Don't Die: Der Mann, der unsterblich sein will
Dokumentarfilm | USA 2025 | 88 Minuten
Regie: Chris Smith
Filmdaten
- Originaltitel
- DON'T DIE: THE MAN WHO WANTS TO LIVE FOREVER
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2025
- Produktionsfirma
- Library Films
- Regie
- Chris Smith
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm | Dokumentarisches Porträt
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
Ein Dokumentarfilm über den US-Milliardär Bryan Johnson und seine Versuche, den menschlichen Alterungsprozess umzukehren.
In den letzten Jahren seines Lebens widmete sich der erste chinesische Kaiser Qin Shihuangdi der Suche nach einem Mittel für die Unsterblichkeit. Er finanzierte aufwändige Schiffsexpeditionen, um das sagenumwobene „Elixier des Lebens“ zu finden, und gab gewaltige Mengen an staatlichen Geldern für Schamanen und Alchemisten aus. Heute vermutet man, dass es gerade ihre quecksilberhaltigen Zaubermittel waren, die ihn schließlich getötet haben.
Die moderne Entsprechung der erhabenen Gottkaiser sind die Tech-Größen des Silicon Valley. Der Unternehmer Bryan Johnson gelangt seit 2021 regelmäßig in den Schlagzeilen, weil er mit seinem Projekt „Blueprint“ den eigenen Alterungsprozess nicht nur verlangsamen, sondern sogar umkehren will. Zu diesem Zweck schluckt er täglich Dutzende von Tabletten, hält sich an einen strengen, algorithmisch berechneten Trainings- und Diätplan, lässt sich das Blut seines Sohns Talmage injizieren, nimmt Wachstumshormone und unterzieht sich Gentherapien. Es gilt, den Tod zu besiegen. Zumindest den eigenen.
Ein medial geformter Selbstdarsteller
Der US-amerikanische Regisseur Chris Smith hat mit „Don't Die: Der Mann, der unsterblich sein will“ einen Dokumentarfilm über diesen modernen Dorian Gray gedreht, in dem es vor allem um den Menschen hinter diesem Spektakel geht. Um dessen von Routinen bestimmten Alltag, seine Beziehung zu seinem Sohn, um seine gescheiterte Ehe, seine religiöse Vergangenheit als Mormone und seine persönlichen Hoffnungen und Sorgen. Johnson soll den sensationslüsternen Schlagzeilen entrissen werden.
Was vom Ansatz her sicherlich nicht falsch ist, scheitert in der Durchführung an der Performativität des Gegenstands. Denn Bryan Johnson ist kaum mehr als die Summe der Schlagzeilen über ihn und damit ein konsequenter Endpunkt zahlreicher Gegenwartstendenzen. Er ist die Formvollendung des Fitness-Influencers, die Verdichtung aller Selbstverbesserungstrends und durch und durch ein Mediengeschöpf. Im Film erlebt man ihn als halbnackten Körper, der permanent gefilmt und fotografiert wird. Seine schlichte Apple-Keynote-Rhetorik ist perfekt darauf abgestimmt, in TikTok-Videos und Instagram-Reels zerlegt zu werden. Jede Empfindung wirkt einstudiert und gespielt. Man verändert dieses selbstgewählte Panoptikum nicht, indem man eine weitere Kamera hinzufügt.
Vom Home Sapiens zum Homo Deus
Johnson ist beileibe kein Einzelfall; er lebt seinen Kampf gegen den Tod nur etwas offener aus als die meisten Milliardäre. So erklärt Larry Ellison, aktuell der drittreichste Mensch auf der Welt, dass der Tod für ihn nie einen Sinn ergeben habe. Ellison hat über 300 Millionen in die Alterungsforschung gesteckt. Auch Peter Thiel hat im großen Stil in Kryotechnik investiert und sich bereits 2016 das Blut junger Menschen spritzen lassen. Unsterblichkeit durch KI oder das Uploaden des Gehirns, Unsterblichkeit durch Klonen, Unsterblichkeit durch Genforschung lauten die Schlagworte eines unerschütterlichen Glaubens an die eigene Genialität, der es der Tech-Elite erlaubt, sich nicht nur über den menschlichen Gesetzen zu wähnen, sondern sich selbst sogar als unvollendeten Gott zu verstehen. „Vom Homo Sapiens zum Homo Deus“, beschreibt Johnson die eigene Apotheose, während er für ein Instagram-Foto posiert, auf dem es wirkt, als würde er übers Wasser laufen.
