Drama | Norwegen 2024 | 96 Minuten

Regie: Cecilie A. Mosli

Ein elfjähriger Junge, der vor einigen Monaten seine ältere Schwester verloren hat, findet kaum noch Freude am Leben, obwohl das Weihnachtsfest bevorsteht, an dem er zudem Geburtstag hat. Erst als auf einmal ein lautes, fröhliches Mädchen seine Welt betritt, erhält er Hilfe in seiner Trauer und verspürt wieder Lebensfreude. Allerdings merkt er auch, dass mit seiner neuen Freundin etwas nicht stimmt. Der Kinderfilm mit ernster Thematik nimmt sich Anleihen beim Geisterfilm-Genre, ist seinem weihnachtlichen Setting entsprechend aber optimistisch gestimmt. Spielerisch und in hübschen Kulissen bereitet er seine versöhnliche Botschaft kindgerecht auf. - Ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
SNØSØSTEREN
Produktionsland
Norwegen
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Anonymous Content
Regie
Cecilie A. Mosli
Buch
Siv Rajendram Eliassen
Kamera
John-Erling Holmenes Fredriksen
Schnitt
Patrick Larsgaard
Darsteller
Mudit Gupta (Julian) · Celina Meyer Hovland (Hedvig) · Advika (Augusta) · Gunnar Eiriksson (Vater) · Sampda Sharma (Mutter)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8.
Genre
Drama | Familienfilm | Literaturverfilmung | Weihnachtsfilm
Externe Links
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Märchenhafter Weihnachtsfilm für Kinder über einen norwegischen Jungen, der seiner verstorbenen Schwester nachtrauert, bis ihm plötzlich eine fröhliche, aber mysteriöse neue Freundin wieder Lebensmut einhaucht.

Diskussion

Wer wünscht sich nicht den aufmunternden Freund oder die verständnisvolle Freundin, die zuhören können und einen in schweren Zeiten unterstützen? Kinder erfinden oft einen sogenannten imaginären Freund – und der macht sich auch auf der Leinwand gut (siehe „IF: Imaginäre Freunde“) und sagt viel aus über das Kind, das mit viel Fantasie seine Einsamkeit lindert. Auch Julian (Mudit Gupta), der kindliche Held aus „Die Schneeschwester“, ist einsam: Er hat sich in den letzten Monaten durch schwere Umstände in eine fast vollständige Isolation gleiten lassen. Seit seine geliebte große Schwester Juni im Frühling gestorben ist, findet er an nichts mehr Freude und hält sich auch von den anderen Kindern fern.

Früher war Julian mit John befreundet, mit dem er zusammen im Kirchenchor singt. Doch nun weist Julian den rotbackigen Jungen in der Fellmütze im schönen weißen Winter ab, wenn dieser ihn auf eine Schneeballschlacht einladen will. Abends besucht Julian ebenfalls allein das Grab seiner Schwester und trauert leise vor sich hin.

Eine Freundin wie aus dem Bilderbuch

Nur das Schwimmen macht ihm Spaß. Als er an einem kalten Nachmittag wieder seine Bahnen in der Schwimmhalle absolviert, entdeckt er plötzlich ein ganz in rot gekleidetes Mädchen, das seine Nase von draußen an die Scheibe hält und ihm Grimassen schneidet. Sie wartet auf Julian am Ausgang und stellt sich als Hedvig vor. Hedvig (Celina Meyer Hovland) ist lebhaft und quasselt wie ein Wasserfall. Doch Julian weist den Temperamentsbolzen – alles an ihr scheint rot zu sein, Kleidung und Haare – zunächst ab. Später überlegt er es sich anders und lässt sich von Hedvig in deren Haus einladen. Dort ist in dieser vorweihnachtlichen Zeit alles aufs Festlichste geschmückt. Ein wenig zu festlich, um für das Publikum glaubhaft zu wirken.

Alles erscheint wie in einem Traum, nur Julian merkt es nicht, freut sich über die warmherzige und zugewandte neue Freundin, trinkt mit ihr Kakao oder läuft mit ihr am Fjord, wo sie lebt, im Neuschnee herum. Irgendwann fallen ihm in Hedvigs Verhalten jedoch Unstimmigkeiten auf. Ihre Eltern sind nie da, sie geht nicht zur Schule und scheint ihm auch sonst Wichtiges vorzuenthalten.

