängt einerseits damit zusammen, dass nie hundertprozentig geklärt werden konnte, wer politisch hinter dem Attentat stand, andererseits wurde auch das Gerichtsverfahren von unabhängigen Beobachtern kritisiert. Diese unsichere Faktenlage nutzt die Serie genretechnisch, um daraus einen spannenden Verschwörungs- und zeitweise Gerichtsthriller zu kreieren. Jim Swire ist dabei die treibende Kraft, die alle Hinweise zuhause sammelt und unter Lebensgefahr mit Informanten spricht. Zum Leidwesen seiner Frau Jane wird er zunehmend besessen von dem Fall und isoliert sich von der Familie, anstatt mit ihr zu trauern. Damit erzählt die Serie auch eindrücklich im Hintergrund ein Familiendrama darüber, wie der Zusammenhalt nicht nur wegen des Verlusts der Tochter allein, sondern auch wegen den unterschiedlichen Arten, damit umzugehen, beinahe zerbricht.
Das Ganze evoziert den Retrolook der damaligen Paranoia-Filme. Die Schauplätze wechseln zwischen dem kaltblauen Schottland und dem warm-erdigen Libyen. Die Serie folgt den Nachforschungen von Jim chronologisch und verdichtet über die Jahrzehnte. Ohne unnötige Nebenhandlungen gelingt es den Serienmachern David Harrower, Otto Bathurst und Jim Loach, die Spannung durchgängig aufrechtzuerhalten. Immer neue Beweise lassen den Anschlag in einem neuen politischen Licht erscheinen. Ein CIA-Aussteiger bringt bei seiner Buchpräsentation noch einen ganz anderen verdächtigen Akteur ins Spiel. Die titelgebende Suche nach der Wahrheit ist am Ende eine nicht endend wollende Sisyphus-Aufgabe für Jim.
Der Terrorismus im analogen Zeitalter und die Suche nach Frieden
Fast zeitgleich zu „Lockerbie“ bei Sky/Wow startet derzeit im Kino Tim Fehlbaums „September 5 – The Day Terror Went Live“ über das Olympia-Attentat 1972. Während der Kinofilm sich auf die medienethischen Probleme rund um die Berichterstattung im analogen Zeitalter konzentriert, widmet sich die Serie der Frage, wie ein westlich-demokratischer Staat einen Anschlag juristisch und medial aufarbeitet. Dass dabei vieles im Unklaren bleibt, geht auf die Kosten sowohl der betroffenen Familien als auch der Transparenz von demokratischen Prozessen. Irgendwann kommt Jim an denselben Punkt wie Jane: Mehr Wissen kann auch zu mehr Unwissen führen. Den Frieden mit der Vergangenheit findet Jim am Ende dort, wo er gar nicht gesucht hat.