„Der Kapitalismus beruht auf der Negation des Todes. Das Kapital wird akkumuliert gegen den Tod als absoluten Verlust“, heißt es in dem Essay „Kapitalismus und Todestrieb“ von Buyng-Chu Han. Und der Theologe Georg Baudler argumentiert: „Geld ist von seiner Wurzel im kultischen Opfer gleichsam tiefgefrorenes Opferblut. Mit Geld um sich zu werfen, es fließen zu lassen und fließen zu sehen, erzeugt einen ähnlichen Effekt wie das Fließen von Blut im Kampf oder auf dem Opferaltar.“
Kritik an Johnson tut der Milliardär in der Regel als tumber Hass ab. Aber auch der Dokumentarfilm bemüht sich nur selten, die vielen dubiosen Behauptungen von Bryan Johnson zu entkräften. Seine Kritiker werden meist als anonyme Podcaster oder YouTuber gezeigt, die giftige Schlagwörter in den Äther spucken. Wissenschaftler tauchen nur in knappen, offenkundig verkürzten Soundbites auf. Wenn negative Stimmen zu Wort kommen, werden sie schnell relativiert. Ein Forscher bemängelt, dass Johnsons Arbeit an der Unsterblichkeit bei einer Studiengröße von n=1 keine verwertbaren Messergebnisse hervorbringen würde. Daraufhin blockt Johnson ihn auf der Plattform X.
Auch die Frage nach gesellschaftlichen Ungleichheiten wird mit Plattitüden beiseite gewischt. Zwar können nur die wenigsten jährlich 2 Millionen Dollar in ihren Körper investieren. Doch der Film findet einen Vektor, über den der titanische Narzissmus der Gesellschaft zugutekommen soll. Bestehende Gesundheitssysteme greifen erst dort, wo ein Mensch krank wird; Johnsons Konzept aber entfaltet seine Wirkung schon lange bevor es so weit kommt. Das ist eine Art Trickle-down-Ökonomie für das Gesundheitswesen, die nicht viel mehr als eine den eigenen Interessen dienende Spekulation darstellt.
Ein als Dokumentarfilm getarnter Imagefilm
Hier rächt sich die privatistische Perspektive des Regisseurs. Denn alle Fragen werden ausschließlich anhand der Person von Bryan Johnson verhandelt. So kann inhaltliche Kritik mit Affekten beiseite gewischt werden, etwa mit Bildern von Johnsons Familie oder Passagen über seine persönlichen Probleme.
Die besonders abseitigen Aspekte von Johnsons Schaffen – etwa seine kuriose Obsession für Erektionsdaten - werden ausgeblendet. Die letzte halbe Stunde des Films ist dafür ungemein affirmativ. Zunächst sieht man Johnsons tränenreiche Verabschiedung seines Sohns, der aufs College geht. Dann wird er glücklich bei Wanderungen, Tanzveranstaltungen oder beim Go-Kart-Fahren gezeigt. Eine Texttafel informiert, dass seine biometrischen Daten mittlerweile viel besser geworden seien. Die Montagen zu anschwellenden Elektro-Klängen erinnern ästhetisch an einen Werbespot und sind ähnlich unkritisch und erkenntnisarm. „Don’t Die“ ist reine Propaganda, ein als Dokumentarfilm getarnter Imagefilm. Die chinesischen Kaiser hatten Hofgelehrte und schreibende Mandarine, Bryan Johnson hat Chris Smith und Netflix.