Eine Fantasie-Ansprechpartnerin gegen das Schweigen

In der Tat ist die Freundschaft zu Hedvig nicht real, jedenfalls nicht so ganz. Gleich zu Anfang nimmt Julian als Erzähler bereits das Ende vorweg, da er ankündigt, dass Hedvig seine beste Freundin wurde und dass er sie wieder verloren hat. So wird mit einem kindlichen Publikum schon gleich zu Anfang Klartext geredet und dessen mögliche Enttäuschung über den anstehenden Verlust dieser Figur gelindert. Denn „Die Schneeschwester“, eine Verfilmung von Maja Lundes gleichnamigem Kinderbuch, gibt der Elfjährigen zwar den Vorrang bei der Titelvergabe, doch im Film geht es vor allem um Julian. Der leidet darunter, dass in seiner Familie seit dem Tod von Juni eisernes Schweigen herrscht. Der Kummer hat die Eltern stumm gemacht – womöglich machen sie sich Vorwürfe wegen der Art des Todes der ältesten Tochter, die an einer Depression litt.

Dadurch, dass Julian und Hedvig charakterlich komplett unterschiedlich sind – der nachdenkliche, eher schweigsame Junge hier, das schnatternde Mädchen dort –, ergänzen sie sich. Hedvig verbreitet gute Laune, ist unternehmungslustig und lässt Julian wieder Lebensfreude verspüren. Das gleichaltrige Mädchen fungiert aber nicht nur als Spielgefährtin, sondern auch als Kummerkastentante. Ihr erzählt er von seiner Schwester und kann nun ein wenig von der Trauerarbeit leisten, die ihm zu Hause nicht gewährt wird.

Die Verstorbene bekommt wieder einen Platz in der Familie

So entpuppt sich der Film immer mehr als Reflexion über den Umgang mit einem schmerzlichen Verlust und darüber, wie die Mauer des Schweigens durchbrochen werden kann. Durch Hedvig wird Julian auf seine Eltern zugehen, seinen Schmerz verbalisieren und sie allmählich dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern. Auf diese Weise wird der Verstorbenen wieder ein Platz in der Familie eingeräumt – nicht nur im Herzen und in den Gedanken, sondern auch durch Erinnerungen und Bilder.

Natürlich ist die Problematik für ein junges Publikum aufbereitet, werden die psychischen Probleme Junis kindgerecht erklärt. Und schließlich entsteht auch eine Verbindung zwischen Juni und Hedvig, die erklärt, warum Julian und Hedvig aufeinandergestoßen sind. Denn auch andere Familien im Ort trauern, und das bereits seit vielen Jahren. Julian entdeckt, dass er nicht allein ist, dass auch andere Trost gebrauchen können und er ihn spenden kann. Die ernste Thematik vermittelt Regisseurin Cecilie A. Mosli spielerisch und in malerischen Kulissen. Die sorgfältige Farbdramaturgie des Films lässt Julian vornehmlich in Blau, Hedvig in Rot und die äußeren Kulissen in Weiß erscheinen.

Weihnachtlicher Kinderfilm mit einer Prise „Sixth Sense“

Zum einen ist „Die Schneeschwester“ also ein Weihnachtsfilm mit einer entsprechenden Optik: Die verschneite Kleinstadt bereitet sich auf das Fest vor. Ein Weihnachtsmarkt sowie zünftig dekorierte und mit Lichterketten bestückte Privathäuser funkeln in der weißen Pracht. Auch die Lage des Städtchens am Fjord spielt eine Rolle. Er fungiert als Ort für Schlittschuhfahrten, aber auch für einen wichtigen Abschied. Denn schließlich durchweht auch eine Prise „Sixth Sense“ diesen anrührenden und unterhaltsamen Kinderfilm und hebt die Fragen auf, die sich Julian und das Publikum angesichts von Hedvigs mitunter geheimnisvollem Verhalten gestellt haben.

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